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Kampf gegen den Albtraum

Rede zur Lage der Nation von George W. Bush

25.01.2007 · Position von Thomas Bauer



Das Bild bei der Übertragung der "State of the Union Address" hätte nicht bezeichnender sein können für die prekäre Lage, in der sich George W. Bush im Januar 2007 befindet. Hinter dem Rednerpult des Präsidenten waren auf dem Podium der republikanische Vize-Präsident Dick Cheney und die neue Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, zu sehen. Nach dem Debakel für die Republikaner bei den Kongresswahlen im letzten November (siehe C·A·P-Position von Thomas Bauer) sind es diese beiden Pfeiler die den politischen Bewegungsspielraum und gleichzeitig die Abhängigkeit des Präsidenten für messbare Erfolge in seinen letzten zwei Amtsjahren definieren.

Die Rede zur Lage der Nation war daher auch Spagat zwischen neokonservativer Machtpolitik und der geradezu als Mahnung ausgesprochenen Aufforderung an die Demokraten zur Kooperation. Die Reihenfolge der angesprochenen Themen macht dies besonders deutlich. Eine Reform des Zuwanderungsrechts, Steuererleichterungen für den Erwerb einer Krankenversicherung, Bildungsförderung speziell für Kinder aus ärmeren Familien, Anpassungen im maroden Sozialsystem, all dies sind Themen, die den Demokraten wichtig sind. Auch im Bereich der Energiepolitik und des Klimaschutzes ging Bush auf die Demokraten zu. Der Energieverbrauch des Landes soll um 20% reduziert und mehr Geld für die Forschung und Entwicklung im Bereich alternativer Energieträger bereitgestellt werden. Erst im zweiten Teil seiner Ausführungen ging Bush auf die Sicherheitspolitik, den Kampf gegen den Terror und die Lage im Irak ein. Diese Reihefolge diente einem bestimmten Zweck. Denn nach der anfänglichen Umgarnung der demokratischen Mehrheit im Kongress ließ der Präsident im Folgenden keinen Zweifel daran aufkommen, dass er an seiner umstrittenen Irak-Strategie (siehe C·A·P-Position von Thomas Bauer) festhalten wird. Damit zielte er auch auf die Bestrebungen in den eigenen Reihen eine mögliche Resolution gegen die Entsendung zusätzlicher Truppen zu unterstützen.

Harte Linie beim Thema Irak

Bush ist trotz aller kritischen Gegenstimmen weiterhin von der Notwendigkeit einer Truppenaufstockung überzeigt. Ziel sei es für mehr Stabilität in Bagdad und in den umkämpften Regionen zu sorgen. Er forderte daher die breite Unterstützung der Abgeordneten beider Parteien für die Soldaten, die sich bereits im Irak befinden, und denen, die in den nächsten Wochen und Monaten noch dorthin geschickt werden. Kooperation statt Konfrontation sei nun die Devise. "The evil that inspired and rejoiced in 9/11 is still at work in the world. And so long as that´s the case, America is still a nation at war."

George W. Bush bezeichnete den Krieg gegen den Terror als Generationenkampf, der bis weit über den Zeitpunkt hinaus anhalten würde, an dem er oder die Abgeordneten ihre Ämter an andere übergeben hätten. Damit will er seinen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Denn die Kampagne der Demokraten gegen die Irak-Pläne des Präsidenten hat bei vielen den Eindruck erweckt, dass sich bei einer Ablehnung der Truppenaufstockung die Lage im Irak schon irgendwie von alleine bessern würde.

