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Politische Bildung reloaded

Zweites Vernetzungsforum Politische Bildung Bayern
31.03./01.04.2009 in der Evangelischen Akademie Tutzing

06.04.2009 · Akademie Führung & Kompetenz



Hintergrund des Netzwerks Politische Bildung Bayern

Das Netzwerk politische Bildung Bayern bringt relevante und aktive Personen der politischen Bildung in Bayern über Institutionengrenzen hinweg zusammen und ermöglicht einen interdisziplinären Austausch. Es ist ein Kooperationsprojekt der Universität Augsburg mit der Akademie Führung & Kompetenz am C·A·P München sowie der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit in Bayern. Es wird gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen des Programms XENOS - Vielfalt und Integration mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds.

Im Jahre 2006 wurde eine bayernweite Erhebung zur Situation der politischen Bildung in Bayern durchgeführt, die das Verständnis politischer Bildung hinsichtlich der Angebotsformate, Methoden und Themen erfasste sowie Bedarfe zur Vernetzung jenseits bestehender Strukturen analysierte. Auf dieser Basis wurde 2007 zunächst eine virtuelle Vernetzungsplattform eingerichtet. Die Internetseite www.politische-bildung-bayern.net bietet die Möglichkeit, den Austausch zu Themen politischer Bildung in Bayern zu nutzen und aktiv mitzugestalten. Neben der virtuellen Vernetzung  wurde seit 2008 die reale Begegnung und der soziale Austausch interessierter Akteure politischer Bildung in Bayern intensiviert. Am 23. April 2008 fand das erste Venetzungsforum politische Bildung Bayern mit 100 Teilnehmenden im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg statt.


Vernetzungsforum 2009 in der Evangelischen Akademie Tutzing

Das zweite Vernetzungsforum politische Bildung Bayern vom 31. März bis 1. April 2009 mit rund 85 Teilnehmenden in der Evangelischen Akademie Tutzing bot die Gelegenheit, Projekte, Schwerpunkte und methodische Ansätze kennen zu lernen und zu diskutieren. Neue Akteure politischer Bildung, Personen wie Institutionen kamen in Kontakt mit denjenigen, die politische Bildung schon länger betreiben. Konkret wurden drei Aktionsfelder in den Blick genommen: Projekte, Aus- und Weiterbildung sowie Qualitätssicherung. Im Aktionsfeld Projekte ging es um solche, die das Leben in einer globalisierten Welt und interkulturellen Gesellschaft zum Thema haben, die neue Wege gehen um Beteiligungsprozesse zu unterstützen und solche, die den Umgang mit neuen Medien selbstverständlich integrieren. Im Bereich Aus- und Weiterbildung lag der Schwerpunkt bei der Entwicklung einer selbstreflexiven und wertschätzenden Haltung, die für den professionellen Umgang mit den sehr unterschiedlichen Milieus der Zielgruppen politischer Bildung notwendig ist. Das Thema Qualitätssicherung / Wissensmanagement in der Politischen Bildung schließlich beinhaltete Ansätze zur virtuellen Vernetzung und Anregungen für Evaluationsprozesse. 

Filmischer Einblick

Den Auftakt der Tagung bildete ein filmischer Einblick in das Demokratie-Lernen-Konzept Betzavta/Miteinander aus Israel. Dieses Konzept wurde seitens des Netzwerks exemplarisch als Beispiel für innovative politische Bildung ausgewählt, da es eine ungewöhnliche Herangehensweise an die Moderation politischer Bildung verdeutlicht, durch eine Langzeitevaluation wissenschaftlich untersucht wurde und zu diesem Programm eine etablierte und zertifizierte Weiterbildung existiert.

