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Wachsende Störanfälligkeiten in einer zunehmend vernetzten Welt

Herausforderungen für die Politik von morgen

Von Jürgen Turek

01.10.2000 · Zukünfte



Das 20. Jahrhundert verabschiedet sich mit grundlegenden Verschiebungen im Koordinatensystem von Industriegesellschaft und Nation. Die Rahmenbedingungen der Gesellschaft wurden in diesem System durch zwei Konzeptionen definiert: Nationalstaat und Nationalökonomie. Ihre Verbindung gewährleistete in vielen Ländern wachsendes Einkommen durch effiziente marktwirtschaftliche Wertschöpfung. Beide bildeten Bezugspunkte kollektiver Identität und den Ordnungsrahmen für die Schlichtung sozialer und politischer Konflikte. Das Wirtschaftsmodell basierte auf einer Marktordnung, die den effizienten Einsatz von Gütern und Produktionsfaktoren belohnte, Wettbewerb begünstigte und Eigentumsrechte sicherte.

Dies war die Basis wirtschaftlichen Wachstums und der Fähigkeit zum Strukturwandel. Im Rahmen der politischen Verfassung der Nationalstaaten waren die politischen Grundrechte klar definiert. Die Gewaltenteilung und ein parlamentarisches Regierungssystem garantierten eine größtmögliche Machtkontrolle. Gestützt auf einen breiten politischen Konsens der Parteien und Interessengruppen brachte die plurale Gesellschaft diejenigen Ausgleichsmechanismen hervor, durch die die konfessionellen und sozialen Konflikte in dieser Phase der modernen Gesellschaft moderiert werden konnten.

Im Zeitalter der Globalisierung wird die ordnende Kraft dieser Konzeption schwächer. Reichweite und Geschwindigkeit des Wandels verändern die Organisationsstrukturen der marktwirtschaftlich organisierten und national verfaßten Industriestaaten und fordern ihre Anpassungsfähigkeit heraus. Ein neues Verhältnis von technologischem Wandel, sozialer Innovation, politischer Erneuerung und gesellschaftlicher Stabilität ist dabei von zentraler Bedeutung. Es geht um Wohlstand und Sicherheit, die Stabilität der vorhandenen oder erwünschten Lebensverhältnisse, individuell und kollektiv.

Eine stabile Gesellschaft setzt den Einzelnen in den Besitz seiner Möglichkeiten und gewährleistet zugleich den sozialen Zusammenhalt über funktionierende Mechanismen gesellschaftlicher Solidarität. Dazu bedarf es eines Konsenses über fundamentale gemeinsame Werte, geeigneter Institutionen, ausreichender materieller Mittel und technologischer Ressourcen. Eine stabile Gesellschaft speist die Identität ihrer Menschen und ist Voraussetzung für eine ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltige Entwicklung. Eine nachhaltig organisierte Gesellschaft strebt ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit bei gleichzeitiger sozialer Gerechtigkeit an. Dort sollen von jeder Generation nicht mehr Schadstoffe freigesetzt werden als Luft, Wasser und Böden aufnehmen oder von geeigneten Technologien abgebaut werden können. Ökonomische Nachhaltigkeit heißt, dass ein Staat wirtschaftspolitisch vernünftige Konzepte verfolgt und auf Dauer nicht mehr Geld ausgibt, als er einnimmt. Kurz gesagt werden in einer nachhaltigen Gesellschaft keine ungedeckten Schecks auf die Zukunft ausgestellt.

Die Wucht des Übergangs von der Industrie- zur transnationalen Informationsgesellschaft stellt das Zielbild einer nachhaltigen Gesellschaftsentwicklung in Frage. Der Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft hat die Bedeutung des Verhältnisses von technologischem und gesellschaftlichem Wandel mit der damit aufgeworfenen sozialen Frage eindrucksvoll belegt. Einstmals funktionsfähige Instrumente gesellschaftlicher Solidarität verloren in den Zeiten des Wandels ihren Sinn. Erst nach geraumer Zeit gelang es, die damit verbundenen Verteilungskonflikte zu moderieren und die untauglich gewordenen Formen sozialer Integration durch neue Integrationsmechanismen zu ersetzen.

