Monat der Entscheidungen für Italien
Roman Maruhn anaylsiert in einem Artikel von Martin Schrader die innenpolitische Situation in Rom.
Ein Artikel von Martin Schrader (dw-world.de)
29.11.2004 · dw-world.de
Gewagtes Versprechen
Feierlich und vor laufenden Kameras hatte Berlusconi vor der Wahl 2001 seinen "Vertrag mit den Italienern" unterschrieben. "Weniger Steuern für alle", hieß es darin - das war Dreh- und Angelpunkt seines Regierungsprogramms. Jetzt droht er zum Gefangenen seiner eigenen Versprechen zu werden. Denn seine Steuerreform ist in der Koalition umstritten. Sie hat mittlerweile zu einer handfesten Regierungskrise geführt. Vor allem der neue Außenminister und Chef der Nationalen Allianz, Gianfranco Fini, will die Reform nicht mittragen.
Berlusconis Steuerpläne nutzen besonders den Reichen, wie der Italien-Experte Roman Maruhn von der Universität München im DW-WORLD-Interview sagt: "Je höher das Einkommen, desto größer fallen bei Berlusconis Reform die Steuererleichterungen aus."
Drohung
Berlusconi drohte im November wiederholt mit Neuwahlen, sollten die Koalitionspartner seine Reform blockieren. Berlusconi versuche damit, seine Regierungspartner zu disziplinieren, sagt Maruhn. Da es Berlusconi an einer Richtlinienkompetenz, wie sie zum Beispiel der deutsche Bundeskanzler habe, fehle, greife er nun zu diesem Mittel, um seine Koalition hinter sich zu zwingen. Maruhn hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass es kurzfristig zu Neuwahlen kommen wird. "Das wäre katastrophal für die Koalition", sagt Maruhn, "sie ist in Umfragewerten so schwach wie lange nicht mehr. Wahlen wären für sie überhaupt nicht interessant." Die Zeitung "Corriere della Sera" meldete am Montag (22.11.), die Regierungskoalition liege laut Meinungsumfragen in der Wählergunst etwa fünf Prozentpunkte hinter der oppositionellen Mitte-Links-Allianz.
Ein Platzen von Berlusconis Steuerreform scheint darum wahrscheinlicher als eine Neuwahl - zumal die Reform offensichtliche Schwächen aufweist. Die Finanzierungslücken sind so groß, dass er selbst vor kuriosen Vorschlägen zu ihrer Schließung nicht Halt macht. Anfang November hieß es sogar aus der Regierung, man wolle eine Steuer auf SMS-Nachrichten erheben. Berlusconi hat sich in eine Zwickmühle manövriert: Entweder er bricht seine Steuer-Versprechen oder er muss seine Drohung gegen die Koalitionspartner entschärfen.
Vorwurf: Bestechung
Weiterer Ärger droht dem Ministerpräsidenten von der Justiz. Noch vor Weihnachten soll in einem Mammut-Prozess, in dem Berlusconi wegen Korruption angeklagt ist, ein Urteil gefällt werden. Die Staatsanwaltschaft fordert acht Jahre Haft für den Angeklagten und lehnte eine Bewährungsstrafe bereits ab. Berlusconi soll vor Beginn seiner Amtszeit als Regierungschef Richter bestochen haben, um den Verkauf des staatlichen Lebensmittelkonzerns SME an einen Rivalen zu verhindern.
Bei einer Verurteilung könnte Berlusconi zwar in Berufung gehen. Trotzdem wäre sein Image nach Einschätzung Maruhns stark angeschlagen, vor allem aus Sicht der europäischen Nachbarn. "Welcher Regierungschef in Europa wird schon wegen Korruption verurteilt?", so Maruhn. "Wir dürfen nicht vergessen, dass in der EU hohe Anforderungen an Regierungsmitglieder gestellt werden."
Exil
Berlusconi wäre nicht der erste italienische Regierungschef, der unehrenhaft aus Amt und Würden scheidet. 1994 wurde in Italien ein Geflecht von illegaler Parteienfinanzierung und Bestechung aufgedeckt, in das der damalige Ministerpräsident Bettino Craxi tief verstrickt war. Craxi floh ins Exil nach Tunesien, wo er am 19. Januar 2000 starb.
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