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Ist der Zug schon abgefahren?

Artikel von Claus Giering zur Arbeit des EU-Konvents

01.04.2002 · Europäische Zeitung (April 2002)



Der Präsident verlässt die Sitzung wieder eine Stunde vor dem Ende. Beim letzten Mal wollte Giscard d'Estaing den Schnellzug nach Paris erreichen. Andere Gründe mögen ihn diesmal bewogen haben. Vizepräsident Amato übernimmt daher den Vorsitz des Konvents zur Reform der EU und versäumt es, am Ende der dritten Vollversammlung über die Pläne des Präsidiums aufzuklären. Man wolle sich weiter über die Ziele und Aufgaben der EU austauschen, lässt er sich schließlich zur Besänftigung der entstandenen Unruhe entlocken.

Und die Debatte selbst? Ernüchternd! Die meisten Redner sind sich einig: Etwas mehr Klarheit bei der Aufgabenbeschreibung wäre schön, aber wirklich ändern will kaum jemand die bestehenden Zuständigkeiten. Nur in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Bekämpfung der Terrorismus und der organisierten Kriminalität wird mehr Gemeinsamkeit angestrebt. Wie das aber in die Praxis umzusetzen wäre, bleibt offen. Der Neuigkeitswert ist also minimal, entsprechend tendiert die Medienberichterstattung bereits bei der dritten Sitzung gegen Null. Diese Art von Plenarsitzung können die Brüsseler Journalisten keiner Heimatredaktion als Zukunftsprojekt verkaufen.

Was aber fehlt? Zum einen vermittelt der Konvent zu wenig Esprit. Wo ist die Aufbruchstimmung, wo der Geist von Brüssel aus dem handfeste Reformen oder gar eine Verfassung für Europa entspringen könnten? Ein Vorhaben, das die EU immerhin fit für mehr als 27 Mitglieder in einer wirtschaftlich dynamischen und sicherheitspolitisch explosiven Welt machen soll. Zum zweiten bleibt die Perspektive vage. Das vom Präsidium angestrebte Verfahren ist riskant. Die ersten Monate mit Generalaussprachen zu bestreiten kann dazu führen, dass das öffentliche Interesse vollständig erlahmt. Wichtig sind nicht Rednerbeiträge und Thesenpapiere, die sattsam bekanntes immer wieder neu formulieren. Dass wir ein gemeinsames Haus Europa brauchen, ist eine Binsenwahrheit. Über Statik jedoch kann nicht philosophiert werden. Nötig sind dazu konkrete Textvorschläge, die als Blaupausen verwendet und konstruktiv überprüft werden können. Entwürfe, die gleichzeitig dem Bürger einen Blick auf die künftige Architektur eines stabilen und zukunftsfähigen Europas erlauben.

Die ersten zwei Monate sind verstrichen und vor der Sommerpause sind noch gerade vier Sitzungen anberaumt. Danach ist schon fast Halbzeit, bevor ein Reformentwurf im Frühjahr nächsten Jahres in die Endredaktion gehen müsste. Die Zeit also drängt. So schnell wie möglich sollten daher Arbeitsgruppen eingesetzt werden, die für die zentralen Einzelfragen, aber auch die großen Themenblöcke - wie die Transparenz der Aufgabenteilung, die Legitimation europäischer Entscheidungen und das Gleichgewicht zwischen den Gemeinschaftsorganen einerseits sowie der EU und den Mitgliedstaaten andererseits - Lösungsvorschläge vorlegen. Diese Arbeit sollte sich an einer klaren Gliederung für einen künftigen Grundvertrag orientieren und an einen festen Fahrplan zur Umsetzung gekoppelt werden. Das ist die Aufgabe des Präsidiums. Gelingt das nicht, läuft der Konvent Gefahr, den Anschluss zu verpassen.


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