Expertin: CSU auf riskantem Streitkurs
Politik-Wissenschaftlerin Glaab zu Gründen für die Angriffslust
Das Interview führte Doris Neu
18.12.2008 · heute.de
Manuela Glaab: Vorrangig geht es darum, dass die Parteiführung schnelle politische Erfolge vorweisen muss. Man sollte den CSU-Kurs aber auch vor dem Hintergrund sehen, dass das Verhältnis zwischen den beiden Schwesterparteien traditionell von Konkurrenz bestimmt ist. Dabei haben sich kooperative Phasen immer mit Phasen abgewechselt, die stärker von Rivalität geprägt waren. Im Augenblick versucht die CSU, nach dem verheerenden Wahldebakel aus der Defensive herauszukommen und ihr Profil zu schärfen.
heute.de: Für wen betreibt die CSU dieses Spiel - für die Partei in Bayern oder für die Partei in Berlin?
Glaab: Sowohl als auch. In der CSU kommt es zunächst darauf an, die Basis zufriedenzustellen und die eigenen Reihen zu schließen. Gleichzeitig will man auf Bundesebene einen Führungsanspruch demonstrieren. Dabei spielt auch die Verärgerung über die fehlende Unterstützung seitens der CDU im Landtagswahlkampf eine Rolle. Das wirkt noch nach.
heute.de: Ist der Abgrenzungskurs der CSU auch ein Versuch, die goldene Ära Strauß heraufzubeschwören, in der sich die CSU auf Augenhöhe mit der großen Schwester sah?
Glaab: Zunächst muss man festhalten, dass die CDU kein Interesse an einer schwachen CSU hat. Solange es Angela Merkel als CDU-Chefin gelingt, das eigene Lager geschlossen zu halten, ist es schwer für die CSU, eine Führungsrolle zu erlangen. Die aktuelle Strategie der CSU zielt auf kurzfristige politische Erfolge ab - auch und gerade mit Blick auf die bevorstehende Europawahl. Mittelfristig kommt es aber darauf an, dass die Union insgesamt gestärkt ist.
Die Parallele zu Strauß drängt sich zwar auf, weil CSU-Chef Horst Seehofer sehr selbstbewusst die Positionen seiner Partei gegenüber der CDU vertritt. Aber der Vergleich hinkt auch aus mehreren Gründen, unter anderem, weil Strauß aus einer unangefochten starken Position heraus agieren konnte. Auf Bundesebene ist die Konstellation ebenfalls ganz anders als damals: Die CDU kann der CSU nur so weit entgegenkommen, wie die SPD dies mitträgt.
heute.de: Welches Risiko geht die CSU mit ihrem Konfrontationskurs ein?
Glaab: Es stellt sich die Frage, ob es politisch klug ist, den Gegner in den eigenen Reihen zu suchen. Die CSU kann damit kurzfristig punkten, weil es die Erwartungshaltung der Parteibasis befriedigt. Auch kommen die Forderungen bei vielen Wählern gut an, weil es sich um populäre Maßnahmen handelt, etwa beim Thema Steuererleichterungen. Nur, wenn die CSU voll auf Konfrontationskurs geht, läuft sie Gefahr, dass dies eine Eigendynamik entfaltet, die dann im kommenden Bundestagswahlkampf schwer zu handhaben ist.
heute.de: Wie könnte sich der Schwesternstreit auf die bevorstehende Bundestagswahl auswirken?
Glaab: CDU und CSU wären gut beraten, wenn sie sich auf eine gemeinsame Linie einigen würden, weil Wähler parteipolitische Querelen erfahrungsgemäß nicht honorieren.
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