Die Bush-Doktrin
Amerikanische Außenpolitik unter neuen Vorzeichen. Artikel von Nicole Schley
01.09.2002 · Europäische Zeitung (09/10 2002)
Der Irak stellt derzeit den offensichtlichsten Fall für die Notwendigkeit einer neuen Außenpolitik dar. Ob die Vermutung einer Kooperation mit dem Al Quaida Netzwerk zutrifft oder nicht, auch die Mehrheit der Amerikanischen Bevölkerung ist der Meinung, die USA solle militärisch gegen den Irak vorgehen. So will Bush auch entgegen der Überzeugung seiner Alliierten einen Machtwechsel im Irak einleiten. Inzwischen hat er formell den Kongress gebeten, einen möglichen Militäreinsatz gegen den Irak zu autorisieren. Dabei warnte er ausdrücklich, dass er auch bereit sei, ohne den Rückhalt der Vereinten Nationen das Problem anzugehen. In der Kongress-Resolution formulierte Bush weit reichende Forderungen, sprich den Einsatz sämtlicher Mittel, also auch militärischer, die er für richtig und geeignet erachtet, um die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates durchzusetzen. Der Kongress hat seine bereits signalisierte Zurückhaltung inzwischen bestätigt. Vor allem die Demokraten unter Führung von Tom Daschle haben - trotz aller Furcht, man könne ihnen kurz vor den Midterm-Elections im November eine softe Einstellung zu Fragen nationaler Sicherheit nachsagen - Einwände gegen den Umfang der von Bush geforderten Kompetenzen erhoben und somit einen handfesten Streit zwischen Bush und dem Kongress heraufbeschworen. Es scheint, als müsse Präsident Bush, der sich nur zu gerne mit einer geeinten US-Front den Vereinten Nationen gegenübergestellt und die internationale Staatengemeinschaft so zum Handeln gezwungen hätte, nun einen neuen Weg finden.
Die US-Außenpolitik und die transatlantische Sicherheitspartnerschaft
Ein negativer Trend in den Beziehungen EU-USA hat sich bereits vor dem 11. September abgezeichnet: Abkühlung und Desinteresse heißen die neuen Parameter. Gegenseitige Vorwürfe, man verstehe nicht, prägen die Konversation. Der 11. September und die nachfolgenden Ereignisse haben diesen Trend weiter vertieft. Die Irak-Frage bedeutet in der jetzigen gespannten Situation nun mehr oder weniger die Eskalation: Auch hier scheint niemand zu verstehen. Die Amerikaner verstehen nicht, dass für die meisten Europäer die vorrangige Lösung der Irak-Frage in diplomatischen Mitteln liegt. Die Europäer wiederum verstehen nicht, dass die USA ihre nationale Sicherheit gefährdet sehen und einen erneuten Anschlag mit allen geeignet erscheinenden Mitteln verhindern wollen. Die Auswirkungen dieser verschiedenen Positionen auf die transatlantischen Beziehungen ist wahrscheinlich für die Europäer verhängnisvoller als für die Amerikaner, denn sie werden mit völligem Desinteresse abgestraft, wo sie doch eigentlich im globalen Mächtekonzert mitspielen wollen. Die Amerikaner sind inzwischen aber nicht mehr dazu bereit, sich neben Unilateralismusvorwürfen Erklärung über Erklärung anzuhören, warum Europa immer noch 15 verschiedene Meinungen und Stillstand in der europäischen Verteidungspolitik bedeutet. Die europäischen Pläne, eine 60.000 Mann starke europäische Truppe aufzustellen, die sich dann mit Petersberg-Aufgaben befasst, führt in Washington oft nur zu mitleidigem Lächeln. Wenn Europa als internationaler Akteur ernst genommen werden will, müssen vor allem harte Verhandlungen über die Erhöhung der Verteidigungshaushalte die Folge sein. Nach heutiger Aktenlage jedenfalls ist der Bruch in der transatlantischen Sicherheitspartnerschaft bereits vollzogen.
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