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Globaler Zaungast - Europa und die Krisenherde der Welt

Von Werner Weidenfeld

23.01.2008 · Neue Westfälische



Katastrophale Ereignisse überschlagen sich an vielen Punkten der internationalen Welt. Und Europa ist immer betroffen – oftmals ohne es selbst zu bemerken. Anschaulich begreifbar wird diese Herausforderung durch das aktuellste Beispiel: Innerhalb weniger Tage ist in drei Staaten die politische Stabilität erneut in Frage gestellt.

In Pakistan, das nach wie vor von einem hohen Einfluss des Militärs und schwacher Rechtsstaatlichkeit geprägt ist, spitzte sich die Situation mit dem Mord an Benazir Bhutto dramatisch zu. In Kenia haben Wahlbetrug, Massenunruhen und Massenflucht das Land an den Rand eines Bürgerkrieges getrieben. Auch in Georgien brachten Vorwürfe der Korruption und des Wahlbetrugs das Land an den Rand der Unregierbarkeit.

Die Bedeutung dieser Ereignisse für die EU ist unübersehbar. Alle drei Länder waren relevante Partner beim Aufbau einer stabileren Weltgemeinschaft. Pakistan steht im Brennpunkt beim Kampf gegen den islamischen Terrorismus. Kenia galt als wichtiger Partner für ein demokratisches und stabileres Afrika und Georgien als demokratischer Hoffnungsträger nach der Rosenrevolution.

Die jüngsten Entwicklungen haben deutlich gemacht, dass in allen drei Ländern erhebliche Gefahrenpunkte bestehen, die sich schlagartig auf die internationale Sicherheitslage auswirken können. Kernprobleme stellen dabei handlungsunfähige Regierungen, eine defekte Staatlichkeit, mangelnde Einbeziehung der Bürger und geringer Pluralismus dar. Pakistan, Kenia und Georgien sind allerdings nur drei von etwa hundert Ländern, in denen fragile politische Strukturen, Korruption und Ämtermissbrauch durch Machthaber zu solchen Turbulenzen führen – oder noch führen können. Die Europäische Union ist von den Konsequenzen unmittelbar betroffen: Anhaltende Migration, die Proliferation von Atomwaffen, Terrorismus und Ressourcenknappheit gefährden die eigene Sicherheit. Europa ist zur Risikogemeinschaft geworden.

Angesichts dieser Lage muss die EU eine kompakte Strategie mit Blick auf solche Gefahrenpunkte entwickeln. Eigene vitale Interessen sind direkt betroffen, daher gilt: einmischen statt wegschauen. Die EU hat ihre Kapazitäten als außenpolitischer Akteur noch nicht voll entwickelt. Die bisherigen Strategien sind noch zu vage, vielstimmig oder inkohärent, so dass die EU über eine Rolle als Zaungast in der globalen Arena nicht wirklich hinauskommt.

Erforderlich ist eine dezidierte außen- und sicherheitspolitische Debatte, die die Sicherheitsrisiken angemessen bewertet und die europäischen Interessen formuliert. Nur so lassen sich die konzeptionellen Defizite der zahlreichen "Strategien" – Sicherheitsstrategie, Afrikastrategie, Nachbarschaftspolitik – beheben und deren positive Ansätze weiterentwickeln. Europa ist auf weltweite Partner angewiesen – vor allem in den gefährdeten Regionen. Diese Partner müssen kalkulierbar sein. Zielvorgaben sind daher die Unterstützung beim Aufbau von Sicherheit in den betreffenden Staaten, der Dialog mit vertrauenswürdigen Akteuren vor Ort, die Stärkung der politischen Handlungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Rechtsstaatlichkeit. Europa muss sich konstruktiv einmischen.


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