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Freut Euch nicht zu früh

Interview mit Thomas Bauer zum letzten Deutschland-Besuch von US-Präsident George W. Bush.

11.06.2008 · Bayern2 - Radiowelt



George W. Bush ist am 10. Juni im Rahmen seiner letzten Europareise als US-Präsident im Gästehaus der Bundesregierung in Schloß Meseberg mit Bundeskanzlerin Merkel zusammengetroffen. Von einem offiziellen Besuch in Berlin hatte man abgesehen, zum einen, da die damit verbundenen Sicherheitsmaßnahmen und die Einschränkungen für die Bevölkerung nicht mehr zu rechtfertigen waren, und zum anderen, da der in den USA wie Europa unpopuläre Präsident zum Ende seiner Amtszeit keine politischen Initiativen mehr starten kann. In dieser mit dem unschönen Begriff "lame duck" umschriebenen Position befand er sich auch tags zuvor beim EU-USA Gipfel in Slowenien. In Europa hat man mit der Personalie Bush abgeschlossen. Man wartet auf den neuen Mann an der Spitze der einzig verbliebenen, jedoch politisch, wirtschaftlich und moralisch stark angeschlagenen Supermacht USA. Die Präsidentschaftswahlen im November diesen Jahres und die außenpolitischen Aussagen der beiden Kandidaten John McCain und Barack Obama stehen von nun am im Mittelpunkt des transatlantischen Interesses seitens der Europäer.

Im Gespräch mit der BR-2 Radiowelt äußerte sich Thomas Bauer vom Centrum für angewandte Politikforschung (C·A·P) über Gesprächsthemen in Meseberg und Bushs mögliche Nachfolger im Amt.


Radiowelt: Herr Bauer, um was geht es denn eigentlich noch in Meseberg? Mit welchen konkreten Ergebnissen kann noch gerechnet werden?

Thomas Bauer: Greifbare Ergebnisse sind bei diesem Treffen nicht mehr zu erwarten. Es handelt sich vielmehr um einen eher inoffiziellen Abschiedsbesuch des US-Präsidenten bei der Bundeskanzlerin, mit der er sich politisch wie menschlich viel besser verstanden hat als mit deren Vorgänger Gerhard Schröder. Themen, die hier noch besprochen werden, sind vermutlich der Klimaschutz, aber auch das weitere Vorgehen gegen den Iran sowie mögliche Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat.

Radiowelt: Hat die Außenpolitik von US-Präsident Bush in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass die Europäer insgesamt etwas näher zusammengerückt sind?

Thomas Bauer: Man kann sicherlich sagen, dass das Thema Irak aber auch der Kampf gegen den internationalen Terrorismus dafür gesorgt hat, dass man sich in Europa Gedanken darüber machen musste, wie man eine Alternative zum unilateralen Vorgehen der USA aufbauen kann. Es ist aber nicht so, dass man sich auf europäischer Seite nun die Hände reiben sollte oder behaupten könnte, man hätte immer eine bessere Lösung parat gehabt. Man konnte sich schlichtweg mit der amerikanischen Antwort auf bestimmte Herausforderungen nicht zufrieden geben. Es stand zu befürchten, dass durch das Vorgehen der USA, wie wir es im Fall Irak und Guantanamo Bay gesehen haben, westliche Werte insgesamt und die westliche Vorstellung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in globaler Sicht im Misskredit gebracht werden.

Radiowelt: Nun haben ja die UA das Nachbarland des Irak ins Visier genommen. Vor der Abreise des US-Präsidenten nach Europa hat George W. Bush nochmals eine härte Gangart gegenüber Teheran angekündigt. War es ein Erfolg der Europäer, immer auf eine Fortsetzung der Gespräche mit dem Iran zu pochen?

Thomas Bauer: Es war wichtig von europäischer Seite aus auf eine andere Lösung zur Beilegung des Konflikts zu setzen, als wir es im Fall des Irak gesehen haben. Es war richtig das Thema in die Vereinten Nationen und in den UN-Sicherheitsrat einzubringen. Ein wichtiger Beitrag der Europäer war es auch darauf zu pochen, beim Thema Iran mehr Geduld an den Tag zu legen, einen längeren Atem zur Beilegung des Konflikts mitzubringen, und nicht auf die vermeintlich schnellere, militärische Lösung zu setzen.

