C·A·P Home > Aktuell > Events > 2008 > Strategien gegen Rechtsextremismus in Europa

Strategien gegen Rechtsextremismus in Europa

Expertentreffen und Diskussion erster Ergebnisse -
Tagung in Berlin

Eine Initiative des Centrums für angewandte Politikforschung (C·A·P) und der Bertelsmann Stiftung

25.06.2008 · C·A·P



Der gegenwärtige gesellschaftliche Wandel in Europa begünstigt die Entwicklung rechtsradikaler Orientierungen. Das bestätigen Ergebnisse des Projekts Strategien gegen Rechtsextremismus in Europa, die am 20. Mai in Berlin vorgestellt und diskutiert wurden.


Die Teilnehmer der Tagung (Großansicht)

Der Schaden, den diese Entwicklung anrichten kann ist beträchtlich: Der demokratische Konsens wird geschwächt, interkulturelle Beziehungen beschädigt und die Sicherheit auf der Straße wird durch zunehmende Gewalt beeinträchtigt.

Am 20. Mai traf sich die internationale Expertengruppe aus Rechtsextremismusforschern, Mitgliedern europäischer Institutionen und zivilgesellschaftlichen Akteuren zum zweiten Mal. Ziel war es, bestehende Gegen-Strategien der einzelnen Länder vorzustellen und aktuelle Ansatzpunkte für die Strategieentwicklung zu identifizieren. Zudem wurden Ergebnisse der 10 Ländergutachten, die auf der Grundlage eines Leitfadens verfasst wurden, vorgestellt. Die im Projekt betrachteten Strategien beziehen sich auf die Bereiche 'Gesetzgebung und Umsetzung des Rechts', 'Politik' und 'Zivilgesellschaft'.

Einleitend stellte Ulrich Kober, Leiter des Kompetenzzentrums Demokratie und Integration bei der Bertelsmann Stiftung, die Grundpfeiler des Projekts vor und begrüßte den Abschluß der Ländergutachten, die eine differenzierte Diskussion über Strategien ermöglichen.

Aus wissenschaftlicher Perspektive erörterte Prof. Dr. Michael Minkenberg (European University Viadrina, Frankfurt a.O. /New York University) den Begriff des Rechtsradikalismus und die Herausforderungen eines europäischen Vergleichs. Er präsentierte vergleichbare Daten zu Einstellungen gegenüber Minderheiten / Fremdenfeidlichkeit, zu Wahlsystemen und zur Religionszusammensetzung in den verschiedenen Ländern und stellte Zusammenhänge zur Ausprägung des Rechtsradikalismus her.

Auf der Grundlage der Ländergutachten und einer mit den Gutachtern gemeinsam erarbeiteten Matrix präsentierte Britta Schellenberg, verantwortlich für das Projekt am C·A·P, länderübergreifende Trends des Rechtsradikalismus (Ausbreitung rechtspopulistischer Ideologien und Verbreitung einer rechtsextremen Subkultur/Bewegung). Der Vortrag war Ausgangspunkt für das erste Panel 'Legal Order and law enforcement – fit to combat todays right-wing radicalism?', in dem Impulsreferate von Dr. Juliane Wetzel (Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin/ zu Italien), Dr. Hélene Lööw (Universität Uppsala/ zu Schweden), Dr. Damir Skenderovic (University of Fribourg / zu der Schweiz) und Britta Schellenberg (C·A·P / zu Deutschland) gehalten wurden. Die Referenten stellten unterschiedliche Strategien der Repression vor -  die jedoch eher als 'letztes' und nicht immer als Ziel führendes Mittel zu verstehen seien: Sie hätten nicht den Rechtsradikalismus beseitigt, sondern zu einer Veränderung der Struktur und der Rhetorik der radikalen Rechten beigetragen. In den Mittelpunkt der Diskussion rückten daher pro-aktive und präventive Strategien (u.a. lokale Kooperationsprojekte der schwedischen Polizei, die deutsche Initiative "Schafe im Wolfspelz" der Kriminalpolizei und der Innenminister der Länder). Problematisiert wurde, dass der aktuelle Kampf gegen islamistischen Terrorismus bewährte Strategien, insbesondere auch gute Praxis aus dem Bereich der Rassismusbekämpfung, überschatte.

Im zweiten, von Orkan Kösemen (Mitarbeiter des Kompetenzzentrum Integration und Demokratie der Bertelsmann Stiftung) moderierten, Panel wurden mögliche Beiträge der Politik zur Verhinderung und Bekämpfung des Rechtsradikalismus erörtert. Die zentrale Fragestellung war: 'Political actors – How to deal with right-wing populist parties and the danger of the mainstream politics becoming more radical?'