Der Übergang von der national und territorial verfassten Industriegesellschaft in die durch Globalität und Technologie geprägte Gesellschaft lässt ebenso gravierende Umbrüche erkennen. Ähnlich wie die Eisenbahn im 19. Jahrhundert die Versorgung von Menschen und Wirtschaft aus weiten Entfernungen ermöglichte und auf diese Weise Urbanisierung, Massenproduktion und internationale Gütermärkte forcierte, sind modulare Produktionsprozesse transnational agierender Unternehmen, der alltägliche globale Fluss von Devisen und Kapital oder die zunehmende Zahl globaler Kommunikationsnetzwerke prägende Merkmale der heutigen Zeit. Wie zu Zeiten der industriellen Revolution sind damit weitreichenden Konsequenzen für politisches Handeln verbunden. Entwürfe für künftige Formen politisch nachhaltigen Handelns müssen drei Entwicklungen Rechnung tragen, die unmittelbar aus Globalisierung und technologischen Innovationen resultieren: Den wachsenden Asymmetrien gesellschaftlicher Verhältnisse, den Bedingungen einer beschleunigten Ökonomie und – vor allem - den wechselseitigen Sensibilitäten einer zunehmend vernetzten Welt. Gesellschaftliche Asymmetrien und die Beschleunigung der Ökonomie werden durch die zunehmende Komplexität der gesellschaftlichen Vernetzungen noch verstärkt. Dies wird besonders deutlich durch wachsende Interdependenzen und Störanfälligkeiten.

Zunehmende Interdependez und Störanfälligkeit

Wachsende Interdependenz und Störanfälligkeit resultieren aus ökonomischer Verflechtung. Seit Mitte der 80er Jahre haben sich zum Beispiel die Umsätze im Devisen- und internationalen Wertpapierhandel mehr als verzehnfacht. Die jährlichen grenzüberschreitenden Transaktionen mit Rentenpapieren und Aktien sind zwischen 1980 und 2000 von 10 Prozent auf 250 Prozent des Weltsozialprodukts angestiegen. Der Handel mit Devisen hat mittlerweile ein Volumen von täglich 1,5 Billionen US-Dollar erreicht, was etwa dem jährlichen Bruttosozialprodukt von Frankreich entspricht. Die Entscheidung über das Halten oder das Verkaufen von Finanzanlagen in einer bestimmten Währung ist maßgeblich von der Stimmungslage an den Finanzmärkten abhängig. Mächtige Pensionsfonds und launige institutionelle Anleger drängen Unternehmen zu immer höheren Kapitalrenditen. Sie entscheiden durch blitzschnelle Ab- und Zuflüsse liquiden Kapitals über die Performance von ganzen Volkswirtschaften. Mit der wachsenden Anzahl unberechenbarer Akteure und durch die enorme Kapitalakkumulation hat die Volatilität der internationalen Finanzmärkte eine neue Qualität angenommen. Die Asienkrise 1997/ 98 und die Währungskrise in Rußland 1998 haben in eindrucksvoller Weise demonstriert, wie Volkswirtschaften in kürzester Zeit liquide Mittel für Investitionen entzogen wurden, ohne dass die politischen Akteure in der Lage waren, die Entwicklungen nennenswert zu beeinflussen. Angesichts der Größenordnung der globalen Finanzströme sind ordnungspolitische Interventionen, wie Kapitalverkehrs-kontrollen oder politisch vereinbarte Wechselkurskorridore kaum noch durch-zusetzen. Ablauforientierte Eingriffe in Form von Stützungskäufen nationaler Zentralbanken sind oftmals keine möglichen politischen Instrumente mehr, wie die Währungsturbulenzen im Europäischen Währungssystem (EWS) 1992 und 1995 gezeigt haben.

Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum haben die Belastungsfähigkeit ökologischer Systeme schon längst überschritten. So verschwinden durch Urbanisierung, Rodung oder weitere Industrialisierung täglich etwa 150 bis 200 Arten aus dem Genpool der Welt. Auch hier wachsen Interdependenzen und Störanfälligkeiten. Eine weiter wachsende Bevölkerung mit dem Anspruch auf steigenden Lebensstandard wird auf traditionelle Wachstumspfade und Konsummuster einschwenken. Dies wird den Naturverbrauch nochmals drastisch in die Höhe treiben. Die Zunahme von Verteilungskonflikten um natürliche Ressourcen sind in diesem Szenario vorprogrammiert. Die Tendenz, sich die Natur, etwa durch die Begradigung von Flüssen oder die gigantische Stauung von Gewässern, nutzbar zu machen, und die weitere Nutzung riskanter Technologien, wie der Kernenergie, erhöht die Wahrscheinlichkeit und Reichweite potentieller Störungen – über nationale Grenzen hinweg.

