C·A·P Home > Aktuell > Pressespiegel > 2007 > CSU Doppelspitze

"Man wächst mit dem Amt"

Der Münchner Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld zum Umbruch in der CSU

30.12.2007 · Weser Kurier





Werner Weidenfeld, Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung (C·A·P ) der Universität München, ist unlängst von seinen politikwissenschaftlichen Kollegen zur Nummer eins der Politikberatung in Deutschland gewählt worden. Die Entscheidung basiert auf der neuesten Studie der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW), welche die profiliertesten Fachvertreter abfragt. Mit Professor Weidenfeld sprach unser Münchener Korrespondent Ralf Müller.

Frage: Die neue CSU-Spitze hat zumindest in der veröffentlichten Meinung bisher keine guten Noten bekommen. Tut man dem neuen Ministerpräsidenten Günther Beckstein und dem neuen Parteichef Erwin Huber unrecht?

Werner Weidenfeld: Die Ära Stoiber hatte sicher historisches Format. nach einer solchen Ära steht man der Alternative Kontinuität oder Wandel. Beides muss die Nachfolgegeneration bieten. Beckstein hat besonders die Kontinuität betont. Automatisch kommt  von der Opposition und den Medien Kritik, wo denn der Wandel bleibe. Hätte Beckstein den Wandel betont, wäre er kritisiert worden, weil er sich von der großen Erfolgsära Stoiber so schnöde absetzt. Die Kontinuität zu betonen ist zunächst einmal kein Fehler. Um den Wandel stärker zu akzentuieren bleibt Beckstein Zeit bis zur Landtagswahl. Ich würde ihm auch raten, einen Zukunftsakzent zu setzen, der die Menschen bewegt. Insgesamt halte ich dieses Timing Becksteins für richtig.

Ist es für die CSU ein Problem, weil sie nicht so richtig klarmachen kann, warum Stoiber gehen muss?

Sie hat dies ja in den Monaten vorher deutlich gemacht. Als die Frage entschieden war, hat sie die Gesamtära Stoiber ins Rampenlicht gerückt und damit das positive Urteil zur Arbeit der CSU insgesamt unterstrichen. Das kann man nicht als Fehler ansehen.

Ex-Kanzler Schröder spottete, Stoiber sei Bundesliga gewesen, jetzt komme "Kreisklasse" in der CSU. Hat er Recht?

Dabei wird übersehen, dass Beckstein und Huber auch schon "Championsleague-Erfahrungen" haben. Sowohl Beckstein wie Huber haben auf Bundesebene eine beachtliche Rolle gespielt. Beckstein als sicherlich profiliertester Landespolitiker im Bereich der inneren Sicherheit, Huber hat das Wahlkampfprogramm von Merkel sehr stark mitgestaltet. Huber wurde die Leitung des Kanzleramts angeboten. Beide sind beachtliche politische Gewichte auch auf Bundesebene. Jetzt kommt es darauf an, wie sie das zur Geltung bringen. Beide haben mindestens soviel bundespolitische Erfahrung und Gewicht wie Stoiber in seiner Anfangszeit.

Bringen sie dieses Gewicht denn auch zur Geltung?

In der Anfangsphase muss die CSU verhindern, dass ihre bundespolitische Eigenwilligkeit missverstanden wird. Das würde negativ wirken. Die CSU muss zeigen, dass sie eine Partei bundespolitischer Mitgestaltung ist. Das muss sich aber entwickeln. Das darf nicht über Nacht im Sinne einer Distanzierungsbewegung passieren. In einer kleinen Bundes-Koalition hätte die CSU natürlich eine größere Mitgestaltungskraft als in einer Großen Koalition. Deshalb ist ja auch die Große Koalition kein Wunsch der CSU.

In der Politik geht es auch um Charisma. Stoiber hatte es wohl, können es Beckstein und Huber noch entwickeln?

