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Jeremy Rifkin: Die dritte industrielle Revolution

Rezension von Jürgen Turek

Jeremy Rifkin: Die dritte industrielle Revolution. Die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter. Campus Verlag 2011, 304 Seiten, 24,99 €, ISBN 978-3-593-39452-7.

Diese Rezension ist im Februar 2012 erstmals auf dem Portal Regierungsforschung.de erschienen.

07.02.2012 · Regierungsforschung.de



‚Go East’, mit diesem Motto blickt da jemand wohlwollend auf Europa. Jemand der angesichts des Endes der Ära fossiler Energieträger, des sich vollziehenden Klimawandels, der globalen Informationsgesellschaft, des Endes der stupenden industriellen Massenarbeit und der Möglichkeiten der flexiblen Produktion, geeignete Konzepte für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung der Industriegesellschaft erkundet. Und dieser Jemand ist kein Europäer, sondern ein Amerikaner, der von den USA aus mit Blick nach Osten entschieden eine Vorreiterrolle Europas in diesem Kontext konstatiert. Es ist wahrlich kein Unbekannter, sondern einer der profiliertesten Zukunftsforscher der Vereinigten Staaten überhaupt: Jeremy Rifkin, der seit Jahrzehnten als gesellschaftlicher Vordenker kontinuierlich zentrale Felder zukünftiger Entwicklungen beackert. Er tut dies mit Blick auf Fragen des Informationszeitalters, der Arbeitsgesellschaft, der Industriekultur oder der Biotechnologie [1] und er macht das auch in seinem neusten Werk, wenngleich der Titel des Buchs irreführend und unnötig verengend zunächst auf eine weitere Befassung mit dem energetischen Karma der fossil und atomar geprägten Industriegesellschaft verweist. Vielmehr, er widmet sich in breiterer Weise den ökonomischen und sozio-kulturellen Veränderungen in Gegenwart und Zukunft, und hält sich dabei nicht mit Kleinkram auf. Er sucht hier nicht nur nach einzelnen Ideen oder Programmen, guten Gesetzen, formidablen Männern und Frauen, effektiven Kooperationen oder technokratischen Details. Rifkin will ein neues Narrativ etablieren, eine mitreißende ‚Erzählung’, mit Wortgewalt und Bildern, die zeigen, da kommt mit Wucht eine neue industrielle Revolution heran, die es nun zu gestalten gilt. Industriegesellschaft 2.0 ist man mit Blick auf die Terminologie des Informationszeitalters geneigt zu fabulieren. Und mit Rifkin auf diese Suche zu gehen, ist spannend, und die Erkundung fängt tatsächlich mit Europa an.

Leitstern Europa

Um Himmels willen, ausgerechnet Europa, von vielen als Industriemuseum und Altersheim klassifiziert, schrumpfend und alternd, bald gar in der Pflegeklasse 3 kategorisiert? Doch, in der Tat, da bricht er dezidiert eine Lanze für den alten Kontinent, den er nach eigenem Bekunden öfter und lieber besucht, als den Rest der Welt. Er erinnert daran, dass Europa den größten Wirtschaftsraum repräsentiert, und nicht die USA, nicht Japan und auch nicht China. Gewiss, die USA und, erweitert betrachtet, die BRICS-Staaten haben ein gewaltiges Entwicklungspotenzial: wachsende Bevölkerung, eine agile Wirtschaftstätigkeit mit guten Wachstumsraten, endlich Mittelstand, angesichts Alterung auch eine wachsende Jugend, Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit, Bodenschätze, mentaler Antrieb und eine robuste Alltagspsychologie, Hunger nach Luxus und Wohlstand, Information und das Gieren nach intellektueller Bedeutung und Anerkennung.