Grenzen politischer Steuerung

Angesichts zunehmender Komplexität des wirtschaftlichen und sozialen Miteinanders zeigt das Versagen des Verwaltungsstaates die Grenzen akribischer Planung auf. Eine der Lehren des vergangenen Jahrhunderts ist die Einsicht, daß es nicht möglich ist, ein so komplexes gesellschaftliches System wie Wirtschaft zu planen. Ebenso läßt sich ein einzelfallgerechtes Sozialsystem auch nicht durch noch so detaillierte Regelungen erreichen. Staatliches Handeln muß sich deshalb auf Kernfunktionen beschränken. Vernetzung, Beschleunigung und Komplexität verringern die Prognostizierbarkeit und damit die Steuerbarkeit der Ereignisse. Dies zeigt die Wissensgeschichte auf. Die Prognostik, das Instrument der 70er und 80er Jahre, musste aufgrund ihrer Fehlerhafigkeit dem Scenario-Writing weichen, das mehrere Wahrscheinlichkeiten identifiziert, dabei jedoch den Ausgang von Entwicklungen offenläßt.

Der "Scientismus" der 70er Jahre, aufbauend auf dem Wissensschaftsglauben im newtonsch-kartesianischen Sinne, das auf strikt linearem Denken und geschlossenen Systemen beruht, ist relativiert worden. Man hat erkannt, daß die strenge Rationalität die Probleme weder exakt zu identifizieren ist noch Strategien hervorbringen kann, die zwingend zu ihrer Lösung führen. Als nach dem zweiten Weltkrieg die Futurologie als Wissenschaftsdisziplin in der amerikanischen Rand Corporation entstand, dominierte der Optimismus, Zukunft zutreffend beschreiben zu können. Doch vieles, was die Zukunftsforschung für einen bestimmten Zeitraum vorausgesagt hat, traf nicht ein. Nachdem 1972 der Club of Rome mit seiner Untersuchung über "Die Grenzen des Wachstums" den ersten Versuch unternahm, den Blick in die Zukunft der Welt zu wagen, sind eine Reihe von zukünftigen Weltmodellen entstanden die sich jedoch zum Teil stark widersprachen. Die Analyse dieser Widersprüche hat gezeigt, daß nicht ein Mangel an Daten das Manko der Zukunftsforschung gewesen ist, sondern gesellschaftstheoretische Schwachstellen, gewissermaßen blinde Flecke im nur scheinbar objektiven Bild von Gegenwart und Zukunft. Weil historische, soziale und ökonomische Ursachenzusammenhänge nicht durchschaut oder bewußt ausgeklammert wurden, ergaben sich unterschiedliche Handlungsperspektiven.

Die Planungseuphorie vergangener Politikentwürfe ist der nüchternen Erkenntnis gewichen, dass sich gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen nicht vorhersehen und nur bedingt hierarchisch steuern lassen. Gesellschaft, Natur und Ökonomie sind offene und dynamische Systeme, die komplexe und unberechenbare Interaktionsmuster erzeugen. Hinzu kommt, dass Prognosen stets auch ein soziales Phänomen sind. Es geht also um Interessen sowie zugrundeliegende Werte und Weltbilder. Normen, Selbstorganisation von gesellschaftlichen Subsystemen und die Dynamik offener Systeme begrenzen in der Konsequenz den Einfluß politischer Gestaltungsmacht und zwingen zu flexiblen Handlungsstrategien. Zugleich müssen Regierungen angesichts der komplexen Zusammenhänge auf die Expertise und das Engagement des Privatsektors zurückgreifen. Der notwendigen Rückbesinnung auf wirkliche Aufgaben entspricht ein neues Politikverständnis: weniger punktuelle, symptombezogene Interventionen, sondern selbsttätige Regulierung ineinandergreifender, vernetzter gesellschaftlicher Subsysteme.

