C·A·P Home > Aktuell > Pressespiegel > 2005 > Schnelle Eingreiftruppe gegen Lügen

Schnelle Eingreiftruppe gegen Lügen

Wie die Institutionen der EU für die Verfassung werben

Von Antonia Beckermann, WELT am SONNTAG

20.02.2005 · WamS



Kein Frühstücksei mehr ohne die Information, welche Henne es gelegt hat, Spielzeug für Schweine und einen gelben Anstrich für alle Krankenwagen. Das fordere die Europäische Union (EU), schrieben britische Zeitungen. Die Nachrichten sind falsch und nur einige der vielen Fehlinformationen, die über die EU im Umlauf sind. Deshalb schlagen Brüsseler Politiker und Beamte jetzt Alarm.

Das Image der EU müsse aufpoliert werden, und zwar möglichst schnell. Denn innerhalb der nächsten zwei Jahre entscheiden in zehn Staaten der Union die Bürger, ob der Europäische Verfassungsvertrag in Kraft treten kann. Die Gefahr sei, daß Bürger mit einem falschen Bild der EU entweder gegen die Verfassung stimmen oder nicht zur Wahl gehen.

Deswegen haben die EU-Institutionen Aufklärungsprojekte gestartet. Das Europäische Parlament hat im Januar eine "Schnelle Eingreifgruppe" einberufen, die falsche Aussagen über die Verfassung korrigieren soll. "Innerhalb von drei Stunden, nachdem eine verfälschende Angabe zum Verfassungsvertrag gemacht wurde, antworten wir mit einer Gegendarstellung", sagt Jo Leinen, Mitglied der Eingreifgruppe und Vorsitzender des Verfassungsausschusses im Europäischen Parlament.

Auf Anfrage der nationalen Parlamente leisten die Europaparlamentarier Überzeugungsarbeit auch in den jeweiligen Ländern. Ende Januar waren sie in Großbritannien zu Gast. Im März werben sie in Paris in der Nationalversammlung und im Senat um Zustimmung der Franzosen zum Verfassungsvertrag.

Auch die neue EU-Kommission hat den Austausch zwischen Brüssel und den Bürgern zu einer "Herzensangelegenheit" gemacht. Zum ersten Mal ist deshalb mit der Vizepräsidentin Margot Wallström ein Mitglied explizit für die Kommunikationsstrategien der Union verantwortlich. Die Unterstützung der nationalen Kampagnen zur Verfassung ist ihr erster großer Auftrag. Während das Parlament von sich aus aktiv wird, schaltet sich die EU-Kommission nur auf Anfrage der Mitgliedstaaten ein.

"Wir unterstützen die Länder gern mit jeder Art von Fakteninformation, aber wir mischen uns nicht in die nationale Politik ein", sagt Margot Wallström. Auf Anfrage soll es neben Informationsbroschüren auch Seminare für Journalisten und Schüler geben.

Ein Hauptanliegen der Verfassung besteht darin, den Bürgern die meist ferne und abstrakte EU nahezubringen. Daß die EU-Institutionen jetzt nicht noch viel deutlicher für ihr wichtigstes Projekt werben, stößt auf geteilte Reaktionen. "Gerade EU-weite Kampagnen sind doch interessant. Damit könnte man punkten", sagt Almut Metz vom Centrum für angewandte Politikforschung. Auch EU-Parlamentarier kritisieren, in den nationalen Kampagnen komme Europa zu kurz.

Andreas Maurer von der Stiftung Wissenschaft und Politik unterstützt dagegen die Vorsicht der Kommission: "Ein Eingreifen in die nationalen Kampagnen wäre kontraproduktiv. Die EU-Gegner könnten dann sagen, die wollen uns ja eh nur überreden."

Einig ist man sich, daß die Kampagnen zu spät begonnen haben. "Die Verfassung ist in den Köpfen der Menschen so kurz vor den Referenden immer noch nicht präsent", kritisiert Almut Metz. Die Zeit wird knapp und die Ideen werden skurriler. Im April wird eine Ausgabe der Verfassung ins All zur Raumstation ISS geschossen. Die EU und die nationalen Regierungen werden noch einige Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit sich nicht zu viele Europäer wünschen, die Verfassung würde nicht nur ins All, sondern gleich auf den Mond geschossen.


News zum Thema


EUropaTour 2024 Bayern
Schwungvoller Start in Neu-Ulm
11.04.2024 · C·A·P

Schüler spielen Landtag
Schüler des Planegger Feodor-Lynen-Gymnasiums haben den Arbeitsalltag von Landtagsgeordneten kennengelernt.
03.04.2024 · Merkur.de

43 Städte, 1 Truck: Die EUropaTour Bayern 2024
„Europa geht uns alle an – Mitmachen lohnt sich!“
27.03.2024 · C·A·P

EU-Europa: Neues Konzept oder Untergang
Von Prof. Dr. Werner Weidenfeld
10.03.2024 · Tichys Einblick 04/2024

Wirtschaft und Jugend in Bayern
Staatssekretär Tobias Gotthardt, MdL im Gespräch mit dem C·A·P
29.02.2024 · C·A·P