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Was kommt nach dem arabischen Frühling?

Wolfgang Kreissl-Dörfler, Mitglied des Europäischen Parlaments, gibt Antworten

15.05.2012 · C·A·P



Für Wolfgang Kreissl-Dörfler, MdEP ist es nach wie vor erstaunlich, wie überrascht mancher Politiker von den Volksaufständen in Nordafrika und den arabischen Staaten war. Zudem haben viele Europäer lange auf „die falschen Pferde“ – Mubarak und Gadaffi – gesetzt. Kreissl-Dörfler, der dem Europäischen Parlament seit 1994 angehört, ist einer der ausgewiesenen Experten für die EU-Außenbeziehungen. Vor seinem Mandat, zunächst für die Grünen und seit 2000 in der SPD-Fraktion, war er bei unterschiedlichen Institutionen in der Entwicklungshilfe und Wahlbeobachtung tätig.


Wolfgang Kreissl-Dörfler, MdEP, und Prof. Dr. Werner Weidenfeld

Der gelernte Landwirt und Sozialpädagoge warnt vor allem vor den drohenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen in den Transformationsstaaten. Besonders bedenklich sei die strukturelle Arbeitslosigkeit, die auch hochqualifizierte Akademiker betrifft. Neben der ohnehin wenig robusten Wirtschaft in der Region ist vor allem die gegenwärtige Unsicherheit ein Hemmnis für den Wiederaufbau. Kreissl-Dörfler gibt aber zu bedenken, dass auch die Staatschuldenkrise einiger EU-Mitgliedstaaten und das Ausbleiben der Touristen aus Europa die Wirtschaft in den Staaten der Arabellion schwächt.

Derzeit hält die EU eine Milliarde Euro für die Entwicklung der Transformationsstaaten im Mittelmeerraum bereit. „Geld allein reicht aber nicht aus“, sagt Kreissl-Dörfler. Europas Beitrag zur Stabilisierung und Transformation sieht er dennoch vorrangig im wirtschaftlichen Bereich. Im Vordergrund stehen für ihn daher Maßnahmen wie Visaerleichterungen, einen gezielten Wissenstransfer und Handelserleichterungen. Auf diese Weise könne die EU umfassend Hilfe für eine positive Entwicklung leisten. Für die Intensivierung des Handels zwischen der EU und den Staaten in der Region seien vor allem landwirtschaftliche Erzeugnisse geeignet. Kreissl-Dörfler ist sich jedoch bewusst, dass die europäische Agrarpolitik hier eher von Abschottung und Subvention der heimischen Erzeuger geprägt ist, als von fairem Handel.

Diese Maßnahmen müssen jedoch durch eine politische Agenda flankiert werden. Kreissl-Dörfler fordert demzufolge auch einen offenen Dialog, mit allen politischen Akteuren. Eine Ausgrenzung der Kräfte des politischen Islam ist für ihn nicht zielführend. Wichtig seien zudem länderspezifische Strategien der EU, anstelle von regionalen Gesamtentwürfen. Gerade kleinere Projekte mit zivilgesellschaftlichen Gruppen vor Ort hätten so durchaus Aussichten auf Erfolg. Trotz aller Offenheit fühlt sich Kreissl-Dörfler auch einer gewissen Konditionalität verpflichtet: „more for more and less for less“ sei die Devise. Hinzu kommt, dass von den EU-Mitgliedstaaten in ihrer Außenpolitik mehr Kohärenz gefordert werden müsse. Kreissl-Dörfler, der unter anderem im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheit des Europäischen Parlaments sitzt, wird auch in Zukunft einer derjenigen Akteure sein, die an einer europäischen Strategie mitwirken.


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