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Legitimationsideen deutscher Europapolitik

Münchner Beiträge zur Europäischen Einigung, Band 6

Miriam Karama: Struktur und Wandel der Legitimationsideen deutscher Europapolitik. Band 6 der Münchner Beiträge zur Europäischen Einigung herausgegeben von Werner Weidenfeld, Europa Union Verlag, Bonn 2001, ISBN 3-7713-0599-3

05.12.2001 · Forschungsgruppe Europa



Seit Gründung der Montanunion hat der Prozess der europäischen Integration zu einer zunehmenden Verdichtung und Erweiterung der europäischen politischen Strukturen geführt - ein Vorgang, der steter Legitimierung bedurfte und bedarf. Die Bereitschaft der deutschen Bevölkerung aber, diesen Prozess zustimmend zu begleiten, scheint nach Maastricht deutlich abgenommen zu haben. Deshalb ist es besonders heute wichtig, nach den Argumenten zu fragen, die deutsche Bundeskanzler vorgebracht haben, um den Prozess der Integration zu legitimieren.

"Struktur und Wandel deutscher Europapolitik" lokalisiert diese Legitimationsideen und analysiert sie von der Kanzlerschaft Adenauers bis zu der Schröders. Durch die systematische Vorgehensweise anhand einer eigens entwickelten Legitimationsterminologie können wesentliche Entwicklungstrends aufgezeigt werden. Die Untersuchung leistet einen wichtigen Beitrag zur europäischen Integrationsforschung und bietet in der Diskussion um die gegenwärtige und zukünftige Gestalt der EU einen Ansatz zur Orientierung.


Vorwort des Herausgebers

Die europäische Integration zählt zum Kernbestand der außenpolitischen Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland. Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte mit seiner Politik der konsequenten Westintegration dafür die Weichen gestellt. Auf diesem Wege sollten Frieden und Freiheit, aber auch die volle Souveränität und die nationale Einheit Deutschlands erreicht werden. Das Fortschreiten des europäischen Integrationsprozesses veränderte nicht nur Reichweite und Gestalt der Gemeinschaft, es verlangte auch immer zeitgemäße europapolitische Begründungsangebote. In der Debatte um den Masstrichter Vertrag von 1992 wurde dieser Bedarf besonders offenkundig. Die seither zu beobachtende Europaskepsis deutet auf einen Perspektivenwechsel hin: Deutsche Europapolitik wird zunehmend als ein Feld deutscher Außenpolitik wahrgenommen wird, das sich nicht länger unhinterfragt auf idealistisch gefärbte Leitbilder der Nachkriegszeit stützen kann, sondern nutzenorientiert zu begründen ist. Miriam Karama arbeitet dieses in ihrer Studie heraus und widmet sich somit einer Fragestellung von hoher politischer Relevanz. Die Analyse von Struktur und Wandel der Legitimationsideen der europäischen Integration über den Zeitraum von 50 Jahren zeigt erstmals Trends und Konjunkturzyklen der europapolitischen Begründungsargumente auf.

Im Mittelpunkt der Analyse stehen die genuin europapolitischen Äußerungen der deutschen Bundeskanzler. Diesem Ansatz folgend hat die Verfasserin den Hauptteil der Arbeit nach Kanzlerepochen gegliedert. Die Analyse der Legitimationsideen findet sich jeweils eingebettet in das zeitgeschichtliche politische Umfeld. Nachdem die Autorin die veschiedenen Rechtfertigungsargumente rekonstruiert und erläutert hat, erfolgt deren strukturelle Analyse konsequent anhand der von ihr eingangs entwickelten Legitimationsterminologie. Am Ende der Arbeit gibt die Verfasserin einen Überblick über die wichtigsten Themenkonjunkturen und Akzentverlagerungen in dem behandelten Zeitraum. Hier findet sich auch die am Anfang geäußerte Hypothese vom Wechselspiel zwischen Vision und Affirmation bestätigt. Karama geht bei der abschließenden Betrachtung intensiv auf die als dominierend festgestellten Legitimationsideen - "Friedenssicherung in Europa", "Staatswerdung Europas", "Europäische Kulturgemeinschaft", "Demokratie" und "Wohlfahrt" - und deren Wandel ein. Die abstraktere Betrachtung im Kontext der Legitimationsterminologie ermöglicht es ihr, drei wesentliche Trends festzuhalten:

  • Die materiellen Legitimationsideen gewinnen gegenüber den ideellen zunehmend an Bedeutung.

  • Seit Maastricht beziehen sich die Legitimationsideen zunehmend auf den schon erreichten Integrationsstand und nicht mehr überwiegend auf Zukunftsentwürfe.

  • Mit zunehmender Dichte und Reichweite der Integration gewinnen auch die Legitimationsideen an Vielfalt und Komplexität.

Gründe für den Wandel von Legitimationsideen kann die Autorin mehrere nachweisen. Umwälzende internationale Ereignisse und Krisen sind wesentliche Anlässe für Umbrüche, doch dürfen die unterschiedlichen politischen Persönlichkeiten und der fortschreitende Integrationsprozess selbst keinesfalls unterschätzt werden.
Der Verfasserin ist eine kenntnisreiche und differenzierte Studie gelungen, deren Hauptergebnisse am Ende der Arbeit in Thesenform zusammengefasst sind. Das Literaturverzeichnis stellt sich als breit angelegter Fundus an Quellen und Sekundärliteratur dar.

Dr. Miriam Karama hat Soziologie, Politikwissenschaft und Neue Geschichte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, der Université des Sciences Humaines de Strasbourg und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg studiert. Nach Abschluss des Magister Artium, Hauptfach Soziologie, 1997 in Würzburg begann sie den Promotionsstudiengang Politische Wissenschaft am Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die vorliegende Studie wurde dort im Jahr 2000 als Dissertation eingereicht.

Herausgeber und Autorin möchten sich an dieser Stelle bei den Mitarbeitern des Lehrstuhls und der Forschungsgruppe Europa am Centrum für angewandte Politikwissenschaft sowie bei den Interviewpartnern für die kritischen und konstruktiven Hinweise im Entstehungsprozess der Studie bedanken. Gefördert wurden Forschungsvorhaben und Drucklegung der Studie von der "Heinz-und-Sybille-Laufer-Stiftung", der an dieser Stelle großer Dank gesagt sei.

Prof. Dr. Werner Weidenfeld

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