Wachsende Zahl von Akteuren schafft eine neue Konstellation der Macht

Der demokratisch verfaßte, auf Gewaltenteilung und territorialer Integrität beruhende sowie marktwirtschaftlich orientierte Nationalstaat war das Erfolgsmodell des 20. Jahrhunderts. Für eine immer vernetztere und zugleich fragmentiertere Welt ist der Nationalstaat jedoch häufig eine zu kleine bzw. zu große Bezugsebene. Die Rolle des Staates hat sich dementsprechend verändert, neue Akteure wie supranationale Regime, Umwelt- und Verbraucherschutzgruppen oder Stiftungen gewinnen an Bedeutung. Die Gestaltung der Zukunft wird vor diesem Hintergrund Querschnittsaufgabe aller gesellschaftlichen Akteure. Transnational operierende Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen haben von der Mitte bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts ihren Einfluß auf das gesellschaftliche Miteinander erheblich ausgeweitet. Besonders die transnational operierenden Unternehmen entscheiden über die Allokation von Ressourcen, die dem Bruttosozialprodukt mittlerer Volkswirtschaften ent-sprechen. Gleichzeitig beeinflussen sie durch ihre Standortentscheidungen und Bewertungen von Preisen im intra-industriellen Handel das Steueraufkommen einzelner Länder. Der jährliche Umsatz von General Motors oder DaimlerChysler liegt über dem Bruttosozialprodukt von Ländern wie Norwegen oder Argentinien. Zur gleichen Zeit zeigt die wachsende Zahl von Unternehmensstiftungen ein gestiegenes soziales Bewusstsein vieler Unternehmen für gesellschaftliche Belange. Stiftungen fördern gesellschaftliche Ausgaben wie Bildung, Forschung oder interkulturellen Dialog, tragen so zu sozialen Zwecken bei und sind Ausdruck einer zunehmend dezentralen Wahrnehmung gesellschaftlicher Aufgaben.

NGO’s gewinnen Einfluß im politischen Bereich und wachsende Resonanz in der Öffentlichkeit

Dies wurde in herausragender Weise deutlich in der Debatte um die Ölplattform Brent Spar, die von der Umweltorganisation Green Peace initiiert wurde und den Konzern Shell zwang, die Plattform umweltgerecht zu entsorgen. Bemerkenswert hierbei ist, dass nicht nur einzelne NGO’s erfolgreich operieren, sondern in zunehmendem Maße thematisch und zeitlich begrenzte Koalitionen eingehen, um ihre Schlagkraft zu erhöhen. Das Multilateral Agreement on Investment (MAI), ein Investitionsschutzabkommen, dass im Rahmen der OECD ausgehandelt wurde, um internationale Investments abzusichern, wurde von einer breiten Front von NGO’s öffentlichkeitswirksam kritisiert. Dies führte schließlich zum Scheitern des Abkommens, was die Machtfülle solcher Aktionen eindrucksvoll belegt. Beim WTO-Gipfel in Seattle Ende 1999 gewann das Engagement von NGO’s schließlich Züge einer konzertierten Aktion. NGO’s sind politisch nicht in herkömmlicher Form legitimiert, nehmen aber als Wachhunde im politisch-gesellschaftlichen Leben eine immer be-deutendere Rolle ein. Sie sind territorial nicht gebunden und können ihren Protest durch den Einsatz moderner Kommunikationstechnologien, insbesondere des Internet, ohne nennenswerte Zeit- und Reibungsverluste gut organisieren. Neben Kontroll- oder Warnfunktionen werden NGO’s zukünftig wahrscheinlich gestalterische Aufgaben übernehmen. So formuliert die Agenda 21 zum Beispiel ausdrücklich eine Mitwirkungsrolle solcher Organisationen bei der Umsetzung ihrer umweltpolitischen Ziele. Ihr Expertenwissen und ihre Nähe zu Problemen und betroffenen Menschen macht sie zu attraktiven Partnern für die konventionellen Gestalter von Politik. Hierbei werden die NGO’s selbst eine aktive Rolle anstreben und nicht nur handeln, wenn sie gebetene Gäste der Politik sind. Daran werden sich Politiker und Beamte zu gewöhnen haben.