Radiowelt: Aber jetzt sieht es doch so aus, als würden die Europäer auf die amerikanische Linien einschwenken, und dass bald mit harten Sanktionen zu rechnen ist.

Thomas Bauer: Sanktionen haben auch die Europäer immer bei diesem Thema befürwortet. Man kann somit nicht davon sprechen, dass wir gegenüber Vorgaben seitens der USA nachgeben würden. Man muss vielmehr die Daumenschraube der Sanktionen weiter andrehen, um den Iran dazu zu bewegen, sich endlich an die Vorgaben des UN-Sicherheitsrats bezüglich des umstrittenen Atomprogramms zu halten. In dieser Hinsicht folgen die Europäer mit einer Zustimmung zu härteren Sanktionen ihren eigenen Interessen und ihrer eigenen Linie beim Vorgehen gegen den Iran.

Radiowelt: Worauf müssen sich die Menschen einstellen sollte der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain im Herbst ins Weiße Haus einziehen.

Thomas Bauer: Das ist noch schwer zu sagen. Es gibt im Bereich der Außenpolitik  bisher kein wirkliches Wahlprogramm der beiden Kandidaten, an dem man sich orientieren könnte. Bei John McCain kann man zumindest damit rechnen, dass er gegenüber dem Iran und beim Nahostkonflikt die gleiche harte Gangart verfolgen wird wie George W. Bush. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass er gegenüber dem Mullah-Regime im Iran sofort auf die militärische Lösung setzen wird. Vielmehr dürfte es ihm verstärkt darum gehen die USA als dominierenden Faktor in der internationalen Politik zu bestätigen, und dafür zu sorgen, dass dieser Anspruch auch im Iran und in der gesamten Region wahrgenommen wird.

Thomas Bauer: Beim Kandidaten der Demokraten wird es sicherlich interessant zu sehen welches Programm er denn nun verfolgen wird. Bisher gibt es von ihm nur wenig Konkretes im Bereich Außenpolitik, dafür umso mehr abstrakte Aussagen, wie etwa die Ankündigung verstärkt auf multilaterale Lösungen zu setzen und mehr Verhandlungsbereitschaft auch gegenüber dem Iran zu signalisieren. Hierin liegt der derzeit einzig wahrnehmbare Unterschied zwischen Barack Obama und John McCain. Wie sich diese Gesprächsbereitschaft und ein stärkerer multilateraler Ansatz in der internationalen Politik umsetzen lässt, ob er wirklich bereit ist den langen und teilweise zähen Weg des Dialogs und der Konsensfindung mit den Europäern zu gehen, das wird sich erst noch zeigen müssen.

Radiowelt: Viele amerikanische Journalisten, die den Präsidenten auf seiner letzten Europareise begleiten, haben gegenüber ihren deutschen Kollegen geäußert: "Freut Euch nicht zu früh auf die Zeit nach George W. Bush!" Wie könnte das gemeint sein?

Thomas Bauer: Wir sehen hier eine Situation, die wir bereits bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen 2004 beobachten konnten. Bush selbst ist dermaßen unpopulär in Europa, dass man einfach darauf hofft, dass ein Anderer zum nächsten US-Präsidenten gewählt wird, ohne darauf zu achten, welche Konsequenzen dieser Wechsel mit sich bringt. Bereits 2004, als John Kerry gegen Bush angetreten war, bestand doch zu befürchten, dass Kerry nach einem möglichen Wahlsieg zum Telefonhörer greift und die Europäer zu einem stärkeren Engagement im Irak und im Nahen Osten auffordern würde, da ja die Person Bush, an der sich viele gerieben haben, nicht mehr im Amt sei. Das gleiche böse Erwachen könnte den Europäern beim nächsten US-Präsidenten blühen, egal ob es nun John McCain oder Barack Obama wird.

Radiowelt: Vielen Dank Herr Bauer, für das Gespräch.


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