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Strategien gegen Rechtsextremismus in Europa

Expertenworkshop 'Rechtsextremismus – eine Europäische Herausforderung' in Berlin

04.06.2007 · C·A·P




Gruppenbild der Teilnehmer der Konferenz in Berlin

Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Feindlichkeiten gegen Immigranten, insbesondere gegen Muslime, sind heute die wichtigsten Dimensionen rechtsextremer Orientierung. Allerdings handelt es sich hierbei nicht allein um Facetten des Rechtsextremismus, sondern auch um Vorurteile, die bis in die Mitte – und zum Teil auch bis zum linken Rand - der Gesellschaft reichen.

Dies als Herausforderung für die demokratische Gesellschaft und ihre Werte anzunehmen war Konsens unter den Rechtsextremismusforschern und Mitgliedern europäischer Institutionen, die am 31. Mai in Berlin auf Einladung der Bertelsmann Stiftung zusammen trafen. Ziel der gemeinsamen Initiative Strategien gegen Rechtsextremismus in Europa der Bertelsmann Stiftung und des Centrum für angewandte Politikforschung (C·A·P) ist es, Empfehlungen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit auf verschiedenen Politik-Ebenen zu entwickeln (Gesetzgebung, Politische Institutionen und Akteure, Zivilgesellschaft und Medien). Dabei sollen die bisher stark national geführten Debatten zum Rechtsextremismus durch den Blick auf andere europäische Länder angereichert werden und Empfehlungen auf nationaler und europäischer Ebene ausgesprochen werden.

Einleitend stellten Ulrich Kober, Leiter des Kompetenzzentrums Demokratie und Integration bei der Bertelsmann Stiftung, und Britta Schellenberg, verantwortlich für das Projekt 'Rechtsextremismus' am C·A·P, die gemeinsame Initiative – auch vor dem Hintergrund der langjährigen Projekterfahrung auf diesem Gebiet – vor.

Einen fundierten Überblick über rechtradikale Akteure und deren Öffentlichkeitsstrategien in Europa gab Prof. Dr. Michael Minkenberg, European University Viadrina, Frankfurt / Oder, ab August diesen Jahres New York University. Er beschrieb exemplarisch die Struktur des Rechtsradikalismus in Deutschland und Polen. Zudem nahm er vergleichende Einordnungen des Rechtsradikalismus (nach Akteursstruktur, nach Einstellungen gegenüber Minderheiten, nach Ideologie) in verschiedenen europäischen Ländern vor. Die Experten diskutierten insbesondere, inwiefern rechtsradikale Parteien und Organisationen bezüglich ihrer ideologischen Ausrichtung vergleichend dargestellt werden könnten und wo die Akteure ihrer Expertise zu platzieren wären.

Dr. Kathrin Meyer, zuständig für Antisemitismus und Xenophobia bei der OSZE, markierte Trends, die sich bei antisemitischen Vorfällen in verschiedenen, insbesondere europäischen Ländern, abzeichneten. Eine besondere Bedrohung würden die in vielen Ländern (wie auch Deutschland) zunehmenden Übergriffe auf jüdische Schüler im Umfeld der Schule darstellen, so Meyer. Die Daten, aber auch die Erfassung der Straf- und Gewalttaten wären zum Teil unpräzise und würden somit die Entwicklung sinnvoller Gegenstrategien verhindern. Beispielsweise würden antisemitische Taten durch den deutschen Verfassungsschutz als ‚rechtsextrem’ kategorisiert – was verkennt, dass ein nicht unbedeutender Teil der Taten von moslemischen Jugendlichen verübt würde.

Von rechtsextremen Akteuren und ihrem politischen Einfluss, aber auch von Anti-Immigration-Parteien und Positionen berichteten Prof. Dr. Meindert Fennema, Universität Amsterdam, Dr. Jean-Yves Camus, Institut de Relations Internationales et Strategiques, Paris, und Dr. Christopher Husbands, LSE, London. In der von Christal Morehouse, bei der Bertelsmann Stiftung für Migration und Immigration zuständig, moderierten Diskussion wurde die unterschiedliche ideologische Ausrichtung der Akteure in den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien herausgearbeitet. Als gemeinsame Schnittstelle eines diffusen rechtsradikalen Weltbildes wurden Ressentiments gegen Immigranten markiert (Prof. Dr. Piero Ignazi). Die Ressentiments gegen Immigranten, korrespondierten mit Forderungen nach Ausschluss, nach ‚Rückführung’, nach Zuzugsverbot oder einer (reglementierten) Begrenzung. Rechtsextreme bedienen sich verunglimpfender Zuschreibungen oder rufen zu Gewalt gegen (angeblich) Fremde auf.

Im zweiten Teil des Workshops stellte Britta Schellenberg, C·A·P, den Leitfaden für die Ländergutachten vor. Der Leitfaden dient als Basis für Ländergutachten, die Experten zu 10 europäischen Ländern verfassen. Es handelt sich um einen Fragenkatalog, der erstens Wissen zur Struktur des Rechtextremismus in dem jeweiligen Land abfragt und der zweitens – mit deutlich stärkerem Gewicht – eine Analysestruktur vorgibt, um den Umgang mit Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in verschiedenen Politik-Bereichen zu erfassen.

In der Diskussion um den Leitfaden, die Ulrich Kober leitete, wurde vorgeschlagen, den Begriff des Rechtsextremismus an die breitere Definition anzupassen, die neben Rechtsradikalismus insbesondere Anti-Immigrations-Stimmungen und Fremdenfeindlichkeit, aber ausdrücklich auch weitere Diskriminierung (u.a. gegen Homosexuelle, Behinderte) im Blick haben müsse. Die Experten bekräftigten die Schwerpunktsetzung auf die ‚Strategien’ und den vergleichenden Ansatz, die einen innovativen Beitrag zur Debatte darstellten.

Abschließend stellte Dr. Orkan Kösemen, Mitarbeiter des Kompetenzzentrums Demokratie und Integration und verantwortlich für den Themenschwerpunkt 'Rechtsextremismus' bei der Bertelsmann Stiftung, die zukünftigen Schritte im Projekt vor: Abschluss der Leitfadenentwicklung, Vergabe der Ländergutachten, Präsentation der Ergebnisse und anschließend Initiierung von Praxis-Workshops zu den verschiedenen Politikfeldern.

Download: Agenda


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