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Neues Feindbild

Die CSU hat nach der Europawahl die Grünen als Gegner ausgemacht.

20.06.2004 · WamS



München - Die Stimmung bei der Europawahl-Nachlese des CSU-Vorstands war entspannt. Zwar hatte die Partei im Vergleich zur 99-er Wahl 470 000 Stimmen verloren. Doch insgeheim war man sich einig, dass es auch hätte schlimmer kommen können nach dem schmerzhaften Beginn der Spar- und Reformpolitik. Ungewöhnlich lange widmete sich das CSU-Gremium allerdings den Grünen.

Denn die kleine Oppositionspartei gehört zu den großen Gewinnern der Wahl. Mit 11,7 Prozent in Bayern haben die Grünen ihr Ergebnis gegenüber der letzten Europawahl (6,1 Prozent) fast verdoppelt. Im wirtschaftsstarken Oberbayern haben sie mit 15,3 Prozent die SPD (14,2) überholt. In München kam es für die Sozialdemokraten zum GAU. In der letzten SPD-Hochburg, erreichten die Grünen 16,6 und überholten damit erstmals die SPD (15,7 Prozent).

"Wir werden uns mit den Grünen noch mehr auseinander setzen müssen", kündigte deswegen CSU-Chef Edmund Stoiber an. JU-Chef Manfred Weber plädierte für eine Offensive: "Wir dürfen auf keinen Fall hinterherlaufen, sondern müssen deutlich machen, dass die Konzepte der Grünen, beispielsweise in der Energiepolitik, keine echten Lösungen sind, sondern nur einfache Antworten."

Ein eigenes Grünen-Konzept zu entwickeln, sei aber für die CSU nicht notwendig, meint der renommierte Politik-Wissenschaftler Werner Weidenfeld vom Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Die CSU muss die Grünen, die in Bayern eine sachkundige und profilierte Oppositionsarbeit leisten, ernst nehmen. Eine gezielte Strategie würde ich aber nicht fahren."

Der Wissenschaftler sieht den Aufstieg der Grünen eher als Problem der SPD. Die Gründe, warum die Grünen nicht auch für die Berliner Regierungspolitik abgestraft wurden, skizziert Weidenfeld folgendermaßen: Der Niedergang der SPD kommt den Grünen zugute. Die mit ihrer Partei unzufriedenen Sozialdemokraten opponieren nicht schnell und wechseln das Lager, sondern bleiben zu Hause - oder wählen grün. Weil auch die CSU weniger mobilisieren konnte, profitieren die Grünen von der schwachen Wahlbeteiligung.

"Außerdem sind die Grünen bei den harten, kontroversen Reformthemen nicht in Erscheinung getreten. Hier hat sich ein von ihnen häufig kritisierter Nachteil im politischen Alltagsgeschäft zu einem Vorteil gewandelt." Weil Schröder die Reform der Sozialsysteme zur Chefsache gemacht hatte, wurden die Grünen bei den Wahlen nicht mit der Reformdiskussion in Zusammenhang gebracht. Andererseits hätten sie, so Weidenfeld, auch ein klares sachliches Profil, das mit konkreten Personen verbunden sei, nämlich in der Außen-, der Verbraucher- und der Umweltpolitik.

Hier sprechen die Wähler den Grünen große Kompetenz zu, weit über das eigentliche Wählerpotenzial hinaus. Und den Grünen ist es gelungen, den Wahlkampf zu personalisieren. Das Gesicht von Daniel Cohn-Bendit hat einen relativ hohen Bekanntheitswert. So komme ein Prozentpunkt zum anderen.

Damit diese Zugewinne wieder abschmelzen, will CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann stärker die grüne Mitverantwortung in Berlin herausstellen. "Die Rekordverschuldung ist nicht eine persönliche Veranstaltung von Finanzminister Hans Eichel."

Bayerns Grüne dagegen wollen sich gerade stärker den harten Themen widmen: "Wir werden die CSU bei Zukunftsfragen, wie Generationengerechtigkeit, Bildung und Haushaltsfragen, stärker herausfordern", sagt Fraktionschefin Margarete Bause. Einen Vorgeschmack gaben sie bereits. Während SPD und CSU jetzt den Verkauf des staatlichen Eon-Anteils fordern, um die hohe Investitionsquote zu retten, schlägt Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr nachhaltiges Sparen vor. Die erwarteten zwei Milliarden Euro Privatisierungserlös sollen zum Abbau des Staatsdefizits verwendet werden.


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