Zu den Wahlerfolgen Stoibers haben auch positive Ausstrahlungen von Beckstein und Huber beigetragen. Ihnen kann man nicht von vornherein Charisma absprechen. Das Charisma wächst mit dem Amt. Das können Sie an allen Spitzenpolitikern beobachten. Auch Kanzlerin Merkel ist kritischer beobachtet worden als sie noch nicht Kanzlerin war. Solange Helmut Kohl Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Oppositionsführer war, wurde er höchst kritisch beurteilt. Die CSU hat einen geschickten Schachzug vollzogen, indem sie die Nachfolge Stoibers auf zwei Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Talenten verteilt. Das ist eigentlich ganz clever.

Beckstein setzt auf einen neuen Stil, der mehr auf Kooperation und Konstanz setzt als dies Stoiber getan hat. Wird ihm das jetzt als Führungsschwäche ausgelegt?

Jede Zeit fragt nach ihrem spezifischen Führungsstil. Willy Bandt und Helmut Schmidt waren zwei völlig verschiedene Führungstypen, aber jeder auf seine Art erfolgreich. Zweifellos hat Stoiber insbesondere in der Endphase seiner Amtszeit durch seine starke Dominanz Kritik ausgelöst. Dass jetzt Beckstein einen kollegialeren Führungsstil sucht, liegt auf der Hand. Nach dem hochkompetenten Aktenkenner Stoiber möchte er nun den sozialen, kommunikativen Landesvater vermitteln. Parteichef Huber stellt in einer Arbeitsteilung die parteipolitische Speerspitze dar. Der Erfolg wird davon abhängen, inwieweit die beiden diese Arbeitsteilung konsequent auf Landes-, Bundes- und internationaler Ebene umsetzen.

Doppelspitzen haben so ihre Tücken. Müssen sich nicht auf Dauer Rangeleien, Eifersüchteleien und Misstrauen einschleichen wie bei Stoiber/Waigel?

Eine Doppelspitze kann schief gehen, wenn sie zu einer Art tagespolitischer Konkurrenz verkümmert. Die Ausgangslage für Beckstein und Huber ist gut, weil es nicht um die Frage geht, wer Nachfolger von dem anderen wird. Beide haben Erfolg oder Misserfolg und erst danach stellt sich die Nachfolgefrage, aber nicht im Sinne der Konkurrenz zwischen den beiden. Das ist eine durchaus idealtypische Ausgangslage für ein Erfolgsmodell. Aber es hängt vom Verhalten der beiden ab.

Keine Partei ist so lange ununterbrochen an der Regierung wie die CSU. Ist ein Ende in Sicht?

Die absolute Mehrheit kann nur eine Partei in optimaler Verfassung erreichen. Die CSU versucht diese Prämisse zu erreichen in einer Kombination von Tradition und Moderne, Kultur und technologischem Fortschritt. Dies in ein Zukunftsbild von Politik und Gesellschaft Bayerns zu verwandeln, ist Voraussetzung für eine solche Ambition. Sie müssen eine Gesellschaft mit menschlichem Gesicht, mit Gemeinsinn vermitteln, die möglichst viele Menschen über die Mitte im engeren Sinne hinaus einbindet. Vieles spricht dafür, dass die CSU die absolute Mehrheit auch wieder erlangen kann, aber entschieden ist das heute noch nicht. Die Bindung der Wähler an die Parteien ist viel lockerer geworden. Deshalb muss sich auch die CSU anstrengen. Das hat sicher auch zum Wechsel im Führungspersonal beigetragen.


News zum Thema


Europa macht auf dem Hauptplatz in Landsberg Station
EuropaTour Bayern 2024
16.04.2024 · Augsburger Allgemeine

Werden die Grünen zum Feindbild?
Statement von Prof. Dr. Werner Weidenfeld
25.02.2024 · Stuttgarter Zeitung

Von der Krise zum Debakel
Von Werner Weidenfeld
17.02.2024 · Tichys Einblick 03/2024

Feindbild Grüne: Warum diese Wut?
Statements von Prof. Dr. Werner Weidenfeld
15.02.2024 · BR24

Frischer Wind im deutschen Parteiensystem
Welche Chancen haben Bündnis Wagenknecht, Freie Wähler, Werteunion und Dava? Statements von Prof. Dr. Werner Weidenfeld.
12.02.2024 · NZZ