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Zwischen Energiepolitik und Partnerschaft: Eine kohärentere EU-Politik im Schwarzmeerraum

Internationaler Workshop erarbeitet Politikempfehlungen

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01.07.2009 · C·A·P



Durch verschiedene Ereignisse ist die östliche Nachbarschaft der EU in den letzten Monaten zunehmend in den Fokus der EU-Außenpolitik gerückt. Seit dem Georgien-Krieg im August 2008 ist ein verstärktes Interesse an der Region des südlichen Kaukasus festzustellen. Die Forderungen der Regierungen in Kiew und Tiflis nach NATO-Mitgliedschaft sowie der russisch-ukrainische Gaststreit im Januar 2009 sorgen zusätzlich für Diskussionen besonders in Europa und den USA. Nicht nur in Bezug auf die Rolle Russlands gegenüber seinen Nachbarstaaten, sondern auch hinsichtlich noch ungelöster Spannungen und eingefrorener Konflikte (z.B. die Berg-Karabach-Problematik) sieht sich die EU zunehmend in der Pflicht, zukünftig aktiver in der Region aufzutreten. Neben den sicherheitspolitischen Bemühungen, die Region zu stabilisieren, verfolgt die EU weitere Interessen gegenüber der Region. Allen voran steht dabei die Sicherung und Schaffung alter und neuer Energietransportwege.


Erstes Panel mit Nico Lange (Konrad Adenauer Stiftung in Kiew)

Fraglich bleibt aber, wie es der EU gelingen kann, tatsächlich als einheitlicher Akteur aufzutreten, der die Herausforderungen in der Region effektiv bearbeitet. Denn bisher besteht die EU-Politik gegenüber der Region aus einer Vielzahl von Initiativen, die mit unterschiedlichen Instrumenten ausgestattet sind. Außerdem gibt es hinsichtlich des Umgangs mit Russland Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedsstaaten. Die Nachbarschaftspolitik und die Russland-Politik der EU müssen also zukünftig besser miteinander verbunden werden. Wie aber lässt sich trotz der unterschiedlichen Ansichten zum richtigen Umgang mit Russland und den Staaten des Schwarzmeerraumes eine kohärente EU-Strategie entwickeln? Wie müssten sich die bilateralen Beziehungen der EU-Mitgliedstaaten mit den Staaten der östlichen Nachbarschaft aneinander anpassen? Wie ließe sich eine solche Strategie mit den eher technischen Initiativen der Kommission in Einklang bringen?

Diesen Fragen widmete sich der internationale Workshop "Die EU-Mitgliedstaaten und die östliche Nachbarschaft – Von zusammengesetzter zu einheitlicher EU-Außenpolitik?" der am 25./ 26. Juni 2009 von der Forschungsgruppe Europa im Centrum für angewandte Politikwissenschaft (C·A·P) der Ludwig-Maximilians-Universität durchgeführt wurde. An der von den wissenschaftlichen Mitarbeitern Sebastian Schäffer und Dominik Tolksdorf organisierten zweitägigen Veranstaltung nahmen Vertreter von Stiftungen, Forschungseinrichtungen und EU-Institutionen teil. Nach Begrüßung und Einführung durch den stellvertretenden C·A·P-Direktor Jürgen Turek wurden in fünf Panels verschiedene Themenbereiche abgedeckt. Die inhaltliche Einführung erfolgte durch Impulsreferate von regional und thematisch versierten Experten.

Im ersten Panel "Europa und die östliche Nachbarschaft: Gegenseitige Interessen, Forderungen und Abhängigkeiten" erläuterte Nico Lange, Leiter der Konrad Adenauer Stiftung in Kiew, das Potential, das in der im Mai 2009 von der EU verabschiedeten östlichen Partnerschaft steckt. Für Lange befindet sich die EU in einem Attraktivitätswettbewerb mit der Russischen Föderation um die Staaten in deren unmittelbarer Nachbarschaft. Im Panel "EU-Akteure und deren Instrumente in der Region: Wer hat wie viel Einfluss und wie wird Russland einbezogen?" lieferte Urban Vertič von der ständigen Vertretung der Republik Slowenien bei der Europäischen Union einen Einblick aus erster Hand. Er verwies im Bezug auf die östliche Partnerschaft auf das große Potential der multilateralen Dimension, die zu einer besseren Vernetzung zwischen den Zielstaaten beitragen werde. Im Bezug auf die Russische Föderation, die nicht zu den Zielstaaten der östlichen Partnerschaft zählt, merkte Vertič an, dass eine Kooperation in einzelnen thematischen Feldern möglich ist. Die östliche Partnerschaft sei auch für Russland offen; eine Einbeziehung von Moskau in die Partnerschaft wäre aber von Seiten des Kremls nicht erwünscht gewesen, da man eigene Beziehungen zur EU unterhalten möchte.


Die Organisatoren Dominik Tolksdorf und Sebastian Schäffer mit Urban
Vertic (Mitte) von der Ständigen Vertretung Sloweniens bei der EU.

Im dritten Panel wurden weitere Akteure und deren Instrumente in der Region betrachtet. Ekrem Eddy Güzeldere von der European Stability Initiative in Istanbul stellte in seinem Impulsreferat die Türkei als einen der wichtigsten Akteure im Schwarzmeerraum und dessen Interessen und Beziehungen mit den anderen Ländern in der Region dar. Neben der sich gewandelten geopolitischen Position der Landes – von der Rolle eines strategisch wichtigen Frontstaats gegen die Sowjetunion während des Kalten Krieges zu einem strategisch wichtigen Energietransitland – fand auch ein Wandel in der Türkischen Außenpolitik im Bezug auf die Staaten in der Nachbarschaft statt, die als Politik "Keine Probleme mit den Nachbarn" tituliert wird. Zwar konnten zuletzt Fortschritte in den Beziehungen zu Armenien erzielt werden, eine Grenzöffnung macht Premierminister Recep Tayyip Erdogan aber weiter von der Lösung des Bergkarabach-Konflikts abhängig. Das vierte Panel widmete sich der Energieversorgung und Energieversorgungssicherheit. Dr. Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) Berlin referierte über die aus seiner Sicht notwendigen Entwicklungen in diesem Sektor. In Bezug auf die Gaskrise vom Januar 2009 plädierte Mesiter für eine Entideologisierung der Energiebeziehungen; Russland, die EU und die Ukraine müssten zukünftig gemeinsam an der Sicherung der Energieversorgung arbeiten. Kateryna Malyhina, freie Mitarbeiterin der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, analysierte im fünften Panel die unterschiedliche Wahrnehmung der EU-Außenpolitik in der Schwarzmeerregion. Am Beispiel der Ukraine wurden die divergierenden Erwartungen der Zielstaaten der östlichen Partnerschaft und deren Fähigkeiten zur weiteren Integration mit der Europäischen Union verdeutlicht. Während Weißrussland noch in einem frühen Stadium der Beziehungen zur EU steht, unterhält die Ukraine eine Vielzahl von bilateralen Abkommen, die bereits heute über die geplanten Initiativen der östlichen Partnerschaft hinausgehen.

In der abschließenden Diskussion wurden Vorschläge erarbeitet, die zu einer einheitlicheren EU-Politik in der Region beitragen sollen. Ein gemeinsames Papier, das die Resultate des Workshops zusammenfasst und Politikempfehlungen für eine zukünftige EU-Politik im Schwarzmeerraum enthält, wird im Juli 2009 auf der Homepage des C·A·P veröffentlicht.


Gruppenfoto der Teilnehmer


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