"Stoiber muss den Mord thematisieren"
Russland-Expertin Iris Kempe über unangenehme Fragen beim Staatsbesuch Putins
10.10.2006 · Merkur Online
Kempe: Wenn man gemeinsame Interessen verfolgt bei Öl und Gas, wird wohl die Frage gestellt werden, wie man Russland zu einem verlässlichen Anbieter machen kann. Er wird auch fragen, wie man die Handelsbeziehungen verbessern kann.
Die gemeinsamen Interessen sind da - gemeinsame Werte weniger. Der Westen ist fassungslos nach dem Mord an einer Kreml-kritischen Journalistin.
Kempe: Der Besuch von Putin ist überschattet vom Mord an Anna Politkowskaja. Da stellt sich die Frage, welche Rolle der Kreml da spielt. Putin hätte von Anfang an sagen müssen: Nein, der russische Staat ist daran nicht beteiligt.
Wird Stoiber das so offen ansprechen?
Kempe: Der Druck der deutschen Öffentlichkeit ist zu groß - Stoiber wird das ansprechen müssen, wenngleich es etwas diplomatischer auf seinem Redezettel stehen wird. Er würde dieses Thema sicher gerne vermeiden, will sich aber absetzen vom Kurs des Ex-Kanzlers Gerhard Schröder, der Putin als "lupenreinen Demokraten" lobte.
Wie weit fehlt es zur lupenreinen Demokratie?
Kempe: Ich würde von einer Demokratie als staatlicher Veranstaltung sprechen. Es gibt alle Institutionen, aber sie funktionieren nicht nach unseren Prinzipien. Der Rechtstaat ist schwach.
Darf Stoiber Themen wie Tschetschenien ansprechen, oder ist das eine Einmischung in russische Angelegenheiten?
Kempe: Tschetschenien und Weißrussland gehören zu den Themen, die seit Jahren in solchen Gesprächen immer abgeklopft werden. Auch die russisch-georgischen Beziehungen muss er ansprechen.
Welche Aussagen erwartet Putin von den Deutschen?
Kempe: Es wird auch um seine Erwartungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft gehen und um das Kooperationsabkommen mit Russland.
Der Weltpolitiker Putin und der Landesfürst Stoiber - bringt das Treffen überhaupt etwas?
Kempe: Wirtschaftspolitisch ja. Bayern ist ein wichtiger Wirtschaftsstandort. Stoibers CSU hat außerdem eine Rolle in der Bundesregierung. Dass sich durch ein Gespräch Stoiber-Putin die Lage in Tschetschenien ändern würde, ist aber nur schwer vorstellbar.
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