Barack Obama unterwegs durch Europa
Im Gespräch mit Prof. Dr. Werner Weidenfeld
23.05.2011 · dw-world.de
Der US-Präsident ist wieder auf Europareise: Doch während Obamas erste Auftritte in Europa noch von der Euphorie des Neubeginns geprägt waren, macht sich im transatlantischen Verhältnis inzwischen Nüchternheit breit.
Präsident Obamas knapp einwöchiger Aufenthalt in Europa (23.05. - 27.05.2011) ist keine Vergnügungsreise. Das liegt zum einen an dem straffen Zeitplan: Der umfasst neben den Staatsbesuchen in Irland, Großbritannien und Polen auch noch die Teilnahme am G8-Gipfel im französischen Seebad Deauville. Zum anderen liegt es daran, dass der Präsident im ersten Amtsjahr auch auf dieser Seite des Atlantiks viel vom schillernden Glanz seiner Persönlichkeit eingebüßt hat. In vielen Fragen gibt es konkreten Abstimmungsbedarf zwischen den USA und den europäischen Partnern - sei es die Zukunft des Afghanistaneinsatzes, die Nahostpolitik oder die Unterstützung der Demokratiebewegung in der arabischen Welt.
Partnerschaft erfordert Kraft
Die oft zitierte strategische Allianz in allen globalen Fragen, wie sie von Diplomaten hüben und drüben immer wieder gerne beschworen wird, ist dabei bestenfalls ansatzweise zu erkennen, sagt Professor Werner Weidenfeld. Er ist ein langjähriger, intimer Kenner der transatlantischen Beziehungen. "Eine Strategieallianz, eine Strategiepartnerschaft zu allen Fragen der Weltpolitik aufzubauen, das erfordert unendlich viel mehr Kraftaufwand und Engagement, als es Amerikaner und Europäer bisher aufgebracht haben."
Das zeigte sich jüngst in der Libyen-Krise. Als Deutschland sich bei der Libyen-Resolution im UN-Sicherheitsrat enthielt, schlug es einen in den USA mit Befremden aufgenommenen Sonderweg ein. Aber auch beim gemeinsamen Einsatz in Afghanistan werden bis zum heutigen Tag unterschiedliche Herangehensweisen deutlich, die in den andersartigen politischen Kulturen beider Kontinente begründet seien, meint Weidenfeld.
Strategische Allianz mit Akzentunterschieden
"Beide Partner, die Europäer wie die Amerikaner, haben in Bezug auf Afghanistan Defizite. Die Amerikaner haben zu wenig Gespür für die Zivilgesellschaft und die Europäer überlassen den harten Machtapparat lieber den Amerikanern." Daran scheint sich auch unter Obama wenig geändert zu haben. Immerhin hat er mit Blick auf Afghanistan offenbar den ideologischen Ballast seines Amtsvorgängers abgeworfen. Kriegsziel in Afghanistan ist nicht mehr, eine Demokratie aufzubauen, sondern einen Zustand herzustellen, in dem Al Kaida von dort keine Terroranschläge mehr planen kann. Mit dem Aufbau einer Zivilgesellschaft, in der zum Beispiel alle Mädchen die Schule besuchen dürfen, hat Amerika unterdessen nicht mehr viel im Sinn. Inzwischen geht es darum, den Abzug und Friedensgespräche mit den Taliban vorzubereiten, die schon bei der geplanten Afghanistankonferenz in Bonn im Dezember 2011 mit am Tisch sitzen könnten.
Auf beiden Seiten des Atlantiks weiß man, dass die Umwälzungen in der arabischen Welt näher an das Epizentrum des Nahostkonflikts, an Israel heranrücken. Mit seiner jüngsten Nahostrede hat Obama kürzlich vor allem versucht, den Menschen in der arabischen Welt eine Perspektive zu geben. Der eigentliche Nahostkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern hat sich aber auch unter seiner Präsidentschaft weiter verfestigt. Erst vor kurzem ist sein Sonderbeauftragter für den Nahen Osten, George Mitchell, angesichts der verfahrenen Situation von seinem Amt zurückgetreten.
Neuralgischer Nahostkonflikt
"Man muss sagen, dass die Ankündigung Obamas vom Beginn seiner Präsidentschaft, Bewegung in die verhärteten Fronten zwischen Israelis und Palästinensern zu bringen, bisher nicht erfüllt ist", so das vorläufige Fazit von Michael Werz, Politikprofessor an der Georgetown University in Washington. Jetzt steht zumindest sein Appell an beide Seiten im Raum, konkrete Verhandlungen auf der Basis der israelischen Grenzen von 1967 zu beginnen. Auch hier hofft Obama natürlich auf eine konstruktive Unterstützung durch die Europäer.
"Obama weiß, dass bei wichtigen Fragen wie dem Nahostkonflikt, aber auch in anderen globalen Fragen, keine Macht der Welt imstande ist, dies alleine zu regeln", weist Werner Weidenfeld auf einen wichtigen Unterschied dieses US-Präsidenten zu seinem Amtsvorgänger George W. Bush hin: Obama kann zuhören.
So dürften auch die aktuellen Überlegungen Frankreichs, schon in den nächsten Monaten die völkerrechtliche Anerkennung eines unabhängigen Palästinenserstaates in Aussicht zu stellen und damit Israel zu Zugeständnissen zu zwingen, zumindest auf die skeptische Neugier Obamas stoßen.
Einigungsbedarf zwischen den Amerikanern und Europa könnte es auch über das weitere Vorgehen in Libyen und bei der Besetzung des Chefpostens im Internationalen Währungsfond geben. Letzteres könnte man notfalls auf dem G8-Gipfel zur Chefsache erheben. Dabei wird das traditionelle Vorschlagsrechtsrecht der Europäer von der Affäre Strauss-Kahn unberührt bleiben, hofft man zumindest auf dem alten Kontinent.
Deutsch-amerikanisches Verhältnis intakt
Und warum macht Obama um Deutschland bei dieser Europareise einen Bogen? Derzeit stehen offenbar keine dringenden Themen auf der deutsch-amerikanischen Agenda, die nicht entweder in Deauville oder bei Angela Merkels Besuch in den USA besprochen werden könnten - die Bundeskanzlerin reist in wenigen Wochen nach Washington, wo sie am 7. Juni die Freiheitsmedaille verliehen bekommt.
"Obamas Verzicht, auf seinem Krisentrip nach Europa auch noch in Berlin vorbeizuschauen, ist als Zeichen für die guten und stabilen bilateralen Beziehungen zu sehen", meint Axel Heck, Amerikaexperte am Institut für Politikwissenschaft der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Es gehört ganz offenbar der Vergangenheit an, dass eine abweichende Meinung der Deutschen - so wie jetzt im Falle Libyens - automatisch zu einer Eiszeit in den deutsch-amerikanischen Beziehungen führt. "Glauben Sie mir, Deutschland ist einer unserer wichtigsten Partner auf der Welt", so US-Botschafter Philip Murphy gegenüber der Deutschen Welle. In den aktuellen Reiseplan Obamas etwas anderes hineininterpretieren zu wollen, so Murphy weiter, wäre "reine Zeitverschwendung".
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