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Demokratie-Kompetenz in Zeiten der „Wut“ und One-Click Mehrheiten

XENOS Fachtagung der Akademie Führung & Kompetenz in Weimar

08.12.2011 · Akademie Führung & Kompetenz



„Bürgerproteste zwischen Bäumen und Schienen, Sitzblockaden gegen Castoren, eine facebook Gemeinschaft, die sich Joachim Gauck als Bundespräsidenten wünscht, eine klickende Fangemeinde für einen zurückgegebenen Doktortitel. Plötzliche Mehrheiten per Mausklick - ein neues Medium stellt demokratische Prinzipien auf den Prüfstand. Welche Chancen ergeben sich daraus für die Demokratie?“


Mit diesen Worten luden die Akademie Führung & Kompetenz am C·A·P und die Europäische Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar (EJBW) die Trainerinnen und Trainer der C·A·P Praxisprogramme sowie weitere Akteure der politischen Bildungsarbeit vom 24.–26. November 2011 nach Weimar ein. Ermöglicht wurde die Tagung durch die Förderung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Rahmen des Programms XENOS „Vielfalt und Integration“ aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds und mit Unterstützung der Stiftung Demokratie der Universität Köln.


Nach der Begrüßung und Einführung durch Susanne Ulrich, Leiterin der Akademie und Ulrich Ballhausen, Leiter der EJBW startete die Tagung mit einer ausführlichen Fortbildungseinheit in den drei Programmen  „Betzavta/Miteinander“, „Achtung(+)Toleranz“ und „Eine Welt der Vielfalt“. In sechs intensiven Stunden wurden neue Übungen dargestellt, erprobt und ein kollegialer Raum für Erfahrungsaustausch geöffnet. Die Ausbilderinnen und Ausbilder des C·A·P übernahmen die Moderation und brachten ihre Expertise ein.

Der erste Tag endete mit Gesprächen am Schmankerl-Buffet - bestückt mit Mitbringseln aus den verschiedenen Heimatregionen der TrainerInnen-, interkulturellen Tanzelementen und einem DJ, der (fast) alle zum Tanzen animieren konnte. 

Am kommenden Morgen stellten Susanne Ulrich und Silvia Simbeck von der Akademie Führung & Kompetenz in einem interaktiven Vortrag das im XENOS-Projekt entwickelte Konzept zu „Demokratiekompetenz“ vor (mehr dazu hier). Die einzelnen Elemente des Konzepts inklusive eines Modells zur Erfassung von Demokratiekompetenz wurden anschließend in 5 verschiedenen Arbeitsgruppen ausführlich diskutiert und durch Rückmeldungen aus dem Trainerkreis bereichert.


Das Tagungsthema wurde auch aufgegriffen durch den spannenden und lebendigen Vortrag von Guido Brombach, mit dem Titel „Wenn Atome auf Bits treffen. Demokratisiert das Internet die Gesellschaft?“ (mehr dazu hier).

Im zweiten Teil des Nachmittags wurden zwei Workshop-Phasen mit verschiedenen Angeboten zu Konzepten und Anwendungsbereichen von Methoden und Programmen des Demokratie-Lernens angeboten:

Einführungen in die Programme „Betzavta/Miteinander“, „Achtung(+)Toleranz“, „Eine Welt der Vielfalt“, „Belieforama – Vielfalt der Weltanschauungen und Religionen“, Betzavta im Einsatz an Schulen, Stakeholderprozesse als Qualitätssicherungselement, Kinderparlamente und ihre Wirkung, Social media – Werkzeuge für die Bildungsarbeit, die Methode „Pro Action Café“ und Integrationsworkshops für Unternehmen.

Bei einem festlichen Abendessen fand der Tag einen entspannten Ausklang. Das Angebot: Improtheater zum Mitmachen nutzten danach noch viele mutige und talentierte TeilnehmerInnen der Tagung, so dass auch der zweite Abend vor allem geprägt war von der Bereitschaft aller sich selbst aktiv einzubringen.


Mit Spannung erwartet wurde Uki Maroshek-Klarman, Direktorin des israelischen Adam Institute for Democracy and Peace und Mitautorin des Programms „Betzavta“. Sie hielt am Samstagvormittag einen ebenso lebendigen wie nachdenklich stimmenden Vortrag über die besonderen Herausforderungen politischer Bildungsarbeit in Hinblick auf das Ziel „Equality“ (mehr dazu hier).

Neben Austausch, Weiterbildung und Diskussion war es den Teilnehmenden aber auch wichtig, zu aktuellen politischen Problemen und Krisen Stellung zu beziehen. Aus den Reihen der AusbilderInnen kam die Anregung, die von den TrainerInnen bereitwillig aufgegriffen wurde. Gemeinsam wurde  eine Stellungnahme verfasst zu den kürzlich aufgedeckten rechtsextremistischen Morden. Die Veröffentlichung erfolgt über das C·A·P und die EJBW.