In Zukunft wird politisches Handeln deshalb nicht nur von staatlichen Institutionen von oben nach unten gesteuert, sondern auch von dezentralen und eigenständigen Netzwerken von unten nach oben organisiert. Daraus entstehen vier Herausforderungen:

  • Politisches Handeln zu legitimieren;

  • ungeeignete Steuerungsmechanismen durch geeignetere zu ersetzen;

  • Entscheidungsprozesse zu modernisieren;

  • internationale Institutionen zu reformieren.

Im Verlauf der letzten 50 Jahre haben sich viele moderne Gesellschaften in ihrem eigenen Interesse geöffnet, abgesichert durch gemeinsame internationale Institutionen wie der UNO und abgestimmte Verfahren wie der Entscheidungsfindung im Weltsicherheitsrat. Diese offenen Gesellschaften stehen nun vor der Herausforderung, wiederum in ihrem eigenen Interesse, neue Regime zu errichten oder überkommene Institutionen zu modernisieren. Der Sprung in eine durch Globalität und Technologie geprägte Gesellschaftsform ist der Grund für die Notwendigkeit einer neuen Art der Zusammenarbeit. Neben dem Paradigma offener Marktwirtschaften muss das der kooperativen Gesellschaften treten. Es liegt in der Natur der Sache, dass viele Herausforderungen der Gegenwart eine Zusammenarbeit über Grenzen hinweg erfordern. Eine zunehmend integrierte Weltwirtschaft braucht globale Regeln des Wettbewerbs. Eine ausgewogene wirtschaftliche Entwicklung, der Erhalt der Umwelt, die Gewährleistung innerer und äußerer Sicherheit oder die Aufrechterhaltung der globalen Kommunikationsinfrastruktur lassen sich nicht mehr alleine mit nationalen Handlungsansätzen verwirklichen. Das gegenwärtige System der internationalen Politik ist für diese Anforderungen jedoch unzureichend ausgestattet und zudem von gravierenden Schieflagen gekennzeichnet. Dies wird deutlich durch:

  • Mangelnde Kooperation und Koordinationsprobleme zwischen den einzelnen politischen Ebenen des internationalen Entscheidungssystems;

  • Demokratie- und Legitimationsdefizite internationaler Politik;

  • nicht vorhandene Sanktions- und Konfliktlösungsmechanismen;

  • fehlende Gestaltungsmöglichkeiten in internationalen Organisationen;

  • Dominanz und Verhinderungsmacht einiger weniger Staaten in der Entscheidungsfindung;

  • die diffuse Rolle der Zivilgesellschaft.

Der stille Machtverlust konventioneller Politik führt zu einer intensivierten Suche nach konkreten Gestaltungsmechanismen. Solche Mechanismen unterstreichen die Notwendigkeit, Lücken zu schließen, die der Staat nicht länger füllen kann oder soll. Es geht darum, den öffentlichen, staatlichen und wirtschaftlichen Sektor durch Partnerschaften zu verbinden, andersartige Kommunikationsformen zu etablieren und die Menschen in das öffentliche Leben stärker mit einzubeziehen. Wenn die transnationale Gesellschaft zum Leitbild gesellschaftlichen Lebens im 21.Jahrhundert wird, stellt sich bei einer gespreizten Aufgabenteilung die Frage nach der Legitimation politischen Handelns. Denn die Kompetenzverlagerung von demokratisch legitimierten auf nicht gleichermassen zu politischem Handeln berechtigte Institutionen und Akteure erzeugt ein Legitimationsdefizit, das den Status quo der Gewaltenteilung in demokratisch verfassten Gesellschaften erodiert.

Von zentraler Bedeutung wird somit die Legitimität des zukünftigen Entscheidungssystems. Im Kern stellt sich die Frage, wer jenseits der Nationalstaaten, aber für diese verbindlich, welche Normen festsetzt und wer dazu in welcher Form legitimiert ist. Legitimation speist sich aus der Transparenz des Entscheidungsprozesses, der Effizienz von konkreten Maßnahmen und der demokratisch organisierten Partizipation der Bürger. Transparenz, Effizienz und Partizipation markieren die Eckpunkte legitimen politischen Handelns. Asymmetrie, Beschleunigung und Komplexität der gesellschaftlichen Vernetzungen begründen in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit eines neuen politischen Konzepts, daß neue Kooperationsformen, Arbeitsteilungen und Integrationsmechanismen etabliert.