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EU: "Wir haben keinen Traum"

Die Welt traut den Europäern weitaus mehr zu als sie sich selbst. Werner Weidenfeld beim Europaforum in Alpbach.

26.08.2009 · Die Presse



Alpbach (gau). Martin Luther King hatte einen, Barack Obama hat einen, die Europäer haben ihn nicht: einen Traum, mit dem sie die Welt verändern wollen. Aber der Rest der Welt träumt von Europa. Das ist das Fazit der Weisen in Alpbach, wenn es um die Rolle der Europäischen Union in einer globalisierten Welt geht. "Die anderen verstehen uns besser als wir uns selbst", meint die deutsche EU-Koryphäe Werner Weidenfeld.

Eine weltweite Umfrage hat gezeigt: Für 2020 sehen die Menschen eine multipolare Welt voraus, in der auch die EU eine wesentliche Rolle spielt. Nicht, weil sie militärisch etwas zu vermelden hätte. Auch nicht, weil sie mit 31 Prozent den größten Anteil an der Weltwirtschaftsleistung hat. Nein, Europa habe die "Deutungsmacht": Lösungsvorschläge auf globaler Ebene durchzusetzen, egal, ob es um Regeln für den Finanzmarkt oder um CO2-Ziele geht – das traut man nur Europa zu.

Warum? Weil die EU seit ihrer Gründung Unglaubliches geschafft hat: einen Flohhaufen aus heute 27 Nationalstaaten, die sich jahrhundertelang bekriegt haben, zu einem stabilen, handlungsfähigen Ganzen zu vereinen. Dazu muss man sich freilich schon ziemlich ähnlich sein.

Das zeigt eine Stimme aus dem Publikum: "Ich habe Arbeitskollegen aus 25 EU-Ländern. Wir fragen uns dauernd, warum wir zusammen sind, obwohl wir nichts miteinander gemein haben. Aber wenn zwei Amerikaner unter uns sind, dann wissen wir es plötzlich. Wir haben eine europäische Identität, ohne uns dessen bewusst zu sein."

Der deutsche EU-Abgeordnete Elmar Brok (CDU) kennt sogar das Mischungsverhältnis: "Drei Fünftel gleich, zwei Fünftel verschieden." Auf welche Formel kann man die drei Fünftel bringen? Für die Wiener Politologin Gerda Falkner geht es um "Rechtsstaat, Menschenrechte und soziale Marktwirtschaft". Das sollte ja fast genügen für die "große Erzählung", die die Menschen für Europa begeistern kann.

Schlechte Werbung

Aber Österreichs Paradewerber Jan Marius Demner dämpft die Hoffnung. Denn beim Verkauf der Marke EU laufe in Brüssel alles schief: "Da sitzen viele hundert Leute in einer Generaldirektion für Kommunikation und bringen nichts weiter. Das ist eine unfassbare Geldverschwendung. Dabei bräuchte es nur fünf kluge Köpfe, um den Nutzen Europas für die Menschen erlebbar zu machen."
Dass es nur mit Beteiligung der Bürger geht und nicht als Projekt der Eliten, darüber sind sich mittlerweile alle einig. Ob das bis 2020 zu machen ist, bleibt offen. Dass es notwendig wäre, steht für Weidenfeld fest: "Wir müssen uns als Strategiegemeinschaft präsentieren oder wir werden von den Entscheidungen anderer abhängig sein – und das kann doch niemand wollen."


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