Doch für Rifkin sind dies nicht die ausschlaggebenden Gründe. Überaus feinsinnig stellt er die Frage nach politischer Kondition und Reichweite. Er schreibt: „Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) seiner 27 Mitgliedsländer [der EU; Anm. des Verfassers] übersteigt das unserer 50 Bundestaaten [gemeint sind die Bundesstaaten der USA, Anm. des Verfassers]. Und mag die EU auch keine militärische Supermacht sein, als Wirtschaftsmacht ist ihre Bedeutung auf der internationalen Bühne enorm. Und was noch wichtiger ist: Die EU-Kommission stellt sich praktisch als einige „Regierung“ weltweit die großen Fragen über eine künftige Lebensfähigkeit unserer Spezies auf der Welt.“ (S.11 f.). Mag diese Superlative einer europäischen Exekutive mit echtem ‚Biss’ von innen betrachtet auch übertrieben sein: der Grad der politischen Integration in der EU und die Potenziale der weiteren Entwicklung sind für ihn – wie für viele andere Nicht-Europäer im übrigen auch - von außen besehen irgendwie kolossal. [2] Er rekurriert damit mit der ihm eigenen Empathie auf das langfristige Regulierungspotenzial einer politisch legitimierten Kontinentalmacht.

So orientiert er sich daran, woran und wie sich Engländer, Franzosen, Deutsche, Italiener, Skandinavier oder Ostmitteleuropäer da zusammen im europäischen Verbund versuchen. Er tut dies mit einiger Kritik an seinen Landsleuten und an der herrschenden Obama-Administration, die er leicht säuerlich im Buch als schwächelnde Schönwetterregierung klassifiziert (S.44). Die amerikanische Gesellschaft im Ganzen bleibt für ihn angesichts der globalen Herausforderungen wie paralysiert verfangen im unverständlichen Tun eines marodierenden Konsums.

Dabei ist doch wahrlich Immenses im Gange. Die dritte industrielle Revolution ist für Rifkin die „letzte“ (S.13) große Umwälzung. Wirklich, die letzte, kann es denn überhaupt so dramatisch werden? Auch Francis Fukuyama hat vor 20 Jahren schon einmal das „Ende der Geschichte“ beschworen; [3] damals sah er triumphierend den Siegeszug einer an westlichen und liberal-ökonomischen Werten orientierten Ordnung voraus. Doch dann flackerten die ersten Brände der Globalisierung auf, die These krachte tosend zusammen. Die ewige Unruhe gesellschaftlicher Verteilungskonflikte war mit dem Zusammenbruch des Ost-West-Konflikts eben nicht so einfach auf einmal vorbei. Verhält es sich bei der dritten Industriellen Revolution ähnlich? Ich denke nein: Es ist eine Zeitenwende. Eine gewichtige zumal. Für Rifkin bringt diese Entwicklung nicht etwas ungeheuer Anderes, aber zumindest den Anstoß zu einem neuen sozialen Miteinander, das nicht unbedingt der Umsturz der Verhältnisse ist, was normaler Weise der konstituierende Teil einer Revolution sein mag. Aber er meint in diesem Buch eine neue gesellschaftliche Konstruktion und den nicht unerheblichen Weg der Transformation dorthin.

Das heißt: es werden in den ungefähr 40 für diesen Ausbau der neuen Verhältnisse veranschlagten Jahre Hundertausende neuer Geschäfte und Hunderte von Millionen neuer Arbeitsplätze entstehen. Ihre Fertigstellung setzt den Schlusspunkt unter eine 200-jährige, von Fleiß, Märkten und Arbeitermassen geprägte Wirtschaftsgeschichte und markiert den Anfang einer neuen Ära der Zusammenarbeit, sozialer Netzwerke und kleiner, spezialisierter und hoch technisierter Firmen. Im kommenden halben Jahrhundert verlieren die konventionellen, zentralisierten Geschäftsbetriebe der ersten und zweiten industriellen Revolution gegenüber den dezentralisierten Geschäftsmodellen der Dritten zunehmend an Bedeutung; und die traditionelle hierarchische Organisation wirtschaftlicher und politischer Macht weicht einer in - über die gesamte Gesellschaft verteilten – Knotenpunkten organisierten lateralen Macht.

