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Die EU als Motor der Transformation in Südosteuropa

Ivo Sanader eröffnet das C·A·P Forschungskolloquium im Wintersemester

04.11.2010 · C·A·P




Ivo Sanader, ehem. Premierminister Kroatiens, und Prof. Dr. Werner Weidenfeld

Die Kriege zwischen den jugoslawischen Teilrepubliken in den 1990er Jahren waren auch für die EU von großer Bedeutung. Sie legten die Handlungsunfähigkeit der Europäer im Bereich militärischer Konfliktintervention offen und sind als eine der Ursachen für die Gründung der ESVP zu sehen. Jenseits dieser „harten“ sicherheitspolitischen Dimension hat der Zerfall Jugoslawiens aber auch die Frage nach der künftigen Erweiterungsstrategie der Union, sowie einem breiter gefassten Sicherheitskonzept aufgeworfen. Gerade die EU-Mitgliedschaft wird in diesem Kontext als wichtiges Instrument zur Demokratisierung und Stabilisierung der ehemaligen Staaten in Ost- und Südosteuropa gesehen.

Mit Ivo Sanader, von 2003 bis 2009 Premierminister Kroatiens, hatte das C·A·P daher einen idealen Gesprächspartner, um die gegenwärtigen Beitrittsperspektiven der südosteuropäischen Länder aus der Außensicht zu diskutieren. Sanader war zu seiner Zeit als Regierungschef maßgeblich an den Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und Kroatien beteiligt. Eine Bedeutung als Reformmotor misst der promovierte Philologe der europäischen Integration insbesondere aufgrund ihrer ursprünglichen Konzeption als Friedensprojekt bei. Die deutsch-französische Aussöhnung, und damit eines der Gründungsnarrative der EU, wird heute in Westeuropa häufig vergessen. Sanader sieht jedoch genau darin den Schlüssel für eine Befriedung der noch immer schwelenden Konflikte im ehemaligen Jugoslawien.

Wie schwierig dies sei verdeutlichte Sanader nicht nur am Beispiel Frankreich und Deutschland, sondern verwies auch auf die anhaltenden Kluft zwischen Ost- und Westdeutschen 20 Jahre nach der Wiedervereinigung (siehe dazu auch eine Neuerscheinung des C·A·P Deutsche Kontraste). Hier wie dort gelte es, die „Mauer in den Köpfen“ zu überwinden um so die Grundlage für ein friedliches Miteinander zu schaffen.


Präsentation des Bandes Deutsche Kontraste 1990-2010

Den auf Konditionalität beruhenden Ansatz der EU-Beitrittsverhandlungen sieht Ivo Sanader daher als ein entscheidendes Mittel zur weiteren Transformation in Südosteuropa. Trotz aller Hürden und Anforderungen, wie etwa die Kopenhagener Kriterien, übt die Mitgliedschaft im „Club“ der EU einen starken Anreiz auf die Staaten in der Nachbarschaft der Union aus. Daher fordert Sanader für alle europäischen Mitgliedstaaten eine klare Beitrittsperspektive, wenn die formalen Kriterien erfüllt werden. Eine „priveligierte Partnerschaft“ oder ähnliche Konzepte der flexiblen Integration lehnt er hingegen ab. Nur eine Vollmitgliedschaft liefere genügend Antrieb um sich dauerhaft an die EU zu binden und den umfangreichen acquis communautaire zu implementieren.

Die Zukunft der südosteuropäischen Staaten sieht Sanader durchaus positiv. Trotz akuter Probleme wie der Unabhängigkeit des Kosovo, der ausstehenden Verfassungsreform in Bosnien-Herzegowina und dem Namensstreit zwischen der jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien und dem EU-Mitglied Griechenland, glaubt Sanader an eine kooperative Lösung. Als Leitmotiv dafür könne gelten: „Nicht vergessen, aber versöhnen.“


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