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Während der EM und darüber hinaus: Aktiv eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit

Buchrezension von Julia Clajus

Eva Feldmann-Wojtachnia (Hg.): Aktiv eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit. Seminarbausteine zur bewussten Auseinandersetzung mit Identität und Toleranz, ISBN 978-3-89974439-2, 108 S., 14,80 Euro, Wochenschau Verlag, Schwalbach 2008.

29.06.2008 · Forschungsgruppe Jugend und Europa



Deutschlands Einzug ins EM-Finale ist nach einem spannenden Halbfinale geschafft. Ähnlich wie schon bei der Weltmeisterschaft 2006 schmücken seit einigen Wochen zahlreiche schwarz- rot- goldene Fahnen wieder Autos und Balkone. Nationalstolz erfüllt die Deutschen, weltoffen und freundlich. Doch welche Gefahren birgt dieser neue Nationalstolz? Obwohl Türken und Deutsche vielerorts gemeinsam feierten, kam es auch zu Zwischenfällen. So wurden beispielsweise in Dresden Dönerbuden angegriffen und mehrere Personen verletzt. Diese traurigen Ereignisse zeigen auf, wie aktuell das Thema „Fremdenfeindlichkeit“ in Deutschland ist und  weisen auch auf die Gefahren von latentem und offenen Rechtsextremismus hin, die im EM-Taumel nicht vergessen werden dürfen. Laut einer Studie Friedrich Ebert Stiftung (2006) sind Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus zunehmend salonfähig und in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ausländerfeindlichkeit wird in weiten Teilen der Gesellschaft der Studie zufolge als „erschreckend normal“ empfunden. Viele Jugendliche würden zudem autoritäre Strukturen der Demokratie vorziehen.   

Die Forschungsgruppe Jugend und Europa am C·A·P hat hier einen Lösungsansatz vorgelegt, der bei Prävention bei rechtsgefährdeten Jugendlichen ansetzt.  Das soeben im Wochenschau Verlag erschienene Praxishandbuch Aktiv eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit. Seminarbausteine zur bewussten Auseinandersetzung mit Identität und Toleranz setzt sich intensiv mit dem Thema auseinander und legt ein überzeugendes Seminarkonzept vor, welches bei der nationalen Fußballbegeisterung und ihren kritischen Grenzen ansetzt. Es zeigt effektive und nachhaltige Methoden zur Stärkung von Identitätz und Toleranz bei Jugendlichen auf. Ziel ist eine gezielte Demokratie- und Toleranzerziehung, die zu einer Stärkung der eigenen Identität führen soll, um so eine nachhaltige Immunisierung gegen Rechtsextremismus zu bewirken.

Seminarkonzept und Hintergründe

Die Publikation beinhaltet ein Seminarkonzept, das theoretisch fundiert den Praxisteil einleitet und die Hintergründe zum Thema Rechtsextremismus aufarbeitet. Ein besonderer Fokus liegt auf der wachsenden Bedeutung des Internets. Im Hauptteil werden verschiedene Übungen und Seminarinhalte vorgestellt, die sich mit Identität, Sicherheit sowie mit Toleranz und ihren Grenzen beschäftigen. Ausgangspunkt des Programms ist es, dass sich Jugendliche erst mit ihrer eigenen Identität auseinandersetzen müssen, bevor sie mit dem eigentlichen Thema konfrontiert werden. Die verschiedenen Seminarbausteine bedienen sich unterschiedlichster Medien und Methoden, so kommen unter anderem das Internet, rechtsextreme Lieder und nationale Symbole zum Einsatz. Spezielle Anlehnung findet das Programm zum einen an die Weltmeisterschaft 2006 und zum anderen an den Film „Platzangst“ von Heike Schober und René Zeuner. Des weiteren liegt ein Schwerpunkt auf der Erweiterung des Erfahrungshorzionts in der Gruppe, um zu einer gemeinsamen Auseinandersetzung mit Themen wie zum Beispiel dem Einsatz und der Bedeutung der  Deutschlandflagge führen. Der Anhang liefert interessante Definitionen zum Thema Rechtsextremismus, eine Empfehlung von geeigneten Internetseiten gegen rechts für Multiplikatoren und Jugendliche, die zum einen der weiteren Aufklärung dienen und zum anderen aktives Eintreten gegen rechts fördern.

Jugendnahe und nachhaltige Methoden

Anhand der Publikation wird deutlich, dass Rechtsextremismus nur durch nachhaltige Toleranzerziehung und kritische, persönliche Auseinandersetzung vorgebeugt werden kann. Einmaliger Aktionismus oder belehrende Vorträge werden von den Autoren nicht als förderlich erachtet, vielmehr wird ein jugendnaher und nachhaltiger Ansatz gewählt. Dem wird unter anderem mit der direkten Beschäftigung und der kritischen Auseinandersetzung mit rechter Musik und entsprechenden fremdenfeindlichen Internetseiten Rechnung getragen. So werden junge Menschen für die rechtsextremen Reize sensibilisiert, lernen aber auch, kritisch ihren eigenen Standpunkt zu finden und zu vertreten. Dies soll durch eine Vielzahl an Methoden bewirkt, unter anderem mit der sogenannten „Fishbowl Methode“, indem Jugendliche ein Thema wie zum Beispiel das Kopftuchverbot diskutieren. Unerlässlich für eine nachhaltige Wirkung ist es, Jugendlichen das nötige Selbstvertrauen und Sicherheit in der Gruppe zu vermitteln. Dies soll durch diverse Gruppenspiele erreicht werden, die das Vertrauen und den Zusammenhalt innerhalb der Gruppe stärken und eine gleichberechtigte, produktive Zusammenarbeit fördern.

Gezielte Qualifizierung

Die vorgestellten Seminarbausteine geben der Seminarleitung eine Rolle, die die Auseinandersetzung mit Jugendlichen auf einer Ebene sucht und keine übergeordnete Position einnimmt. Gleichzeitig müssen Jugendlichen jedoch klare Grenzen und Konsequenzen von rechtsradikalem Handeln aufgezeigt werden. Die daraus resultierenden Herausforderungen für Multiplikatoren sind, gerade bei diesem hochsensiblen Thema, nicht zu unterschätzen. Empfehlenswert wäre eine gezielte Schulung für Multiplikatoren, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Dennoch sind die vorgestellten Seminarbausteine gerade für Jugendliche sehr zugänglich da ein lebensnaher Ansatzpunkt gewählt wurde. Die Anlehnung an die Fußballweltmeisterschaft kann mit der laufenden Europameisterschaft aktuell aufgegriffen werden und somit einen konstruktiven Rahmen für Toleranzerziehung und die Prävention von Rechtsextremismus bieten.

Julia Clajus studiert European Studies in Maastricht und ist derzeit Praktikantin in der Forschungsgruppe Jugend und Europa am C·A·P.


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