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Kapital verspielt

Interview mit Roman Maruhn zur Wahrnehmung Silvio Berlusconis in der internationalen Politik

Außenpolitisch hat Silvio Berlusconi diplomatische Verwirrungen und Belastungen verursacht, sagt Roman Maruhn, Italienkenner vom Centrum für angewandte Politikforschung (C·A·P) in München. Viele EU-Partner hoffen auf eine neue italienische Regierung.

Das Interview führte Patrick Guyton

04.04.2006 · Südwest Presse



Welches internationale Ansehen hat Silvio Berlusconi?

ROMAN MARUHN: Ein ganz extremes. Er wird als Schalk wahrgenommen, als Komiker, aber auch als jemand, der ständig Eklats produziert. Man wirft ihm fehlende Seriosität vor. Er macht Ankündigungen, die alle überraschen, unkonventionell sind und oft gegen europäische Grundlinien verstoßen. Dann nimmt er sie wieder zurück mit dem Verweis, dass es nur ein Scherz gewesen sei. Das macht ihn sehr unberechenbar und das Land Italien ganz extrem angreifbar.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

MARUHN: Er sagte etwa nach dem 11. September 2001, als alle Regierungen einschließlich der USA um Mäßigung bemüht waren und den Islam nicht unter Generalverdacht stellen wollten, dass die westliche Zivilisation überlegen sei. Jeder andere Regierungschef hätte damit ganz gravierende Probleme bekommen. Bei ihm führt man aber an: Na ja, das hat ja nur Berlusconi gesagt. Dennoch verursacht er diplomatische Verwirrungen und Belastungen, die dem Ansehen Italiens, der EU und des Westens schaden.

Welche Erklärungen gibt es für die Eklats und Eskapaden?

MARUHN: Es gibt mittlerweile ja fast schon Berlusconi-Wissenschaftler. Mehrheitlich erklären sie sehr vieles mit Berlusconis Persönlichkeitsstruktur. Er neigt zu großer Selbstverliebtheit und Egozentrik. Zugleich gehört es zu seiner Rolle als Unternehmer, immer wieder auch unterhaltsam zu sein mit seinen ständigen, oft peinlichen Showeinlagen.

Wie hat sich Berlusconi in der EU verhalten?

MARUHN: Italien fuhr – als Gründungsstaat der Europäischen Gemeinschaft – unter Berlusconi einen sehr EU-kritischen Kurs. Schon kurz nach der Wahl 2001 gab es Anzeichen dafür, dass Berlusconi die traditionelle italienische Außenpolitik verlässt. So zog Rom sich aus dem EU-Rüstungsprojekt eines Transportflugzeugs zurück, wehrte sich gegen den europäischen Haftbefehl und kritisierte als Regierung – ein einmaliger Fall – die Einführung des Euro im eigenen Land.

Das Verhältnis zu den USA ist aber gut.

MARUHN: Ja, auf der persönlichen Ebene zwischen Berlusconi und Präsident Bush. Fraglich ist aber, ob politisch viel dahinter steckt. Für Berlusconi sind die Vereinigten Staaten das große Vorbild – sozial- und wirtschaftspolitisch und mit der geringen Bedeutung des Staates. Als einer der wenigen hat er sich den USA beim Irak-Kurs angeschlossen. Unklar ist aber, welche Vorteile dies bringt. Denn für Italien sind die Europäer weiterhin die wichtigsten Partner, politisch wie wirtschaftlich. Viele sagen, dass Italien sein kleines außenpolitisches Kapital fast völlig verspielt hat.

Hoffen die europäischen Partner auf Berlusconis Herausforderer Romano Prodi?

MARUHN: Zumindest halten sich europäische Politiker aus dem konservativ-christdemokratischen Lager sehr mit Unterstützung im Wahlkampf zurück. Berlusconi gilt auch dort als schwierig und anrüchig. Über die Parteigrenzen hinweg wäre man nicht traurig, wenn er verlieren würde. Man hofft, dass Italien dann wieder als politischer Gestalter in die EU zurückkehrt.

Ist Silvio Berlusconi ein Rechtspopulist?

MARUHN: Er ist ein Marktpopulist, der die wirtschaftlichen Freiheiten Italiens über alles stellt, auch über das politische System und die Funktionsfähigkeit des Staates. Ein Rechtspopulist ist er nicht, denn er übernimmt die Einstellungen der extremen politischen Rechten nicht. Die Berlusconismus-Forschung meint, dass sein wesentliches Charakteristikum darin besteht, dass sich der Medienunternehmer Berlusconi des politischen Systems bedient, um seine persönliche wirtschaftliche Stellung zu schützen und auszubauen.


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