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Die CSU umweht eine gewisse Dramatik

Einzug ins Europäische Parlament ist gefährdet
Interview mit Prof. Werner Weidenfeld

Dieses Interview in der Saale Zeitung ist in ähnlicher Form am 26. Mai in der Nürnberger Zeitung (PDF-Download) und am 27. Mai auch im "Main-Echo" erschienen (PDF-Download).

27.05.2009 · Saale Zeitung, Nürnberger Zeitung, Main Echo



Die CSU muss nach Einschätzung des Münchner Politikprofessors Werner Weidenfeld durchaus um den Wiedereinzug in das Europaparlament bangen. Derzeit könne man noch nicht sagen, dass die Partei die für sie geltende bundesweite Fünf-Prozent-Hürde genommen habe, sagte der Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung (C·A·P) der Universität München in einem Gespräch mit unserer Zeitung. Die CSU habe mit dem "Abschleifen Ihres Wählerpotentials", Mobilisierungsproblemen und Abwerbungen zu kämpfen, sagte Weidenfeld.

Herr Prof. Weidenfeld, muss die CSU bei der Europawahl am 7. Juni tatsächlich davor bangen, bundesweit die Fünf-Prozent-Hürde zu verpassen und damit aus dem Europaparlament zu fliegen?

Weidenfeld: Derzeit hat die CSU diese Hürde noch nicht genommen und es fällt ihr sehr schwer. Verschiedene Faktoren machen ihr zu schaffen: Der allgemeine Trend des Abschleifens des Wählerpotentials der CSU wie wir es bei der Landtagswahl erlebt haben, das erstmalige Antreten der Freien Wähler zur Europawahl, deren Potential weitgehend aus dem CSU–Bereich abgeworben ist, und als drittes die Probleme bei der Mobilisierung. Der Europawahlkampf ist ja bisher eine ziemlich müde Angelegenheit. Den einzigen Hauch von Dramatik bringt die CSU ein, weil ihr Gesamtschicksal in Europa zur Disposition steht.

Was würde denn mit CSU-Chef Seehofer passieren, wenn am 7. Juni wie bei der Landtagswahl ein Desaster eintritt und die Partei den Wiedereinzug ins Europaparlament verfehlen sollte?

Die Europawahl ist eine Art Stimmungstest im Superwahljahr. Wenn es die CSU nicht schafft, ist es eine Fortsetzung ihres großen Dramas. Begrenzt wird dieses Drama aber durch die Tatsache, dass es in einem Superwahljahr stattfindet. Das verbietet in allen Parteien wirklich dramatische Eingriffe in diesem Jahr. Das sagt aber nichts über künftige Entwicklungen.

Die CSU muss also an Seehofer erst einmal festhalten, egal wie die Europawahl ausgeht?

Sie hat gar keine Alternative, wenn sie einigermaßen aufrecht in die Bundestagswahl gehen will.

Werden die freien Wähler zwar der CSU Stimmen wegnehmen können, aber es nicht ins Europaparlament schaffen?

Ja.

Die CSU führt eine Art "Ja aber" - Europawahlkampf. Sie ist grundsätzlich für Europa, hat aber viel zu kritisieren. Ist das die richtige Strategie?

Taktisch kann man das nachvollziehen. Die CSU hat zwei große Wählerlager in ihrem Zustimmungsfeld: Der Anteil derjenigen, die Europa für besonders wichtig halten, ist im Unionslager besonders hoch. Also muss man denen eine Heimat mit dem grundsätzlichen "Ja" zu Europa anbieten. Gleichzeitig gibt es Kritik an Details, über die man sich im Alltag ärgert. Also liefert die CSU eine Art "Europa-Spagat". Viel anders kann man es gar nicht machen, wenn man einigermaßen erfolgreich sein will.

Sie haben die schwierige Wählermobilisierung schon erwähnt. Wird die Wahlbeteiligung am 7. Juni so katastrophal niedrig wie viele befürchten?

Die Wahlbeteiligung sinkt seit der ersten Europawahl 1979. 2009 kommt noch das Absinken der Wahlbeteiligungen ganz generell hinzu. Daher spricht derzeit nichts dafür, dass sich diese Kurve dreht und nach oben zeigt.

Immer noch heißt es, das Europa-Parlament muss man nicht wählen, weil es sowieso nichts zu sagen hat. Stimmt das?

Der eigentliche Gewinner an Macht war in den letzten Jahren das Europäische Parlament. Ihm hängt jedoch bis heute noch der Mythos der Machtlosigkeit an. In Wirklichkeit wurde es zu einer Schlüsselinstitution der europäischen Integration. Wir haben eine Art Zwei-Kammer-System in Europa, die eine ist das Parlament, die andere der Ministerrat.

Der frühere Finanzminister Waigel wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Europa ohne den Euro in der gegenwärtigen Finanzkrise unter die Räder gekommen wäre. Wie sehen Sie das?

Das ist ein anschauliches Beispiel. In der globalen Finanzkrise hat Europa die richtige Größe, um mitzuwirken. Jeder Einzelstaat wäre nur ein kleines Spielbällchen. Kein einziger Staat richtet da allein etwas aus. Oder die große Sicherheitsbedrohung durch einen hochprofessionellen Terrorismus, die für den einzelnen Staat nicht zu bewältigen ist. Und auch beim großen Thema Klimawandel kann nur Europa etwas bewegen. Im Erklärungs- und Deutungsangebot der Politik ist das alles so nicht vorgekommen. Deshalb bewegt sich dieses Europa stimmungsmäßig in einem gewissen Desaster ohne dass es auf der Kippe stehen würde.

Verliert sich Europa in zu viele Details und verliert das große Ganze aus den Augen?

Das ist ein Problem der Politik insgesamt. Die Politik treibt einen zu geringen Aufwand, die Sachverhalte ganz elementar zu erklären. Die Politik erschöpft sich in einem hektischen Aktivismus, der ständig irgendetwas regelt, klärt, entscheidet, ohne es den Menschen plausibel zu machen und sie dabei mitzunehmen. Diese Art von Aktionismus ist auch heute in der Politik dominant. Das ist nicht spezifisch europäisch.


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