NPD im Bayern-Wahlkampf: Beten, kandidieren, festsetzen
Mit Statements von Britta Schellenberg
Von Hendrik Heinze
15.09.2008 · taz
Bevor Christen und Neonazis am 4. Oktober
betend durch Münchens Innenstadt ziehen, wollen die in Kameradschaften
wie den "Freien Nationalisten" organisierten Rechtsextremen und die
ihnen nahe stehende NPD gemeinsam einen Wahlkampf stemmen, dem die
Partei höchste Priorität beimisst. Der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt
hat Bayern als Brückenkopf ausgerufen. Hier soll es am 28. September
"mit Schwung" zum ersten Mal seit den 60er Jahren wieder in ein
westdeutsches Parlament gehen.
Zu einem Einzug in den Landtag wird es für die NPD wohl nicht reichen - aber die Gefahr ist groß, dass sie sich im Freistaat weiter festsetzt. Hier hat sie ihren mit 1100 Mitgliedern stärksten Landesverband, hier treten erstmals seit 1972 wieder in allen 91 Stimmkreisen NPDler zur Wahl an. Ein Wahlerfolg aber ist nicht ohne die Stimmen derjenigen zu schaffen, die für Bomberjacken nicht empfänglich sind - und so hat die NPD die bürgerlichen Themen für sich entdeckt und wettert gegen Abtreibung und Auslandseinsätze der Bundeswehr, gegen Gentechnik und Globalisierung
"Die Wahlparole 'Heimat statt Globalisierung' zielt auf normale Bürger, grenzt aber das radikale Lager nicht aus", sagt Britta Schellenberg, die das Projekt Strategien gegen den Rechtsextremismus in Europa an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität leitet. Ihrer Ansicht nach ist der Spagat in Bayern nötiger als anderswo.
Ein Auftreten mit offenen Nazi-Anleihen sei für die Bayern "ein Stück zuviel". Beispielhaft für die Verrenkungen seiner Partei steht der 35-Jährige Niederbayern-Spitzenkandidat Sascha Roßmüller. Früher war er Aktivist des Nationalen Blocks, der für seine "Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus" verboten wurde. Heute schnurrt er, dass er den "überlieferten Charakter und die wirtschaftlich-soziale Ausgewogenheit Bayerns" erhalten wolle.
Außerdem grillt er gerne, schaut den Herrn der Ringe und lauscht Sonaten von Edvard Grieg, ganz der Familienvater von nebenan. Zwischen der ganzen Heim- und Heimatduseligkeit fand er aber doch die Zeit, auf die Beerdigung des Altnazis Friedhelm Busse im Juli in Passau zu gehen, die bundesweit Aufsehen erregte. Die Trauergäste sangen ein SS-Lied, einer legte eine Hakenkreuzflagge auf den Sarg. Auch andere Funktionäre zeigten ihr wahres Gesicht: Der Oberbayern-Spitzenkandidat etwa wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er bei seiner Vereidigung als Münchner Stadtrat die Hand zum Hitlergruß hob.
So führt die NPD einen ambitionierten, aber wenig erfolgreichen Wahlkampf. Bayern ist ein großes Flächenland, zudem fehlt vielen Kandidaten nach Schellenbergs Einschätzung die Erfahrung. Das linksradikale Bündnis "Nazis Unplugged" berichtet von massiver Wahlwerbung, aber auch davon, dass auf NPD-Wahlveranstaltungen fast ausschließlich deren eigene Leute anzutreffen sind. Weil rechte Wähler in Umfragen oft ihre Vorlieben nicht zugeben, ist das Abschneiden der NPD schwer vorherzusagen.
Noch dazu ist die Lage unübersichtlich: Die CSU ist angeschlagen, präsentiert sich aber wie eh und je zum rechten Rand hin offen. Zudem treten die Republikaner flächendeckend an. Die große Unbekannte ist die Linke, gegen die sich die NPD nach Schellenbergs Beobachtungen in Sachen Globalisierungskritik abzugrenzen versucht. Experten sehen die NPD zwischen unter einem und bis zu drei Prozent. Schellenberg sieht die Wahl denn auch als Versuch der NPD, sich in Bayern weiter festzusetzen. "Sie will gucken, in welchen Gemeinden sie punkten kann, um dann dort weiterzumachen."
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