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Substanz und Zukunft der transatlantischen Beziehungen

Transatlantischer Dialog mit U.S.-Botschafter Daniel Coats.

28.05.2004 · Improving Responsiveness




C·A·P-Direktor Professor Werner Weidenfeld (links) mit dem Botschafter der USA in Deutschland, S.E. Daniel Coats (Mitte) und dem U.S. General-Konsul in München, S.E. Matthew Rooney (rechts).

Wie gut oder schlecht ist es derzeit um die transatlantischen Beziehungen wirklich bestellt? Welche strategischen Anforderungen werden an die transatlantische Partnerschaft der Zukunft gestellt? Wie nehmen sich die Gesellschaften in den USA und in Deutschland selber wahr und was bedeutet diese Selbstwahrnehmung für die transatlantische Politik? Diese und ähnliche Fragen wurden bei einem transatlantischen Dialog für junge "Transatlantiker" am Centrum für angewandte Politikforschung (C·A·P) am 26. Mai 2004 erörtert. Im Rahmen der Trans-Atlantic Issues Series seines Transatlantik-Programmes Improving Responsiveness lud das C·A·P in Zusammenarbeit mit dem U.S.-Generalkonsulat in München etwa 40 junge Vertreter aus Universitäten, Unternehmen, Thinktanks und Medien zum Gespräch ins C·A·P ein. Eingeleitet und in Schwung gebracht wurde die Diskussion durch zwei junge Experten auf dem Gebiet der transatlantischen Beziehungen: Frau Julianne Smith, stellvertretende Leiterin des International Security Programs bei einem der führenden amerikanischen Thinktanks für Außenbeziehungen, dem Center for Strategic and International Studies (CSIS) und Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Mitglied des Deutschen Bundestages (CSU) und des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Als besondere Ehre für das C·A·P standen als weitere Diskutanten der Botschafter der USA in Berlin, S.E. Daniel Coats, sowie der Generalkonsul der USA in München, S.E. Matthew Rooney bereit.


Von links nach rechts: Karl Theodor Freiherr zu Guttenberg, Werner Weidenfeld, Julianne Smith, S.E. Matthew Rooney.

Im Laufe der Diskussion, deren Leitung und Moderation C·A·P-Direktor Professor Weidenfeld oblag, wurden unterschiedliche Problembereiche der transatlantischen Beziehungen beleuchtet. Ein Blick zurück in die Geschichte offenbart, dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen durchweg von Ambivalenzen gekennzeichnet waren und dass die großartige Partnerschaft während des Kalten Krieges in der Retrospektive eher als ungewöhnlich bezeichnet werden muss. Das Auseinanderdriften der deutsch-amerikanischen Beziehungen der letzten achtzehn Monate ist insofern kein Präzedenzfall, obschon das Ausmaß der deutsch-amerikanischen Spannungen für viele Beobachter ungewöhnlich stark ausfiel. Der gegenwärtige Bruch in den deutsch-amerikanischen Beziehungen ist gleichzeitig auch weder das Ergebnis des 11. September 2001 bzw. des daraus resultierenden Krieges gegen den Terrorismus noch die unmittelbare Folge der US-geführten und von Deutschland heftig kritisierten Invasion im Irak. Die Spannungen zwischen Deutschland und den USA lassen sich vielmehr auf strategische Veränderungen seit dem und durch den Zusammenbruch der Sowjetunion zurückführen. In Betrachtung der gegenwärtigen Außenpolitik kann festgestellt werden, dass es entgegen mancherlei Erwartungen eine gut funktionierende taktische Kooperation zwischen beiden Staaten gibt, z.B. im Bezug auf die Bekämpfung des Terrors oder der sicherheitspolitischen Kooperation in der NATO. Gleichzeitig gibt es jedoch auseinanderklaffende strategische Unterschiede zwischen Deutschland und den USA im Bezug auf die jeweilige eigene Bedrohungsanalyse, auf den Umgang mit und Einsatz von militärischer Gewalt und bezüglich staatlicher Souveränität.

Eine Hauptsorge der Diskutanten war jedoch die gegenwärtige öffentliche Meinung hinsichtlich transatlantischer Kooperation und das mangelnde Einwirken der politischen Elite und der öffentlichen Meinungsbildner zugunsten der Bedeutung der deutsch-amerikanischen Beziehungen für das eigene Land. Eine junge Generation, die nicht mehr in der Zeit der transatlantischen Wärme und Verbundenheit des Kalten Krieges sozialisiert ist und eine deutlich pragmatischere Herangehensweise an die deutsch-amerikanische Kooperation hat, verbunden mit einer politischen Elite, die unter Missachtung der langfristigen politischen und wirtschaftlichen Interessen des eigenen Landes den gegenwärtigen Trend zu Antiamerikanismus bzw. Antieuropäismus wahltaktisch ausschlachtet, stellt eine große Herausforderungen für fruchtbare transatlantische Beziehungen dar. Aus diesem Grunde wurde unter den Diskutanten der Ruf nach mehr Diplomatie und Öffentlichkeitsarbeit der beiden Staaten im Bezug aufeinander laut. Besonderes Interesse fand deshalb die Antwort des U.S.-Botschafters in Berlin, dass die U.S. Botschaft jüngst eine neue Initiative mit genau jenem Ziel gestartet hat, die amerikanische Position in der deutschen öffentlichen Meinung neu zu definieren und zu verbessern: Der neue Ansatz im Umgang mit der bundesdeutschen Öffentlichkeit zielt darauf, mehr zuzuhören, zu debattieren und öffentliche Diskussionen über die deutsch-amerikanische Partnerschaft zu lancieren. Im Gegensatz zur Zeit des Kalten Krieges müsse Amerika deutlich mehr auf seine Partner - in diesem Falle Deutschland - eingehen und auch von ihnen lernen. Parallel zu mehr Diplomatie und Öffentlichkeitsarbeit wurde ein Neudefinition der strategischen Partnerschaft zwischen Deutschland und Europa einerseits und den USA andererseits gefordert - eine Neudefinition, die zügig angegangen werden muss. Das Haupthindernis diesbezüglich ist jedoch der Mangel an strategischem Denken in Europa - ungeachtet der Sicherheitsstrategie für die EU von Javier Solana, die bereits einen großen Sprung vorwärts darstellt. Ohne eine klare Definition der außenpolitischen Interessen Deutschlands, aber auch der EU, bleibt der Weg zu einer strategischen transatlantischen Gemeinschaft weiterhin kurvig, steinig und in Nebel gehüllt.

Besonderer Dank gilt dem German Marshall Fund of the United States, der diese Veranstaltung im Rahmen des "Improving Responsiveness" Programmes unterstützte. Der German Marshall Fund of the United States ist eine amerikanische Organisation, die sich der Entwicklung von Ideen, Führungskräften und Institutionen, die für eine effektive und langfristige Partnerschaft zwischen den USA und Europa erforderlich sind, verpflichtet hat.


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