Die Tagung endete in einer bereicherten und wohlwollenden Stimmung gekennzeichnet von Wertschätzung und Dankbarkeit für die Inhalte, die Organisation und das Mitwirken am Gelingen einer Veranstaltung, die nicht nur inhaltlich Neues lieferte, sondern auch die wichtige Vernetzung der politischen Bildner(innen) ermöglichte.


Vortrag „Demokratiekompetenz fördern. Begriffsschärfung und Perspektiven für die politische Bildung“

Anhand zweier praktischer Beispiele – einer gemeinsamen Gruppenarbeit sowie dem so genannten „Wutbürger“ – fächerten Susanne Ulrich und Silvia Simbeck auf, wie Demokratiekompetenz nicht nur als Auflistung einer Vielzahl von weiteren Kompetenzen verstanden werden kann. In einer ersten Kurzdefinition wird dabei Demokratiekompetenz als „die Fähigkeit und Bereitschaft zur Beteiligung am gesellschaftlichen (privaten und öffentlichen) Miteinander, in Anerkennung des gleichen Rechts auf freie Entfaltung“ bezeichnet. Die Fähigkeit, eine Situation dahingehend zu bewerten, ob sie „demokratisch genug“ sei und darüber anhand konkreter Kriterien in Auseinandersetzung zu treten, sowie Entscheidungsprozesse demokratischer gestalten zu können bilden die Konkretisierung dieser Kompetenz. Hierbei spielen die folgenden Perspektiven eine entscheidende Rolle: „Sich selbst sehen“, „Die Anderen sehen“, „Das Ganze sehen“ und „Die Grenzen hinterfragen“. Erfassen lassen soll sich diese Kompetenz, angelehnt an den Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, auf vier Stufen mit je höherem Anteil an Selbstständigkeit und Verantwortungsübernahme. Anhand eines entsprechenden Erfassungsrasters kann jede Person die eigene Demokratiekompetenz in einer Situation, von der mehr als eine Person betroffen ist, überprüfen.


Vortrag „Wenn Atome auf Bits treffen. Demokratisiert das Internet die Gesellschaft?“

Informativ, anschaulich und, für manche Teilnehmerinnen und Teilnehmer polarisierend, zeigte Guido Brombach, DGB Bildungsstätte Hattingen, wie digitale und analoge Welten wechselseitig aufeinander einwirken und schließlich verschmelzen. Anhand unterschiedlicher Beispiele, bei denen Aktionen im öffentlichen Raum im Internet generiert wurden, verdeutlichte er, wie das Internet den Raum für Partizipation neu eröffnet, und welche Konsequenzen sich daraus für politische Bildungsarbeit ergeben (könnten). Medial unterstütze Partizipation konnten die Zuhörer(innen) direkt während des Vortrags selbst erproben: über ausgeteilte iPads konnten sie ihre Fragen und Kommentare zum Vortrag per Twitter live verschicken, wenig später auf der Leinwand sehen und damit aktiv den Vortrag mitgestalten.

Vortrag „There is no single democracy“

In ihrem Vortrag betonte Uki Maroshek-Klarman die Aufgabe politischer Bildung, bestehende Systeme regelmäßig  auf die Stimmigkeit der ihr zugrunde liegenden Ideologien und Ausdrucksformen zu untersuchen und den Aspekt der Herstellung von Gleichberechtigung immer wieder neu in den Fokus zu rücken. Auch in demokratischen Gesellschaften sei dieses Ziel  noch längst nicht ausreichend erreicht. In diesem Zusammenhang skizzierte sie kurz die sechs verschiedenen  Demokratiekonzepte,  deren Vermittlung in der Publikation „There is no single democracy“ didaktisch aufbereitet wird. Dabei legte sie einen besonderen Schwerpunkt auf  die Darstellung der sozialdemokratischen und feministischen  Sichtweise. Das Beispiel einer möglichen Verlagerung der Erledigung „der Wäsche“ aus dem privaten in den öffentlichen Zuständigkeitsbereich führte bei den Zuhörer(innen) zunächst zu einem gewissen Grad an Erheiterung und im weiteren Verlauf zu sehr viel Nachdenklichkeit.

Die Akademie Führung & Kompetenz hat im Rahmen ihres laufenden XENOS-Projekts die Lizenz für Übersetzung und Adaption von „There is no single democracy“  erworben und wird es im kommenden Jahr mit Unterstützung des Verlags der Bertelsmann Stiftung veröffentlichen.


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