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Internet macht Wahlmüde munter

Europawahl - Bildungsorganisationen wollen Bürger zur Stimmabgabe am 7. Juni bewegen

Viele Deutschen wussten bis vor Kurzem nicht, dass sie bald ein neues EU-Parlament bestimmen dürfen. Nach Expertenmeinung sind auch die Politiker nur mäßig motiviert.

Von G. Ismar, K. Teschner und Agenturen

Originalartikel

12.05.2009 · Nordwest-Zeitung



BERLIN/BRÜSSEL - Ein Finanzhai würde die FDP wählen – meint die SPD im Europawahlkampf. Heiße Luft gäbe ihre Stimme der Linken und Dumpinglöhne würden nach Meinung der Sozialdemokraten für die Union votieren. Die CDU gibt sich mit dem Slogan „Wir in Europa“ recht staatstragend. Die FDP setzt ganz auf die fotogene Spitzenkandidatin Silvana Koch-Mehrin, während die Grünen es mit „Wums“! (Wirtschaft und Umwelt, menschlich und sozial) für „ein besseres Europa“ versuchen.

Lässt sich so die Wählerschaft für die Europawahl am 7. Juni mobilisieren? Oder droht nach 43 Prozent Wahlbeteiligung 2004 ein neuer Negativrekord? „Das ist ein Verlegenheitswahlkampf, eine Warmlaufveranstaltung für die anderen Wahlkämpfe“, sagt der Politikwissenschaftler Ulrich Sarcinelli von der Universität Koblenz-Landau. „Es gibt keine europäischen Köpfe und keine europäischen Themen, wie soll man da einen Wahlkampf führen?“ Hinzu komme, dass die Parteien für den Europawahlkampf am wenigsten Geld ausgeben. Es sei oft leichter, ein bayerisches Bierzelt mit Schimpfkanonaden auf die Brüsseler Reglementierung von Traktorsitzen zum Kochen zu bringen als Wähler für Europa zu begeistern, konstatiert der Politikwissenschaftler und Europaexperte Werner Weidenfeld.

Nach einer Studie des Eurobarometers wusste vor kurzem noch nicht einmal jeder Zweite in Deutschland, dass dieser Urnengang – die weltweit zweitgrößte demokratische Wahl nach Indien im Juni überhaupt stattfindet. Die Wähler sind jedoch nicht auf sich allein gestellt und bekommen eine Hilfestellung bei ihrer Entscheidung.

Ein erster Test

Der liberale EU-Abgeordnete Alexander Alvaro ist der erste, der den Internet-Wahlhelfer „Votematch Europa“ testet. Soll der Präsident der EU-Kommission direkt gewählt werden? Alvaro klickt auf „einverstanden“. Soll die EU eine gemeinsame Energiepolitik machen? Der FDP-Politiker ist wieder „einverstanden“ – wie auch bei der Frage, ob es eine gemeinsame Datenschutz-Richtlinie geben soll. 25 Kapitel klickt er durch, darunter sind Fragen zur EU-Erweiterung oder zur Legalisierung von Homo-Ehen. Und am Ende gibt ihm der Computer an, welche Partei am besten zu seinen politischen Einstellungen passt – zu seiner Überraschung sind es neben den Liberalen auch die Sozialdemokraten.

Wem soll man bei der Europawahl seine Stimme geben? Die Internet-Seite „Votematch“ ist eine Anlaufstelle für Unentschlossene. Bildungsorganisationen in verschiedenen EU-Ländern haben das Projekt initiiert, um vor allem junge Europäer zu animieren, am 7. Juni ihre Stimme abzugeben.

Das Prinzip ist einfach: Per Mausklick bezieht der Nutzer Stellung zu politischen Thesen aus dem Wahlkampf, sieben Fraktionen des Europa-Parlaments werden einander gegenübergestellt. Das Angebot gibt es in sechs Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Polnisch.


Sehr erfolgreich

In Deutschland haben sich derartige Internet-Helfer im Wahlkampf bereits als sehr erfolgreich erwiesen. Seit 2002 gibt es zum Beispiel den „Wahl-O-Mat“ der Bundeszentrale für politische Bildung, der bei Landtags-, Bundestags- und auch schon bei der Europawahl im Einsatz war. Mehr als 15 Millionen Menschen haben ihn zu Rate gezogen. Wenn auch „Votematch“ zum Erfolg wird, wollen die Macher das Projekt in den nächsten Jahren auf weitere EU-Länder ausweiten.

Auch die FDP versucht auf ihre Weise, die Bürger in die Europawahl einzubinden. Sie richtete in Berlin ein Mitmachzentrum als Anlaufstelle für Freiwillige ein, die im Wahlkampf helfen wollen. Ehrenamtliche Mitarbeiter informieren am Telefon und über das Internet Bürger über die Wahlen zum Europäischen Parlament.

Informationen unter

www.votematch.eu

www.wahlomat.de


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