Transzendentale Belange und humane Reife

Das ist für Rifkin wichtig. Sein Denken hat zwei Antriebsmotoren: erstens das Erkennen von den wesentlichen sozio-ökonomischen Entwicklungstrends, wobei ihn insbesondere die Kombination von technologischen Innovationen und individuellen wie sozialen Reaktionsmöglichkeiten darauf fesselt. Kern ist für ihn dabei die Energie- und Informationsversorgung der Menschen, praktisch also das Blutkreislauf- und Nervensystem der Industriegesellschaft, das eine Gesellschaft neben den entsprechenden Nahrungsmittelressourcen und Infrastrukturen für Behausung und Mobilität grundlegend erhält. Zweitens spürt er Machtfragen und Organisationsmöglichkeiten auf, die das neue Narrativ der Gesellschaft füttern. In dieser (und in früheren Publikationen) [4] blickt er auf das gesellschaftliche Entwicklungspotenzial, welches insbesondere durch hochtechnologische Innovationen stimuliert wird. Da spielen drei Begriffe eine zentrale Rolle: Vernetzung, Empathie und Dezentralisierung. Das Konzert dieser drei Kräfte sorgt für die dritte industrielle Revolution und für eine Infrastruktur eines neuartigen Zeitalters der Zusammenarbeit. Macht funktioniert nicht mehr vertikal, sondern lateral. Produktion und Konsum verändern sich. Technisierung, Standardisierung in Produktion und Distribution sowie Automatisierung öffnen den Weg aus der Knechtschaft der industriellen Existenz. Der ‚alienhafte’ Taylorismus des 19. und 20. Jahrhunderts und die hybriden Organisationsformen postindustrieller Arbeit danach sind passé. Rifkin ist da intellektuell bei Ulrich Beck in Deutschland oder Juan Luis Cebrián in Spanien, die sich schon früher mit der Enthierachisierung der Industriegesellschaft auseinandersetzten. In einem Bericht an den Club of Rome wies der Spanier bereits vor über zehn Jahren auf den zentralen Eingriff hin, den Globalisierung und Information seiner Ansicht nach verursachten. Sie tangierten demnach zwei Basismechanismen, die ein Funktionieren des bisherigen Systems überhaupt erst ermöglichten: Markt und Hierarchie. Beides würde sich in Zukunft ändern, so sein Votum. Nicht nur, dass die in der Industriegesellschaft etablierten Unter- und Überordnungsstrukturen zunehmend erodieren; auch der gesamte Markt von Angebot und Nachfrage und schließlich das Lebensarbeitsverhältnis geraten aus den Fugen. [5]

Das bestätigt Rifkin aus heutiger Sicht. Da dreht sich ein Megatrend zu einem gewaltigen Stahlseil zusammen, an dem in Zukunft vieles hängen wird. Auf dem Weg zur Jahrhundertmitte des 21. Jahrhunderts wird der Handel von intelligenten Maschinen kontrolliert, was Menschen freisetzt, um soziales Kapital in der gemeinnützigen Zivilgesellschaft zu schaffen, die sich zum dominanten Sektor entwickeln wird. Der Handel werde seine fundamentale Bedeutung für das Überleben des Menschen behalten, aber er werde menschliches Trachten nicht mehr allein definieren. Rifkin ist zuversichtlich: „Falls es uns im nächsten Jahrhundert gelingen sollte, die physischen Bedürfnisse unserer Spezies zu befriedigen – was alles andere als gesichert ist, werden transzendentale Belange als Triebkraft der nächsten Periode der Menschheitsgeschichte eine immer größere Rolle spielen“ (S. 14). Wichtig sind neben den Möglichkeiten des Internet die Potenziale einer dezentralen Energieversorgung, die das Ende der fossilen und atomaren Energieträger beschleunigt und damit die Macht der Energiezaren aus Russland oder der Oligopole aus dem Mittleren Osten und Zentralasien bricht (S.28). Da schwingt Erleichterung mit und Lust auf ersehnte Emanzipation, erzeugt durch die Kraft der Dezentralität und neuen (relativen) Autonomie. Angesichts der Brutalität des Kampfes um Öl und Gas und der Risiken der Kernenergie ein gutes Bild, das eine Basis dafür ist, was der Autor im Weiteren sagt. Für Rifkin verheißt die dritte industrielle Revolution aber nicht nur eine kohlenstofffreie Ära der Nachhaltigkeit bis zur Jahrhundertmitte und damit die Abwendung der Klimakatastrophe. Vielmehr sieht er eine neue Form der Humanität durch das Ablegen industrieller Fesseln und den Möglichkeiten weitreichender Kollaboration.

