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Medien und Politik

Andreas Bönte, Programmbeauftragter des Bayerischen Rundfunks, zu Gast im C·A·P

16.11.2010 · C·A·P



Das Interesse der Zuschauer an politischen Themen im Fernsehen generell, aber auch an komplexeren Hintergründen und Zusammenhängen sinkt. Für Andreas Bönte, den Programmbeauftragte des Bayerischen Rundfunks, ist das eine der Ursachen dafür, dass immer weniger Wissen über schwierige politische Problemlagen wie z.B. die Finanzkrise in der Gesellschaft vorhanden ist. Die Menschen wenden sich zwar nicht bewußt von der Politik ab, aber es fehlt Ihnen zunehmend an Verständnis, um deren Hintergründe erfassen zu können. Die Medien nähmen sich im Gegensatz zu früher auch nicht mehr die Zeit, diese Sachverhalte hinreichend zu erklären. Ursache dafür sei eine umfassende Fragmentierung des Mediensystems und der damit einhergehende Niedergang der Leitmedien als zentrale Kanäle zur Vermittlung von politischen Hintergründen.


Andreas Bönte und Prof. Dr. Werner Weidenfeld

Inzwischen gibt es 341 Hörfunkprogramme, 211 Fernsehsender, 354 Tageszeitungen, sowie unzählige Online-Angebote. Vergleicht man diese Zahlen mit der Anzahl der Medien in den 1960er Jahren sieht man, dass die Medienverfügbarkeit um ein vielfaches größer geworden ist. Durch das aufkommen des Privatfernsehens, welches im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichen Sendern keinen Bildungsauftrag hat, gibt es für die Fernsehzuschauer nun auch viele Alternativen zur politischen Berichterstattung in den öffentlichen Anstalten. Laut Richard David Precht ist eine der wichtigsten Grundlagen einer gesunden Demokratie die Herstellung von Öffentlichkeit. Und Öffentlichkeit bedeutet, dass sich nicht jeder nur mit seinem eigenen Segment auseinander setzt. Man braucht eine gemeinsame Gesprächsgrundlage. Durch die Fragmentierung der Medienlandschaft sei dies nicht mehr möglich.

Einen möglichen Lösungsansatz für die Herausforderungen des Bayerischen Rundfunks in einer sich verändernden Medienlandschaft sieht Bönte nicht darin, dass politische Informationen weiter auf Spartensender mit niedrigen Einschaltquoten ausgelagert werden. Dadurch würde es nur zu einer weiteren Verdrängung der Politik aus den Medien kommen. Er wirbt für ein Konzept bei dem die öffentlich-rechtlichen Sender eine Grundversorgung an politischen Informationen sicherstellen, diese aber auch mit Unterhaltung verknüpfen. Selbst in sogenannten reinen Unterhaltungssendungen wie „Kochshows“ oder „Daily Soaps“ kann man laut Bönte seinem politischen Bildungsauftrag nachkommen, in dem man dort weniger mit Stereotypen arbeitet und stattdessen Normalität abbildet. Beispiele dafür wären eine Kochsendung mit Migranten zu veranstalten oder Unternehmer mit Migrationshintergrund in Vorabendserien auftreten zu lassen.

Eine weitere Veränderung der Medienlandschaft ist darin zu sehen, dass sich der Wettbewerb zwischen den einzelnen Akteuren immer mehr auf die Aktualität und weniger auf die sorgfältige journalistische Recherche verlagert. Dies verstärkt die Tendenz, dass die Hintergrundberichterstattung abnimmt und politische Zusammenhänge nicht mehr ausführlich dargestellt werden. Der Primat der Aktualität bewirke, dass Wertediskussionen nicht mehr geführt und langfristige Visionen in der Politik von den Medien nicht mehr eingefordert werden.

Aber auch die Politik selbst und insbesondere parlamentarische Prozesse leiden unter der permanenten Beschleunigung. Dadurch schleichen sich handwerkliche Fehler ein. Parteitage würden zu bloßen politischen Shows degradiert, die keine inhaltliche Auseinandersetzung, um den richtigen Weg mehr zulassen. Politik wird zu großen Teilen nur noch für die Medien gemacht. Insbesondere seit Schröder habe diese Tendenz stark zugenommen. Die mediale Darstellung der Politik wird wichtiger als der Inhalt selbst. Böntes nüchterne Analyse ist, dass in unserer heutigen Medienlandschaft ein Otto von Bismarck nie Reichskanzler geworden wäre, da er eine Fistelstimme hatte. Neuere mediale Entwicklungen, wie der Podcast von Bundeskanzlerin Angela Merkel oder twitternde Politiker führen laut Bönte nicht zu mehr Demokratie, da diese Formen der Kommunikation es Journalisten unmöglich mache, kritische Fragen zu stellen. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten stehen daher vor der Herausforderung auf diese Entwicklungen mit neuen Formaten zu reagieren um ihrem Informationsauftrag auch in Zukunft gerecht werden zu können.


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