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Das Europabild des Bundespräsidenten

Horst Köhler beim Arbeitgeberforum "Wirtschaft und Gesellschaft" in Berlin

16.03.2005 · Ein Kommentar von Almut Metz



Horst Köhler hat eine Rede gehalten. Am 15. März 2005, zwei Tage vor dem "Job-Gipfel" von Regierung und Spitzenvertretern von CDU/CSU im Kanzleramt, forderte der deutsche Bundespräsident im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin eine "politische Vorfahrtsregel für Arbeit". Unabhängig davon, wie man die Reformvorschläge Köhlers für Wachstum und Arbeitsplätze und die Handhabung seines Amtes bewertet, hinterlässt die Rede des deutschen Staatsoberhaupts einen schalen Beigeschmack. Und dies hat mit dem Europabild zu tun, das Köhler in seinen Ausführungen zeichnet.

Um es gleich vorab zu sagen: Die Europäische Union kommt in Köhlers Rede eigentlich kaum vor. Lediglich an zwei Stellen rekurriert der Bundespräsident auf die europäische Ebene. Doch genau hier liegt das Problem. Gleich zum Auftakt seiner Rede prangert Köhler an, dass "Bundes- und Landesregierungen und nicht zuletzt Brüssel immer neue Auflagen und Regulierungen für die Wirtschaft" einfallen. Später heißt es dann: "Der Bund, die Länder und die Europäische Union sollten endlich den Satz von Montesquieu beherzigen: 'Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen.' " Beide Bemerkungen haben dieselbe Zielrichtung: Sie zeichnen das Bild von der Europäischen Union als einer Zusatz-Bürokratie, die vor allem damit beschäftigt sei, einen Wildwuchs an Regelungen zu produzieren. Der Bundespräsident lässt sich dabei sogar dazu hinreißen, den Kampfbegriff "Brüssel" zu verwenden. Dies ist nicht nur populistisch, sondern auch ein Spiel mit dem Feuer.

Köhler mag in der Sache durchaus Recht haben, darüber lässt sich trefflich streiten. Es muss erlaubt sein, auch im Hinblick auf die EU offen über Deregulierung zu diskutieren. Problematisch ist aber, dass Köhler es bei diesen sanften Andeutungen, die jedoch zweifelsohne Sprengkraft haben, belässt. Dabei ließe sich im Kontext der Reformdebatte um Wachstum und Beschäftigung in Deutschland die europäische Ebene auch inhaltlich einbeziehen: In wenigen Tagen, am 22./23. März 2005, gibt es einen weiteren "Jobgipfel", und der findet in Brüssel statt. Die Staats- und Regierungschefs der 25 Mitgliedstaaten treffen sich zur jährlichen Frühjahrstagung, die seit einigen Jahren dem Thema Wirtschaft und Beschäftigung gewidmet ist. Unter dem sperrigen Titel "Lissabon-Prozess" wollen die Staats- und Regierungschefs Halbzeitbilanz ihres Vorhabens ziehen, bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Raum der Welt zu werden, der Wachstum in Einklang mit sozialem Zusammenhalt und ökologischer Nachhaltigkeit bringt. Um den Brüsseler Gipfel nicht schön zu reden: Die Bilanz wird trübe ausfallen. Doch wäre es nicht ein wichtiges Signal an die Bundesbürger, auch darüber zu sprechen, dass Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Stagnation keine spezifisch deutschen Probleme sind, sondern andere europäische Staaten gleichermaßen betroffen sind? Und ist es nicht eine Verkürzung der Realität, wenn man die europäische Seite der Medaille schlicht ausklammert?

Es ist Aufgabe eines deutschen Staatsoberhauptes, alternative Bilder der Europäischen Union anzubieten als das des "Brüsseler Moloch". Mehr als ein halbes Jahrhundert europäischer Integration auf diesen Ausschnitt zu verkürzen, trägt dem Einigungsprozess nicht in angemessener Weise Rechnung. Eine besondere Verantwortung gebietet die aktuelle europapolitische Situation. Seit ihrer feierlichen Unterzeichnung am 29. Oktober 2004 auf dem Kapitol in Rom durchläuft die EU-Verfassung die Ratifizierung in den 25 Mitgliedstaaten. Zugegeben, in Deutschland weitestgehend unbemerkt. Dies hat vor allem damit zu tun, dass es im größten Mitgliedstaat der EU – anders als in mindestens zehn anderen Mitgliedstaaten, darunter Frankreich und Großbritannien – kein Referendum geben wird. Am 12. Mai 2005 wird der Bundestag über die EU-Verfassung abstimmen, und ein positives Votum ist sicher. Dies hat jedoch den fatalen Nebeneffekt, dass weder eine Information der Bürger über den Inhalt der Verfassung noch eine Diskussion über die Tragweite des neuen Grundlagendokuments stattfindet. Muss nicht ein Bundespräsident hier Akzente setzen?


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