Von der zweiten zur dritten industriellen Revolution: die kollaborative folgt auf die postindustrielle Gesellschaft

Was Rifkin hier aufzeichnet ist aber nicht nur das Ende des fossilen Zeitalters, ein Bild, das auch Andere schon abgegeben haben. Wir wissen, dass zum Beispiel in einem Land wie Deutschland eine Energiewende und eine relative Autonomie in Sachen Energieerzeugung durch eine sensible Kombination von Solarenergie und Windkraft, Geothermie, Biogas, Gas, Kernenergie und Kohle sowie einen Ausbau der Leitungsnetze und eine weitere Steigerung der Energieeffizienz tatsächlich möglich, um nicht zu sagen, ‚entspannt’ machbar ist. [6] Aber wie gesagt: Rifkin behandelt hier nicht nur eine Energiewende zum Besseren, sondern verknüpft dies im Grunde mit der Frage nach der zukünftigen Form der Gesellschaft. Er sucht das zusammenhängende Bild, und nicht die einzelnen Pixel von dessen Konstruktion. Die Macher der zweiten industriellen Revolution verstanden intuitiv, dass ein neues Kommunikationsmedium im Verbund mit einer neuen Energieordnung ein vereintes, damit untrennbares ökonomisches Paradigma schuf: alle disparaten Kräfte der Öl-, Auto-, Bau-, Immobilien-, Strom- und Versorgungskonzerne der zweiten industriellen Revolution verstärkten sich. Es waren die Komponenten einer Unternehmung, eben der zweiten industriellen Revolution, die, für sich alleine betrachtet, keine Synergie erbrachten. Zusammen aber erschütterten sie das Konstrukt der industriellen Welt. Die Grundprinzipien des Industrialismus – Marktmechanik der unsichtbaren Hand und Gewinnmaximierung, Homo Oeconomicus, Eigentum, Streben nach Herrschaft und Macht – weichen anderen Prinzipien und die Menschen sehnen sich nach Katharsis durch Kooperation. Die dritte industrielle Revolution ist die letzte Phase der industriellen Saga und zugleich die erste der gerade entstehenden kollaborativen Ära. Sie ist für Rifkin ein Interregnum zwischen zwei Perioden der Wirtschaftsgeschichte – die eine charakterisiert von Betriebsamkeit, die andere vom Geist der Kollaboration. Doch unvermeidlich korrespondiert damit auch die soziale Frage der dritten industriellen Revolution. Das heißt: so wie sich die Lebensweise unserer Vorfahren änderte, als sie vom „Jäger-Sammler-Dasein auf eine zentralisierte, hydraulische Ackerbaukultur umstiegen und, vor nicht so langer Zeit, vom Ackerbau auf eine Industriekultur“ (S.277), so wird sich die Lebensweise der Menschen in der kollaborativen Gesellschaft ändern.

Die soziale Frage der dritten industriellen Revolution Erinnern wir uns: Die erste Industrialisierung hob die ständische Ordnung der durch Zünfte und Manufakturen geprägten Gesellschaften auf. Diese Ordnung hatte den Menschen einen gewissen Schutz geboten. Mit der Industrialisierung und Verstädterung wurde Existenzunsicherheit zum Lebensschicksal des Proletariats. Die Abwanderung vom Land in die Stadt, vom agrarischen Osten in die Ballungsräume des Westens und das Anwachsen von Landgemeinden zu Städten ließ ein Wohnungselend entstehen, das bis Ende des 19. Jahrhunderts kaum an Härte verlor. Hinzu kam ein moralischer Verfall: Trunksucht, Promiskuität, Neid, Erbitterung. In der Industriegesellschaft fand schließlich eine Polarisierung in die Klassen der Eigentümer und Nichteigentümer von Produktionsmitteln statt und die Aufspaltung wurde bald zum „Klassenkampf“. Stimmt die These von der dritten industriellen Revolution so stellt sich, ähnlich wie im 19. und 20. Jahrhundert, die Frage nach ihrer gesellschaftlichen Konsequenz. Wer sind die Gewinner und wer die Verlierer und wird das Verlieren gar zu einem massenhaften Phänomen? Auch wenn im Zuge der zweiten Revolution durch die Entspannung des Verhältnisses von Arbeit und Kapital und sozial geregelte Marktbeziehungen trotz des industriellen Takts im Leben der Menschen eine gewisse Erleichterung zu verzeichnen war, weist Rifkin auf diese elementare Problematik zum Schluss selbst hin. Insbesondere der Wechsel in unserer Auffassung von Arbeit wird damit zum Problem. Denn es wirft die Frage auf, was aus den Millionen von Massenlohnarbeitern des Industriezeitalters werden soll, wenn wir nach dem Aufbau der nötigen Infrastruktur für die dritte Industrielle Revolution in das dezentralisierte, kollaborative Zeitalter übergehen, in dem Gewinnmaximierung von intelligenten Technologien oder Maschinen übernommen wird und materieller Nutzwert gegenüber dem Eigenwert von sozialen Netzwerk verliert. So setzt Rifkin gesellschaftlich insbesondere auf den ‚Dritten Sektor’, der bereits heute bedeutende Anteile am Bruttoinlandsprodukt in vielen Ländern generiert. Er schreibt: „so wie die industrielle Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts Menschen aus Leibeigenschaft, Sklaverei und Vertragsknechtschaft befreit haben, werden die dritte industrielle Revolution und das kollaborative Zeitalter den Menschen von der mechanischen Arbeit befreien [...] Der Dritte Sektor ist der, in dem wir [...] teilhaben an der wichtigsten Reise des Lebens: der Suche nach der Bedeutung unserer Existenz“ (S. 281). Mit Blick auf die Lebensverhältnisse des Industriezeitalters beschwört er eine neue Humanität der postindustriellen Zeit.

