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Trends der Wahlkampf-Berichterstattung

Gastvortrag von Prof. Hans-Dieter Kronzucker

31.01.2005 · Forschungsgruppe Deutschland



"Die Welt blickt nach Amerika" ist häufig zu lesen und zu hören, wenn wichtige weltpolitische Entscheidungen anstehen. Mit besonderer Spannung wurde zuletzt der Präsidentschaftswahlkampf im Herbst 2004 zwischen George W. Bush und dessen demokratischen Herausforderer John F. Kerry verfolgt. Wem auch immer die Mehrheit der US-amerikanischen Wahlberechtigten letztlich ihre Stimme geben sollte – es wurden hiervon entscheidende Weichenstellungen für das deutsch-amerikanische Verhältnis erwartet. Kaum ein anderes Thema dominierte daher im vergangenen Oktober die Auslandsberichterstattung der Medien so stark wie dieses Ereignis. Aus politikwissenschaftlicher Perspektive ist jedoch nicht nur die Wahl als solche, die Bush am 2. November 2004 mit 51 Prozent der Wählerstimmen für sich entscheiden konnte, interessant. Relevant ist auch die Frage nach den Merkmalen und Effekten der Wahlkampfberichterstattung. Mit Hans Dieter Kronzucker, der nach langjähriger Tätigkeit als USA-Korrespondent für das ZDF und SAT 1 seit 2001 Professor für Fernsehjournalismus und Dokumentation an der Hochschule für Fernsehen und Film in München ist, hatte Dr. Manuela Glaab im Januar 2005 einen absoluten Experten in Sachen Wahlkampfberichterstattung in einer von ihr geleiteten Veranstaltung mit Studierenden der LMU München zu Gast.

Wie Kronzucker, der vielfältige Einblick in seine Erfahrungen mit US-Präsidentschaftswahlkämpfen bot, hervorhob, ist die Wahlberichterstattung in den deutschen Medien stets gekoppelt an generelle Entwicklungen in den Beziehungen zu den USA. George W. Bush gelte wegen seines oftmals wenig kooperativen Auftretens auf internationaler Polit-Bühne als "Hauptschuldiger" der Abkühlung des Verhältnisses zwischen den USA und Deutschland beziehungsweise dem "alten Europa". Der US-Präsident habe in den Medien somit tendenziell eine kritischere Behandlung erfahren als der Gegenkandidat John F. Kerry.

Kronzucker beleuchtete darüber hinaus auch die Tendenzen in der US-amerikanischen Wahlkampfberichterstattung. Der Amerika-Experte hob in diesem Zusammenhang hervor, dass die Politik George W. Bushs nicht nur hinsichtlich des transatlantischen Verhältnisses wie ein "Spaltpilz" gewirkt habe, sondern auch innerhalb der amerikanischen Gesellschaft. Während des Wahlkampfes sei dies unter anderem in der Verhärtung der Parteigrenzen deutlich geworden, was sich in der im Vergleich zu vorhergehenden Wahlen geringen Zahl an bis zum Wahltag Unentschiedenen niedergeschlagen habe. Ähnliches war Kronzucker im Hinblick auf die amerikanische Presselandschaft aufgefallen: Zahlreiche Verlage hatten sich eindeutig auf die Seite eines der beiden Kandidaten gestellt und diesen mit ihrer Berichterstattung gezielt unterstützt. Diese als "Endorsement" bezeichnete Parteinahme der Presse hatte ihrerseits wiederum Rückwirkungen auf die zuvor angesprochene Stimmung zwischen den Parteien und in der Gesellschaft.

Zwei weitere Trends machte Kronzucker aus: zum einen die "exorbitanten Kosten" des Wahlkampfes und zum anderen die Konzentration auf einige wenige "swing states". Zugespitzt heißt das, dass 2004 mehr Geld für weniger Wähler ausgegeben wurde. Während diese wahlentscheidenden Staaten im Mittelpunkt des journalistischen Interesses standen, spielten die vermeintlich sicheren Hochburgen der beiden Präsidentschaftsbewerber nicht einmal eine untergeordnete Rolle in der Berichterstattung. Vor allem auf das taktische Geschick des republikanischen Wahlkampfmanagers Karl Rove führt Kronzucker es zurück, dass die Medien nicht die für George W. Bush eher negativen Themen Irak-Krieg und Schuldenwirtschaft aufgriffen. Stattdessen waren in vielen swing states letztlich die Themen Religion und Moral ausschlaggebend für die Entscheidung zwischen Kerry und Bush, was aufgrund der aktuell konservativen Grundstimmung in den USA besonders Letzteren zu Gute kam. Nach Ansicht Kronzuckers ist es den republikanischen Wahlkämpfern jedoch gelungen, weit über diese Beeinflussung der Themenwahl in den Medien hinausgehend sämtliche konservativen Kräfte in den USA zu bündeln. Diese Strategie ziele darauf ab, die Republikaner auf Dauer als Mehrheitspartei in den Vereinigten Staaten zu etablieren. Ob dies tatsächlich möglich sein wird, werden erst die nächsten Wahlen zeigen. Für die Berichterstattung in den deutschen Medien wünscht sich Hans Dieter Kronzucker dann aber "weniger Meinung und mehr Fakten" als 2004.


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