Die geheime Botschaft des Kandidaten
Positives Echo auf Barack Obamas Berliner Rede
26.07.2008 · Merkur Online
In den Vereinigten Staaten sind Witze über Politiker zwar nicht so beliebt wie in Europa ein Spruch aber wird gerne zitiert: "Wenn Barack Obama übers Wasser laufen würde, dann könnte es sein, dass er untergeht..." Der Scherz spielt an auf den frenetischen Jubel, mit dem der neue Heilsbringer von seinen Anhängern gefeiert wird. Auch in Deutschland löste Obama eine Massenhysterie aus. Rund 250 000 Zuhörer kamen am Donnerstagabend zu seiner Rede in Berlin.
Prof. Eberhard Sandschneider von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin bezweifelt, "dass die Begeisterung, die Obamas Person gilt, tatsächlich tragfähig ist". Die Erwartungen der Deutschen seien "überzogen". Als Präsidentschaftskandidat könne Obama noch keine konkreten Forderungen an die Nato-Partner stellen; dies werde er jedoch spätestens 2009 tun, sollte er zuvor ins Weiße Haus gewählt werden.
"Amerika hat große wirtschaftliche Probleme, in der Haushaltskasse fehlt das Geld. Wir werden im nächsten Jahr eine große Debatte über die Lastenverteilung erleben, wie wir sie noch nie gehabt haben", meint auch der Amerika- Experte Josef Braml. Der Demokrat Obama werde wohl "noch um einiges deutlicher werden" als sein republikanischer Konkurrent John McCain, wenn es um konkrete Forderungen wie etwa deutsche Truppen für Afghanistan gehe. Das deutsche Publikum dürfe nicht vergessen, dass jeder amerikanische Präsident zuerst amerikanische Interessen vertrete. Braml glaubt, dass die Kosten für Auslands- einsätze in Zukunft noch stärker auf die Verbündeten abgewälzt werden. "Obama hat in seiner Rede den Marshall-Plan angesprochen, mit dem die USA Deutschland nach dem Krieg auf die Beine geholfen haben. Das bedeutet: Jetzt erwartet er, dass wir zusammen mit den Amerikanern auch anderen aus der Misere helfen."
Nach Einschätzung des USA-Forschers Jan Techau hat Obama in Berlin "eine Bewerbungsrede an die Welt gehalten und versucht, sich als künftigen Weltführer darzustellen". Dabei sei ihm ein Spagat geglückt: "Er hat unmissverständlich den Weltmacht- anspruch Amerikas formuliert, aber gleichzeitig angeboten, die USA in den Dienst der Welt zu stellen."
Mit dem Versuch, die beschädigte Legitimation Amerikas als Führungsnation wiederherzustellen, treffe Obama mitten ins Herz der Wähler, meint Techau: "Es gibt in den USA ein ausgeprägtes Bedürfnis, gemocht zu werden. Die große Mehrheit der Amerikaner wünscht sich, dass sich das Ansehen der USA in der Welt verbessert." Allerdings ließen sich die US-Wähler bei ihrer Entscheidung in genau 100 Tagen nicht davon beeindrucken, wie beliebt ein Kandidat in Europa sei, betont Sandschneider. "Ich warne vor der Annahme, dass die Amerikaner den wählen, den wir für den Besten halten. Das hat schon bei Gore und Kerry nicht funktioniert."
Obama sei in Deutschland deshalb so gut angekommen, weil er bescheiden und unaufdringlich aufgetreten sei, sagt Werner Weidenfeld, Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung in München. Deutsche Politiker könnten von Obamas Auftritt an der Berliner Siegessäule viel lernen: "Auch in Deutschland gibt es einen Hunger nach Großerklärungen, die sich mit Pathos verbinden." Techau widerspricht: Das deutsche Publikum sei reservierter als das amerikanische. "Dieses Pathos entspricht nicht unserer Kultur, aber man lässt es Obama durchgehen."
Von Seiten der Politik wurde Obamas Auftritt überwiegend gelobt. Der Regierungskoordinator für die deutschamerikanische Zusammenarbeit, Karsten Voigt, zog eine positive Bilanz: "Es war eine bedeutende Rede, weil sie deutlich gemacht hat, dass beide Seiten des Atlantiks die globalen Probleme anpacken wollen." Der SPD-Außenpolitiker Gert Weisskirchen sprach von der "Rede eines Weltbürgers, die sich nicht nur an Deutsche oder Europäer, sondern auch an die US-Amerikaner gerichtet hat". Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber sagte, Obama verkörpere, "wonach sich viele Menschen sehnen: Charisma und Führung".
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