OSZE am Ende?
Die harte, brutale, gewaltsame Wirklichkeit internationaler Konflikte – Von Werner Weidenfeld
11.05.2014 · Bayernkurier
Solche Bilder prägen sich ein, weit über den Tag hinaus: Da werden OSZE-Beobachter als Geiseln verschleppt und von den Separatisten in der Ukraine der Presse vorgeführt. Diese symbolhafte Verdichtung einer Demütigung lenkt den Blick auf Gegenwart und Zukunft der OSZE. Fragezeichen werden artikuliert. Eindrücke der Machtlosigkeit und Funktionserosion einer großen internationalen Organisation lassen sich nicht übersehen oder verdrängen. Diese aktuellen Daten zeigen uns einmal wieder, dass Sinn und Zweck, Macht und Wirksamkeit internationaler Organisationen nicht in Marmor gemeißelt und so auf Dauer konstant sind. Sie sind abhängig von bestimmten historischen Konstellationen, von spezifischen Interessen- und Konfliktlagen.
Erinnern wir uns daran, dass die Gründungsidee eine Erfolgsgeschichte beschreibt. Als Vorläuferinstitution KSZE (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) war diese Organisation ein höchst wirksames Instrument der Überwindung der historischen Teilung Europas. In der KSZE wurde die multilaterale Kommunikation der Entspannungspolitik organisiert. Als dann der weltpolitische Konflikt überwunden war, wollte man diesen Ort des Erfolges nicht einfach zu den Akten legen. Als OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) wurde diese Initiative von 57 Staaten auf Dauer institutionalisiert.
Aber hilft sie uns heute noch? Hat sie gegenwärtig irgendeine Relevanz? Neben zivilen Militärbeobachtungen hat sich die OSZE den Themenfeldern Demokratie und Menschenrechte, Minderheiten, Umweltschutz und Medienfreiheit zugewandt. Das sind alles Dimensionen der Kommunikation – nicht der Krisenlösung oder der Konfliktregelung. Im Kontext harter Konflikte, bei denen kriegerische Handlungen die eigentliche Herausforderung darstellen, ist die Frage oder gar Aufforderung an die OSZE fehl am Platze. Sie ist keine Organisation, die kollektive Sicherheit wirksam produzieren kann. Man sollte daher bei aktuellen gewaltsamen Konflikten höchst zurückhaltend sein mit Forderungen, die OSZE müsse aktiver in die Lösung der Auseinandersetzungen in der Ukraine eingreifen. Die Überforderung der OSZE wird in solchen Momenten sofort spürbar.
Die Frage, ob die OSZE angesichts der aktuellen Konfliktlagen am Ende ist, erhält also mehrere Antworten: Nein – sie ist nicht am Ende, solange man sie als Produzenten von ‚Soft Power’ einordnet. Falls man zu bestimmten Themen einen Kanal der Kommunikation benötigt, greife man auf die OSZE zurück. Die andere Antwort aber lautet: Ja – sie ist am Ende, wenn man ihre Rolle in der harten, brutalen, gewaltsamen Wirklichkeit internationaler Konflikte verortet. Das ist nicht ihr Auftrag. Das entspricht nicht ihrer Befähigung. Da wird sofort ihre ganze Hilflosigkeit greifbar. Wenn man aber nun diese beiden strikt zu differenzierenden Welten – Kommunikation und militärische Konfliktregelung – nicht auseinanderhält, sondern vielmehr vermischt, wie im Fall der Ukraine geschehen, dann darf man sich nicht wundern, wenn man demnächst die Frage nach dem Ende der OSZE pauschal bejahen muss.
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