Hierzu wurde in Kooperation mit dem Medienlabor der Universität Augsburg ein dreitägiges Seminar mit MultiplikatorInnen der politischen Bildung in Studiosituation gefilmt und zu einem 30-minütigen Film geschnitten, der auf der Tagung in einer ersten Version gezeigt wurde. Er zeigte den Grundansatz von Betzavta, den Aufbau und die Reflexion der spielerischen Übungen, mögliche Wirkungen und Anforderungen an die Moderation. Der Film soll gleichzeitig zeigen, dass mit dem Instrument eines Dokumentarfilms neue Formen des Marketings für politische Bildung gegangen werden könnten - entsprechend soll er weiter entwickelt werden.

"Präsentissage" innovativer Projekte

Auf einem von Projektmarkt erhielten die Teilnehmenden einen "Ausstellungsführer" zu zwanzig ausgewählten Projekten der politischen Bildung in Bayern aus den unterschiedlichsten Bereichen: von der Elementarpädagogik über medienorientierte Projekte und Enagementansätze für junge Erwachsene bis hin zu Konzepten der stärkeren Interaktion mit Politikern war eine breite Palette vorhanden. Bei einem begleitenden Buffet wurden zahlreiche Kooperations- und Unterstützungsideen ausgetauscht sowie das Bewusstsein für die interdisziplinäre Vielfalt der politischen Bildungslandschaft in Bayern geschärft.

Milieus der Zielgruppen politischer Bildung

Nach der exemplarischen Vorstellung und dem Überblick über das aktuelle Angebot politischer Bildung in Bayern wendete sich am Abend der Blick auf die "Nachfrageseite". Mit welchen Zielgruppen hat politische Bildung zu tun? Welche erreicht sie, welche werden vernachlässigt? Hierzu stellte Markus Etscheid vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) die neue von MISEREOR und SINUS Sociovision erstellte "Milieustudie U27" vor. Der Milieuansatz eignet sich dafür, jenseits demographischer Daten die unterschiedlichen Grundorientierungen und Wertesysteme junger Menschen in Deutschland zu skizzieren und damit besser zu verstehen, auf welche Lebenswirklichkeiten politische Bildung stößt. Herr Etscheid zeigte in seiner multimedialen Präsentation eindrücklich die Unterschiede von sieben Milieus hinsichtlich ihrer Präferenzen für Kleidung, Musik, Umgang mit Medien, Vorstellungen von Sinn und Visionen für das eigene Leben.

In der Reflexion der Bedeutung der Milieus für die eigene Bildungsarbeit seitens der Teilnehmenden wurden vor allem zwei Punkte deutlich: der Milieuansatz erzeugt starke Nachdenklichkeit hinsichtlich der eigenen Identifikation politischer Bildner mit bestimmten Milieus und der Ablehnung anderer. Die weitere Beschäftigung damit ist Teil einer professionellen Reflexion des eigenen Selbstverständnisses und Weltbildes. Zum zweiten wurde deutlich, dass viele Angebote politischer Bildung nach wie vor auf das Milieu "Postmaterielle Jugendliche" zugeschitten sind, die über hohe Bildung verfügen und in ihrer Grundausrichtung als "grüblerisch", also potentiell reflexiv, beschrieben werden. Damit werden jedoch nur 6 % der Gesamtheit Jugendlicher und junger Erwachsener erreicht, was u.a. an dem postmateriellen Selbstverständnis vieler akademisch ausgebildeter politischer Bildner liegt, die dieses auf ihre TeilnehmerInnen projizieren.

Entschleunigung

Am zweiten Tag des Forums bot Dr. Roswitha Terlinden von der Evangelischen Akademie Tutzing in einer Andacht die Gelegenheit, das Thema des Neubeginns ganz persönlich für das eigene Leben zu reflektieren. Dr. Fritz Reheis von der Universität Bamberg setzte dieses Thema fort und berichtete über das Projekt "Ökologie der Zeit" der Evangelischen Akademie Tutzing. Er betonte die Notwendigkeit unterschiedlicher Rhythmen und Eigenzeiten für politische Bildungsprozesse und skizzierte einen ganzheitlichen Ansatz, der die Körperlichkeit und Sinnlichkeit von lernen genauso umfasst wie Kognition. Dieser Ansatz bricht die Vorstellung von Herstellbarkeit und Machbarkeit von Bildung auf und führt damit nicht zuletzt zu einer Entschleunigung des Lernens.

