EU: "Wir haben keinen Traum"
Die Welt traut den Europäern weitaus mehr zu als sie sich selbst. Werner Weidenfeld beim Europaforum in Alpbach.
26.08.2009 · Die Presse
Eine weltweite Umfrage hat gezeigt: Für 2020 sehen die Menschen eine multipolare Welt voraus, in der auch die EU eine wesentliche Rolle spielt. Nicht, weil sie militärisch etwas zu vermelden hätte. Auch nicht, weil sie mit 31 Prozent den größten Anteil an der Weltwirtschaftsleistung hat. Nein, Europa habe die "Deutungsmacht": Lösungsvorschläge auf globaler Ebene durchzusetzen, egal, ob es um Regeln für den Finanzmarkt oder um CO2-Ziele geht das traut man nur Europa zu.
Warum? Weil die EU seit ihrer Gründung Unglaubliches geschafft hat: einen Flohhaufen aus heute 27 Nationalstaaten, die sich jahrhundertelang bekriegt haben, zu einem stabilen, handlungsfähigen Ganzen zu vereinen. Dazu muss man sich freilich schon ziemlich ähnlich sein.
Das zeigt eine Stimme aus dem Publikum: "Ich habe Arbeitskollegen
aus 25 EU-Ländern. Wir fragen uns dauernd, warum wir zusammen sind,
obwohl wir nichts miteinander gemein haben. Aber wenn zwei Amerikaner
unter uns sind, dann wissen wir es plötzlich. Wir haben eine
europäische Identität, ohne uns dessen bewusst zu sein."
Der deutsche EU-Abgeordnete Elmar Brok (CDU) kennt sogar das
Mischungsverhältnis: "Drei Fünftel gleich, zwei Fünftel verschieden."
Auf welche Formel kann man die drei Fünftel bringen? Für die Wiener
Politologin Gerda Falkner geht es um "Rechtsstaat, Menschenrechte und
soziale Marktwirtschaft". Das sollte ja fast genügen für die "große
Erzählung", die die Menschen für Europa begeistern kann.
Schlechte Werbung
Aber Österreichs Paradewerber Jan Marius Demner dämpft die
Hoffnung. Denn beim Verkauf der Marke EU laufe in Brüssel alles schief: "Da sitzen viele hundert Leute in einer Generaldirektion für
Kommunikation und bringen nichts weiter. Das ist eine unfassbare
Geldverschwendung. Dabei bräuchte es nur fünf kluge Köpfe, um den
Nutzen Europas für die Menschen erlebbar zu machen."
Dass es nur mit
Beteiligung der Bürger geht und nicht als Projekt der Eliten, darüber
sind sich mittlerweile alle einig. Ob das bis 2020 zu machen ist,
bleibt offen. Dass es notwendig wäre, steht für Weidenfeld fest: "Wir
müssen uns als Strategiegemeinschaft präsentieren oder wir werden von
den Entscheidungen anderer abhängig sein und das kann doch niemand
wollen."
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