Hier ist man emotional schnell in einem anderen Fach, wenn man, durch Vergesslichkeit geplagt, erinnernd die frühere Verstörung in alten Bildern sucht. Denkt man an Filme wie Charly Chaplins „Moderne Zeiten“ (im Jahr 1936), der den Taylorismus und die Massenarbeitslosigkeit der 30er Jahre zu geißeln suchte, oder Fritz Langs „Metropolis“ (in den Jahren 1925/ 26), der bildhaft den Ort einer grauenhaften Ausbeutung in einer zynischen Zweiklassengesellschaft erschuf, versteht man nach fast 100 Jahren die Sehnsucht nach weniger fremdbestimmten Zeiten noch mehr. Und seltsamer Weise bringen diese Reminiszenzen das humane Desaster des Kapitalismus noch immer gut auf den Punkt! Auch wenn Rifkin das Bild der dritten industriellen Revolution dagegen positiv besetzt, so verschweigt er dabei nicht, dass 40 Prozent der Menschheit mit zwei Dollar oder weniger am Tag auskommen muss. Aber wenigsten böte ihnen diese Revolution die Aussicht, im Verlauf des nächsten halben Jahrhunderts den Sprung in die neue Ära des dezentralisierten Kapitalismus zu tun. Diese und andere Perspektiven erfüllen Jeremy Rifkin mit Blick auf das Gewinnen und Verlieren in der neuen Zeit mit "gedämpften Optimismus". Man wünscht sich, dass dieser Optimismus pandemisch werden möge - angesichts einer hohen Skepsis oder gar Miesmacherei in der Zukunftsliteratur. Und eines erscheint gewiss: dieser Optimismus hätte auch Chaplin und Lang ein Lächeln auf die Lippen zaubern können.

Endnoten / Anmerkungen

[1] Vgl. Rifkin, Jeremy, Access (2007). Das Verschwinden des Eigentums. Frankfurt/ M./ New York; Ders. (2005), Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft. Neue Konzepte für das 21. Jahrhundert, Frankfurt/ M./ New York; Ders. (2005), Die H2-Revolution. Mit neuer Energie für eine gerechte Weltwirtschaft. Frankfurt/M.; Ders. (1998), Das biotechnische Zeitalter, München.

[2] Vgl. hierzu im Übrigen bereits Rifkin, Jeremy (2006), Der europäische Traum. Die Vision einer leisen Supermacht, Frankfurt/ M.

[3] Fukuyama, Francis (1992), Das Ende der Geschichte, München.

[4] Vgl. Fußnote 2.

[5] Vgl. Cebrián, Juan Luis, Im Netz – die hypnotisierte Gesellschaft (1990), Stuttgart.

[6] Vgl. 127 Fakten zur Energiewende, in: FOCUS 23/11 vom 6.6.2011.


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