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Die dreifache Transformation des Irak

Staatsbildung, Demokratisierung, Marktwirtschaft -
die Fehlsteuerungen der Besatzungsbehörden

08.11.2004 · Position von Felix Neugart



Die Aufgabenstellung ist wahrhaft herkulisch: Im Irak wird gegenwärtig jene Transformation in drei Paralleldimensionen angestrebt, deren Notwendigkeit Claus Offe vor über zehn Jahren für Osteuropa diagnostiziert hat. Diese Herausforderung, aufgrund verschiedener Faktoren ungleich schwerer als in den meisten Staaten Osteuropas, ist durch das eklatante Missmanagement der Besatzungsbehörden (CPA) zusätzlich erschwert worden.

Im Bereich der Staatsbildung muss das Gewaltmonopol des Staates, das im letzten Jahrzehnt der Herrschaft Saddam Husseins zunehmend erodiert ist, auf das gesamten Territorium ausgedehnt werden; zudem müssen die kurdischen Autonomiegebiete in einem föderalen Rahmen behutsam re-integriert werden. Die übereilten Entscheidungen der CPA, die irakische Armee aufzulösen sowie Funktionäre der Baathpartei ohne individuelle Prüfung von öffentlichen Ämtern auszuschließen, haben den Staatsapparat – durch drei Kriege und zehn Sanktionsjahre schwer angeschlagen – völlig kollabieren lassen. Die labile Sicherheitssituation – die Ketten von Attacken auf die neuen staatlichen Institutionen und von Entführungen reißen nicht ab – hat sich noch einmal verschlechtert. In einigen urbanen Zentren, insbesondere im Nordwesten des Irak, haben die Truppen der Besatzungskoalition die Kontrolle weitgehend verloren.

Die Demokratisierung des politischen Systems erfordert die Einbeziehung aller relevanten Gruppen in einen breiten Übergangsprozess, an dessen Ende freie Wahlen und die Ausarbeitung einer neuen Verfassung stehen müssen. Die CPA hat jedoch durch häufige Kurswechsel und an der amerikanischen Innenpolitik orientierten Zielvorgaben viel Vertrauen verspielt. Der im August 2003 eingesetzte Provisorische Regierungsrat war nur unzureichend repräsentativ und fiel vor allem durch Untätigkeit und Klientelpolitik auf. Der parallel eingeleitete verfassungsgebende Prozess blieb im Ansatz stecken und wurde auf das Ende des politischen Prozesses verschoben, während die Abhaltung freier Wahlen nach langwierigem Hin und Her auf Januar 2005 terminiert wurde. Die Chance, nach der Übergabe der formalen Souveränität mit einer unabhängigen Regierung aus Fachleuten durch Sacharbeit dringend benötigte Legitimität zu gewinnen und die Grundlagen für einen neutralen öffentlichen Dienst zu legen, wurde jedoch vertan, als der für seine hervorragenden Kontakte zum CIA bekannte Exilpolitiker Ijad 'Allawi zum Premier ernannt wurde.

Der Aufbau einer funktionierenden Marktwirtschaft auf den Resten der ineffizienten Staatswirtschaft muss nicht nur den blühenden mafiosen Klientelkapitalimus der späten Saddam-Jahre bekämpfen, sondern gleichzeitig die einseitige Abhängigkeit vom Ölexport vermindern. Außerdem muss die faktisch komplette Erosion von Infrastruktur und sozialen Sicherungssystemen überwunden werden. Die mit neoliberalen Blaupausen angetretenen Besatzungsbehörden haben zwar mit einer drastischen Öffnung der Märkte und einer halbwegs gelungenen Währungsreform einen Konsumboom ausgelöst, tragfähige Strukturen für ein funktionierendes Wirtschaftssystem sind jedoch nicht geschaffen worden. Die große Mehrheit der Iraker ist auch nach dem Ende der Sanktionen auf öffentliche Lebensmittelzuteilungen angewiesen; die Grundversorgung ist lückenhaft, die Arbeitslosigkeit erreicht Höhen von bis zu fünfzig Prozent. Die Erfolgschancen für die dreifache Transformation des Irak waren ohnehin gering – durch die Fehlsteuerung der Besatzungsbehörden sind sie weiter gemindert worden.


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