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Regionale Selbstverständnisse und gegenseitige Wahrnehmung von Deutschen und Tschechen

C·A·P Analyse · 3 · 2005

Michael Weigl · Michaela Zöhrer: Regionale Selbstverständnisse und gegenseitige Wahrnehmung von Deutschen und Tschechen, C·A·P Analyse · 3 · 2005.

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09.12.2005 · Von Michael Weigl und Michaela Zöhrer



Zu den Zeiten des Ost-West-Konfliktes beherrschte der so genannte Eiserne Vorhang zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei die Wahrnehmung der grenzregionalen bayerischen und tschechischen Bevölkerung und markierte das Ende der eigenen Lebenswelt. Seit dem Ende der Ost-West-Konfrontation vor mehr als einem Jahrzehnt ist indes der Nachbar jenseits der Grenze zu einem wichtigen Faktor regionaler Politik und regionalen Selbstverständnisses geworden. Jedoch zeigt sich, dass alleine die Möglichkeit, ein grenzüberschreitendes Miteinander vor der eigenen Haustüre pflegen zu können, bislang nur bedingt nachhaltige Beziehungsverflechtungen mit sich brachte. Die im Grenzgebiet ansässige Bevölkerung beider Länder, welche einen deutsch-tschechischen Dialog mit vergleichsweise geringem Aufwand führen kann, lebt tatsächlich noch mehr nebeneinander als miteinander. Zumindest die euphorischen Erwartungen und damit verbundenen Hoffnungen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs haben sich bis dato nicht erfüllt.

Auch wenn teilweise ein engagierter interkultureller Austausch stattfindet und dieser intensiv gefördert wird, dominiert im gesamten bayerisch-tschechischen Grenzraum doch aktuell das Desinteresse der Bevölkerung gegenüber dem jeweiligen Nachbar. Allerdings sind auch regionale Unterschiede auszumachen: Der Bayerische Wald und weite Teile der Oberpfalz verharren in der Sicherheit ihres historisch fundierten Selbstverständnisses und sehen entsprechend kaum Bedarf, sich nach Osten zu orientieren. Demgegenüber ist ein solcher regionaler Bezugsrahmen der Bevölkerung im Fichtelgebirge und im tschechischen Grenzraum geringer ausgeprägt, weshalb der potenzielle Nutzen grenzüberschreitender Beziehungen verstärkt wahrgenommen und diskutiert sowie dem Nachbar vermehrt Aufmerksamkeit zuteil wird. Die stärkere Wahrnehmung des Anderen führt aber nicht nur zu einer bemerkenswerten Aufgeschlossenheit, sondern auch zu vergleichsweise negativ ausgeprägten Einstellungen gegenüber dem Nachbar.

Um auf solche Befunde reagieren und Strategien für die Stärkung der regionalen Identität wie auch die bayerisch-böhmische Nachbarschaft entwickeln zu können, müssen lokale und regionale Eigenheiten und somit das Selbstverständnis der Bevölkerung ernst genommen werden. Gutnachbarschaftlichen Beziehungen, welche im Grenzraum unmittelbare Relevanz besitzen und hier einer Bewährungsprobe unterzogen werden, erscheinen unter dieser Voraussetzung durchaus realisierbar.


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