"Open Space" für eigene Ideen

Die Gedanken zum Umgang mit Neubeginn und Zeit bildeten den Übergang zu einer längeren Phase eines "Open Space", einer Herangehensweise, die ermöglicht, dass Teilnehmende ihre eigenen Anliegen einbringen können und diese selbstbestimmt mit anderen austauschen und weiter entwickeln. Die Salons des Schlosses in der Akademie boten die Möglichkeit, sich auf diesen Austausch einzulassen. In 12 Themengruppen vertieften die Teilnehmenden die Impulse und Anregungen vom Vortag sowie ihre eigenen Ideen zum "Reload". Diskussionsrunden fanden statt zum Umgang mit Zeit und "Einwirkzeit" politischer Bildung, zu den Milieus der Zielgruppen, zur Notwendigkeit von Ressourcenorientierung, zum adäquaten Umgang mit dem Internet und zum demographischen Wandel als wichtiges Thema politischer Bildung. Es wurden Ansätze zu den Zielen politischer Bildung, der nötigen Haltung von Lehrenden und der Möglichkeit von Evaluation politischer Bildung diskutiert, ein Video-Wettbewerb für die Demokratie weiter entwickelt und Möglichkeiten zu politischen Bildungsangeboten für Erwachsene und Ältere konkretisiert. Das Netzwerk politische Bildung Bayern wird bei der Umsetzung entsprechender Projektideen Unterstützung leisten.

Internationale Einblicke

Den Abschluss der Tagung bildete Prof. Dr. Anne Sliwka von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Sie kontrastierte die Themen und Projekte in Bayern mit Erfahrungen von "citizenship education" im internationalen Bereich. So wird  etwa in England seit längerer Zeit ein "whole school approach" umgesetzt, der politische Bildung nicht nur als ein thematisches Fach begreift, sondern Engagement von Schülern, Lehrern und Eltern sowie die Reform von Schulstrukturen  umfasst. Sliwka stellte neuere Projekte aus Deutschland vor, die politische Bildung auch als verantwortliches Handeln im gesellschaftlichen Raum verstehen. So werden Verständigung und Verantwortung zur Bürgerbildung die zwei entscheidenden Säulen. Sie betonte, dass gerade im "service learning" politische Themen erfahrbar werden  und die eigene Entwicklung im Sinne von Selbstverantwortung gestärkt wird. Abschließend stellte Sliwka ein komplexes Projekt eines "Deliberationsforums" dar, in dem Schüler einen zweitägigen Austauschprozess mit einer Großgruppe zu politischen Themen organisierten. Sie erwerben dadurch eine inhaltliche Wissenserweiterung, methodische Kompetenzen und durch Feedback-Elemente eine Selbstreflexions ihres Verantwortungshandelns.

Die internationalen Einblicke sowie deutschen Ansätze erfordern eine Konkretisierung hinsichtlich der Innovation politischer Bildung in Bayern. Gleichzeitig verdeutlichten sie, welche umfassenden Möglichkeiten auch gegen verschiedene Widerstände möglich wurden.

Die Kooperation mit der Evangelischen Akademie Tutzing soll durch eine weitere Tagung im Jahr 2011 fortgesetzt werden.

Weitere Informationen zum Netzwerk Politische Bildung Bayern sowie weiterführende Dokumentationen zum Vernetzungsforum finden sich unter www.politische-bildung-bayern.net

PDF-Downloads

Tagungsflyer Vernetzungsforum Tutzing

Imageflyer Netzwerk Politische Bildung Bayern


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