Dr. Jaap van Donselaar (Universität Leiden / Anne Frank Haus, Amsterdam), Susi Meret (Universität Aalborg) und Prof. Dr. Anton Pelinka (Zentraleuropäische Universität Budapest) stellten Entwicklung und Etablierung rechtspopulistischer und xenophober Parteien in den Niederlanden, Dänemark und Österreich dar. Diskutiert wurde u.a. die Wirksamkeit eines cordon sanitaire und Gründe für dessen Auflösung. Auch hier resümierten die Referenten, dass Strategien der Repression rechtspopulistische und xenophobe Akteure kaum harmloser gemacht hätten, die Repression allerdings zur Veränderung rechtsradikaler Rethorik/Codes beigetragen hat – das führe zu einer zunehmenden Undurchsichtigkeit der Ziele von Rechtsradikalen für Außenstehende und damit auch zu einer steigenden sozialen Akzeptanz dieser Parteien. Somit sind eher Strategien Erfolg versprechend, die über rechtsradikale Organisationen und Ideologien informieren und mögliche Schwächen (wie Korruption, interne Streitigkeiten, Nähe zur militanten Rechtsextremen) aufdecken. Notwendig für einen erfolgreichen Umgang mit rechtsradikalen Akteuren sei die Sammlung und Koordination von Gegenkräften – dazu gehörten überparteiliche Anstrengungen, ebenso wie reflektierter Journalismus.

Abschließend wurde im dritten Panel die Ebene der Zivilgesellschaft analysiert: 'Civic society – Which counter meassures help to fight the radical right? Do initiatives of the media help?'

Impulsreferate hielten Dr. Jean-Yves Camus (Institut für Internationale Beziehungen und Strategien, IRIS, Paris / zu Frankreich), Prof. Dr. József Bayer (Ungarische Akademie der Wissenschaften, Budapest / zu Ungarn) und Dr. Jaap van Donselaar (Universität Leiden / Anne Frank Haus, Amsterdam / zu den Niederlanden). Es wurde deutlich, wie notwendig zivilgesellschaftliches Engagement für die Auseinandersetzung mit Rechtsradikalismus ist und wie wichtig verlässliche Organisationsstrukturen und Networking in diesem Bereich sind. In den untersuchten Ländern lässt sich ein vielfältiges Repertoire zivilgesellschaftlichen Engagements ausmachen. Einige Beispiele belegen, dass journalistisches Engagement zu einer Stärkung der Zivilgesellschaft beitragen kann (Ankündigung von Protest, Darstellung von Gegenmaßnahmen). Als problematisch bezeichnet wurde der ständige Kompetenzverlust innerhalb zivilgesellschaftlicher Organisationen: 'Gereiftes' Engagement scheitert häufig an kurzfristig gedachten staatlichen Finanzierungsmodellen oder an der Natur rein reaktiven Verhaltens. Als problematisch zu beurteilen ist die sich in einigen Ländern vollziehende Spaltung zwischen Initiativen gegen Antisemitismus und Initiativen gegen Islamophobie. (z.B. in der Anti-Rassismus-Arbeit in Frankreich). Als besonders grundlegend für Strategien gegen Rechtsextremismus erweist sich die lokale Ebene. Hier gibt es zum Teil starke Probleme (u.a. Überforderung der Kommune / des Bürgermeisters durch Rechtsextreme vor Ort oder Straßenkämpfe zwischen Rechtsextremen und Linken). Es existieren aber auch bereits einige gute Gegenmaßnahmen, etwa Runde Tische und das Training lokaler Akteure (u.a. Erkennen von rechtsradikalen Codes).

Die Ländergutachten des Projekts werden im Dezember 2008 in einer Publikation des Verlags der Bertelsmann Stiftung erscheinen.


News zum Thema


Handlungskonzept der Evang.-Luth. Kirche Bayern zu Rechtsextremismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
Präsentation am 7. Februar in der Evangelischen Akademie Tutzing
04.02.2017 · C·A·P

Politische Bildung und Polizei
Berufung von Dr. Schellenberg in den Beirat der Koordinierungsstelle bei der Deutschen Hochschule der Polizei
24.10.2016 · C·A·P

Deutschland verroht
Links wie rechts steigt das Potenzial politisch motivierter Gewalt - Statements von Prof. Dr. Werner Weidenfeld
18.06.2016 · Die Tagespost

Deutschlands Umgang mit dem Dritten Reich, Rechtsextremismus und Rechtspopulismus
Diskussionsveranstaltung im C·A·P
14.06.2016 · C·A·P