Jahrbuch der Europäischen Integration 2000/2001
Von Werner Weidenfeld und Wolfgang Wessels (Hrsg.)
05.12.2001 · Forschungsgruppe Europa
Die Geschichte gönnt Europa keine Ruhepause. Noch sind die historischen Umbrüche der letzten Jahre nicht verarbeitet, da stehen bereits neue Weichenstellungen an. Die Regierungskonferenz 2000 war dabei nur eine Etappe eines längeren Prozesses, der eine sich erweiternde Europäische Union regierungs- und handlungsfähig machen sollte. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union hatten es in der Hand, ob ihr Gemeinwesen stagniert oder ob es zukunftsfähig gestaltet wird. Der Kampf um Millimeter und die Kleinherzigkeit aus taktischem Kalkül waren dabei keine angemessene Strategie und der Eindruck drängte sich auf, dass Unterhändler, deren Blickwinkel nicht über den Rand der Regierungskonferenz hinausreichten, des öfteren den Maßstab ihres Handelns verloren.
Statt lediglich technische Details oder Teillösungen zu verhandeln, verlangt der Kontinent nach richtungsweisenden Debatten und vorausgreifenden Lösungen. Europa ist fünf Jahrzehnte ohne eine klare Vorstellung seiner "finalité politique" ausgekommen. Ohne einen offenen Prozess jedoch, der neben einer breiten Öffentlichkeit auch die Beitrittskandidaten in einem Post-Nizza-Prozess an einen Tisch holt, droht die Kraft der europäischen Idee, wie wir sie kennen, zu versiegen. Die von den Staats- und Regierungschefs in ihrer Zukunftserklärung formulierte Agenda für eine weitere, 2004 ins Auge gefasste Regierungskonferenz greift trotz des ambitionierten Programms angesichts der Herausforderungen des Kontinents zu kurz. Dennoch, eine Grundsatzdebatte über die Zukunft Europas hat zweifellos begonnen. Doch obwohl die Zukunftsentwürfe unterschiedliche Vorstellungen und theoretische Leitbilder widerspiegeln, teilen sie eine Wahrnehmung: Die europäische Einigung erreicht mit der Einführung des Euro und der Erweiterung eine neue Qualität, während zugleich die demokratische Legitimität und das Vertrauen der Bürger mehr denn je in Frage steht - eindrucksvoll zur Schau gestellt mit dem irischen Nein zum Vertrag von Nizza im Juni 2001. Die Grundrechtecharta, wie sie im Dezember 2001 in Nizza feierlich proklamiert wurde, ist aber trotzdem ein beachtlicher Schritt hin zu einer Stärkung des Grundvertrauens und der Akzeptanz des europäischen Projekts.
In Nizza wurde mit der Begleichung der Überbleibsel von Amsterdam in erster Linie die Erweiterungsfähigkeit der EU-Institutionen sichergestellt. Der neue Vertrag bereitet die Europäische Union auf die Erweiterung vor, doch die in Nizza beschlossenen institutionellen Reformen allein schaffen nicht die langfristigen Voraussetzungen für ein funktionierendes Gemeinwesen. Reformen in den Politiken der Gemeinschaft wie der Union sind trotz beachtlicher Fortschritte von Nöten, wie die Analyse der innen- wie außenpolitischen Dimension des vergangenen Jahres aufzeigt.
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