Die Geburtsstunde Europas war nicht aufzuhalten
Festakt mit Prof. Dr. Werner Weidenfeld
Originalartikel
10.05.2010 · Schwäbische Zeitung
Über 60 Jahre Schuman-Plan: Historische Erfahrungen und strategische Perspektiven referierte der renommierte Münchner Politikwissenschaftler und Historiker Professor Dr. Werner Weidenfeld. Der Schuman-Plan kontrolliere bis heute die Tagesordnung Europas, erinnerte er an dieses Schlüsselereignis vor 60 Jahren. Bis dahin, so Weidenfeld, dominierten Kriege und Hass diesen Kontinent.
Der Aufbruch kam mit Ende des Zweiten Weltkriegs. Nie wieder darf so etwas passieren, so die Vision quer durch alle Länder und in allen Widerstandsbewegungen. Allerdings: Als der Vertrag in Form gegossen werden sollte, meldeten sich die Bedenkenträger -- vor allem aus England. Der Kompromiss war ein Europarat ohne Mehrheitsentscheidung. Für viele Europäer nach der Aufbruchsstimmung eine Enttäuschung. Der große Bundesstaat war gescheitert.
Doch die Stunde Europas war nicht aufzuhalten. Der strategische Kopf Jean Monet verfasste ein Papier, das Robert Schuman las und das subtil und weitreichend formuliert -- als Schuman-Erklärung in die Geschichte eingegangen ist. Die Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion sollte die gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung sichern. Dem stimmte Konrad Adenauer sofort zu. Denn dadurch sah er die anti-westliche Einstellung in Deutschland eingedämmt. Was folgte, waren auch Erfolgszahlen der Wirtschaft.
Eine Aufbruchsstimmung und Politiker wie damals wünscht sich Weidenfeld auch heute, da es um die Sicherung der politischen Handlungsfähigkeit geht. Er stellte fest, dass in allen Mitgliedsstaaten die Tendenz zunimmt, die nationalen Parlamente zu stärken. Europa hat aberdutzende Aufträge, forderte er ein neuerliches strategisches Aufbruchsdenken bei den derzeit 27 Mitgliedsländern. Kritik übte er an der Stimmengewichtung im Ministerrat, in dem Deutschland über 29 Stimmen verfügt, nach Größe und Bedeutung aber Anspruch auf 767 haben sollte.
Zuvor hatte MdL Ulrich Müller daran erinnert, dass Europa eine Schicksalsgemeinschaft aber keine Haftungsgemeinschaft ist. Vor dem Hintergrund der Griechenland-Pleite sieht er ein Defizit an Eigenverantwortlichkeit.
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