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Nachhaltige Beschäftigungspolitik

Working Paper by Richard Resch on sustainable employment policy (only in german language)

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01.06.2001 · Research Group on the Global Future



Einleitung: Die Bedeutung der Arbeit

Das Bündnis für Arbeit macht es deutlich: Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist ein Projekt, welches den Kern unseres gesellschaftlichen Selbstverständnis betrifft. Aus rein ökonomischer Perspektive ist Konsum der alleinige Zweck von Arbeit und Produktion. Diese ist abhängig von Arbeitseinsatz, Kapitalstock und verfügbarer Produktionstechnologie. Daraus folgt die beste aller Welten: Die Verbesserung der Produktionstechnologie führt zukünftig zu mehr Konsum ohne eine Ausweitung der Arbeitsanstrengungen oder Kapitalakkumulation durch Sparen.

Konsum ist in einer freien Marktwirtschaft aber nicht nur ein Produktions- sondern auch ein Verteilungsproblem. Der freie Markt beantwortet keine ethischen, politischen und sozialen Verteilungsfragen, er regelt nur die ökonomische Verteilung. Wie aber wird das Volkseinkommen in einer Welt ohne Arbeit verteilt? Das vorherrschende Paradigma der industriellen Produktionsgesellschaft hat seinen Zenith bereits überschritten. Was wird passieren, wenn es gänzlich obsolet geworden ist?

Die Grundannahme unserer Gesellschaft, daß die Einkommensverteilung mit einer Beschäftigung in der gängigen Wirtschaft gekoppelt ist, müßte neu überdacht werden. Seit der zweiten industriellen Revolution ist Arbeit nicht mehr nur ökonomische Teilhabe, sondern auch gesellschaftliche Partizipation. Sie hat sich zu einer Quelle gesellschaftlicher Werte und zu einem Angelpunkt für Identitätsbildung, Anerkennung und Kommunikation entwickelt.

In einer zunehmend enttranszendentalisierten Welt stellt sich die Sinnfrage umso vehementer, sowohl für einzelne Individuen, worauf sie ihr Leben ausrichten sollen, als auch für ganze Gesellschaften, woran sie ihren Wertekanon, den Klebstoff ihres Zusammenhalts, festmachen sollen. In der Moderne hat sich eine vielleicht nicht ganz unproblematische Rückbezüglichkeit von Arbeit und Lebenssinn herausgebildet: Eine gesellschaftliche Leistungsethik mit Arbeit als Fluchtpunkt gesellschaftlicher Wertvorstellungen und Zentrum sowohl individueller als auch gesellschaftlicher Lebensökonomie.

Was wird passieren, wenn diese Verknüpfung von Arbeit und Sinn wieder aufgelöst wird? Erste Trends eines Wertewandels von der Leistungsethik zur Erlebnisethik sind bereits erkennbar: Der Erlebnismarkt brummt. Gleichzeitig aber wachsen die Klagen über Orientierungslosigkeit und Sinnverlust. Retranzendentalisierungsesoterik, alternative Religionen und Sekten haben Hochkonjunktur (siehe auch Zukunftsgesellschaft: Ordnungsprinzipien für das 21. Jahrhundert, Impulspapier der Forschungsgruppe Zukunftsfragen zum Aventis Triangle Forum 1999).

Die moderne Arbeit hat einige Eigenschaften, die besser geeignet sind persönlichen Lebenssinn zu generieren als Konsum: Sie ist ein Ort konkreter Zielorientiertheit, sozialer Anerkennung und gemeinschaftlicher Aktivität. Im Team wird gemeinsam auf ein klar definiertes Alltagsziel hingearbeit. Die Akkumulation und Umsetzung von Können und Fertigkeiten schafft Erfolgserlebnisse und Identifikation. Die Verantwortung für bestimmte Aufgaben stiftet gemeinsamen Sinn, der sich über das Arbeitsleben erstreckt.

Aus diesen Überlegungen wird deutlich, daß Arbeitslosigkeit weit mehr ist als eine Frage der Verschwendung von Ressourcen oder Versorgung der Betroffenen . Arbeitslosigkeit als Massenphänomen erhöht die „Zerbrechlichkeit" der Gesellschaft. Der Erfolg oder Mißerfolg einer jeden Bundesregierung wird jenseits aller Tagespolitik wesentlich daran gemessen werden, inwieweit diese Erfolge in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorzuweisen hat.

Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich das vorliegende Arbeitspapier mit folgenden Fragen: Erstens, was sind die Ursachen steigender Arbeitslosigkeit und worauf muß sich eine nachhaltig erfolgreiche Beschäftigungspolitik konzentrieren? Zweitens, warum ist gerade in Europa die Langzeitarbeitslosigkeit so hoch und was machen die USA in dieser Hinsicht besser? Drittens, wie erfolgversprechend sind oft in die Diskussion geworfene Patentlösungen wie die Deregulierung des Arbeitsmarktes oder eine Unternehmenssteuerreform tatsächlich? Und letztens, welche Empfehlungen für die Politik lassen sich folgern?


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