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Der arabische Frühling

Der Maghreb auf dem Weg zur Demokratie?
C·A·P-Kolloquium mit Thomas Schiller

14.11.2011 · C·A·P



Die Revolutionen in Nordafrika und auf der arabischen Halbinsel kamen für viele überraschend da es sich bei den meisten Staaten in der Region um relativ stabile Regime gehandelt hat. Auch die konkreten Ursachen der demokratischen Umstürze und die tatsächlichen Folgen für die weitere Entwicklung in der arabischen Welt sind unter den Beobachtern noch umstritten. Thomas Schiller, der in den vergangenen Jahre für die Konrad Adenauer Stiftung im Maghreb gearbeitet hat, zählt zu den wenigen, die vom „arabischen Frühling“ aus erster Hand berichten können.


Prof. Dr. Werner Weidenfeld und Thomas Schiller

Für Schiller war vor allem der Ausbruch der Revolution in Tunesien, einem der repressivsten nordafrikanischen Staaten erstaunlich. Präsident Ben Ali war 1987 als Erneuerer angetreten, schuf letztendlich aber ein korruptes System, das den Nepotismus seiner Vorgänger sogar noch übertraf. Eine der Ursachen der Aufstände liegt für Schiller in der sich verschlechternden Wirtschaftskraft des Landes, weswegen die Befriedung der ehemals unpolitischen Mittel- und Oberschicht in Tunesien nicht mehr gelang. Hinzu kam die immer stärkere soziale und wirtschaftliche Ausgrenzung der Bevölkerung im Binnenland.

Letzteres ist für Schiller auch das verbindende Element des „arabischen Frühlings“ – eine Unterschicht, die ihre Teilhabe am Wohlstand vehement einfordert. Zum zentralen Slogan der Revolutionsbewegungen wurde daher auch der Begriff der „Würde“. Darin schwingt aber nicht nur die Forderung nach einem würdigeren Leben mit, sondern auch der Stolz, dort wo die Revolutionen bereits erfolgreich waren, auf die Selbstbefreiung ohne oder nur mit begrenzter Hilfe durch den Westen oder andere Staaten. Den Bloggern und Internet-Aktivisten, die in den europäischen Medien häufig als ursächlich für die Umbrüche hervorgehoben werden, räumt Schiller aber nur eine marginale Rolle ein. Sprengkraft konnte die demokratischen Bewegungen deswegen entfalten, weil die benachteiligte und verarmte Jugend aus den Vorstädten und den ländlichen Regionen ihre Situation radikal verändern wollten. Was die künftige Entwicklung des Maghreb angeht war Thomas Schiller eher zurückhaltend. Die berechtigte Forderung der Unterschicht nach sozialer und wirtschaftlicher Inklusion werde die fragilen Volkswirtschaften der nordafrikanischen Staaten weiter unter Druck setzen. Hinzu kommt, dass die politischen und gesellschaftlichen Eliten, denen für den Wiederaufbau eine zentrale Bedeutung zukommt, stark korrumpiert sind. Eine tragfähige Elite für eine demokratische Zukunft ist daher kaum in Sicht. Die großen Gewinner der Revolution sind bislang islamistische Gruppierungen, die nunmehr von der Meinungsfreiheit und ihrer Glaubwürdigkeit aufgrund der früheren Oppositionsrolle profitieren. Gerade hier müsse Europa aber rasch eine Strategie für den geeigneten Umgang mit demokratisch gewählten Islamisten, wie der tunesischen En-Nahda, finden.

Grundsätzlich mahnt Schiller ein verstärktes außenpolitisches Engagement des Westens im Maghreb an. Eine umfassendes Konzept, welchen Beitrag die Europäer in der Region leisten können und sollen, erkennt er jedoch bislang nicht. Dabei sei gerade die Stabilisierung Libyens für Europa eine der drängendsten Aufgaben, vor allem auf Grund der geographischen Nähe. Während die europäischen Staaten aber noch hadern, werden China und die Türkei hingegen schon aktiv. Insbesondere das politische System der Türkei stößt in der Region auf deutliches Interesse. Schiller hingegen ist skeptisch, ob die Türkei tatsächlich als Modell für einen demokratischen Maghreb dienen kann. Die politischen und gesellschaftlichen Charakteristika seien einfach zu unterschiedlich.


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