Lähmende Konzeptlosigkeit auf beiden Seiten

Eine interessante aber zugleich auch verhängnisvolle Patt-Situation ist entstanden, die nicht nur den Präsidenten zur "lame duck" degradiert, sondern auch diejenigen, die sich anstellen ihn in seinem Amt zu beerben. Für Bush persönlich sind die miserablen Umfragewerte bezüglich seiner Politik ohne Konsequenz, da er sich 2008 nicht mehr in einem Wahlkampf dafür rechtfertigen muss. Sein Ziel ist es nun die Amtszeit mit einem messbaren Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus zu krönen, zur Not auch gegen die Umfragewerte und gegen die Kritik aus dem Kongress. Aber für seine potentiellen Nachfolger hat bereits der Wahlkampf um das Weiße Haus begonnen. Zusätzlich stehen 2008 auch Wahlen zum Senat an. Demokraten wie Republikaner werden sich von der Politik des gegenwärtigen Präsidenten distanzieren müssen, um ihre Chancen auf einen Erfolg zu erhöhen. Der von Bush in seiner Rede angeführten Aufforderung an die Abgeordneten in dieser schwierigen Lage der patriotischen Pflicht zur Kooperation nachzukommen, werden daher die meisten Kongressmitglieder nur widerwillig folgen. Der Präsident ist aber vom positiven Votum im Repräsentantenhaus und im Senat abhängig, will er seine Irak-Pläne und die innenpolitischen Reformen durchsetzen. Daher muss er auf die Demokraten und die Kritiker in seinen eigenen Reihen zugehen. Er kann dabei auch auf einen bisher eher wenig beachteten Faktor setzen. Denn bei aller Kritik an den Plänen des Präsidenten, auch den Demokraten muss an einem Erfolg im Irak gelegen sein. Sollte ab 2009 wirklich ein Präsident aus ihren Reihen die Geschicke des Landes lenken wäre es mehr als hilfreich das Thema Irak weitestgehend vom Tisch zu haben.

Im direkten Anschluss an seine Rede erntete der US-Präsident zwar höflichen Beifall, doch der galt mehr dem Amt als der Person. In den ersten Stellungnahmen wurde von demokratischer Seite aus einhellig die Meinung vertreten, dass hier keine neue Vision, keine neue Strategie vorgelegt wurde. Die innenpolitischen Vorstöße wurden als nicht durchdachte Versuche zur Wiederbelebung bereits gescheiterter oder nur mäßig angelaufener Reformbemühungen abgetan. Einige bezeichneten das Festhalten des Präsidenten an seinen Irak-Plänen gar als Zeichen der Ignoranz. Resolutionen, die sich gegen eine Truppenerhöhung im Irak aussprechen, sind bereits in der Vorbereitung. Dieser Vorgang besitzt zwar hohe Symbolkraft, dürfte jedoch an den Plänen zur Entsendung weiterer 21.000 Soldaten in das umkämpfte Land nichts ändern. Wie schwierig das Vabanquespiel für Befürworter und Kritiker des Präsidenten ist zeigt sich in den Äußerungen des republikanischen Senators Norm Coleman, der in den Plänen des Präsidenten keine Lösung für das Irak-Problem erkennen kann, jedoch eigenen Aussagen zufolge auch kein Erfolgsrezept kenne.

Konsequenzen für die transatlantischen Beziehungen

In seiner kämpferisch vorgetragenen Rede zur Lage der Nation führte Bush zum Schluss noch Beispiele für den persönlichen Einsatz Einzelner bis hin zur Selbstaufopferung für den gemeinsamen Erfolg an, seinen Worten nach ein zentrales Merkmal für die Seele der USA. Damit schloss er den Kreis, den er mit einer pathetischen wie gleichzeitig pragmatischen Situationsanalyse zu Beginn der Rede gezeichnet hatte: "Congress has changed, but not responsibilities. Each of us is guided by our own convictions - and to these we must stay faithful. Yet we are all held to the same standards, and called to serve the same good purposes."

Die Rede des Präsidenten hat jedoch die Frage offen gelassen, ob für die Wahrnehmung dieser gemeinsamen Verantwortung auch ein für beide politischen Lager und die Bürger des Landes tragfähiges Konzept vorliegt. Letzteres wäre auch für die Europäer von größter Wichtigkeit. Denn die konzeptionelle Schwäche der USA im Kampf gegen Staatszerfall und internationalen Terrorismus schadet den transatlantischen Beziehungen ebenso wie das grundlegende strategische Defizit der Europäer im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Vielleicht bietet sich gerade in dieser für beide Seiten des Atlantiks schwierigen Situation die Möglichkeit zur Generierung einer transatlantischen Strategiegemeinschaft. Denn die Verantwortung für mehr Frieden und Stabilität kann nicht mehr von einer Nation oder einer Institution allein wahrgenommen werden. In Zeiten sich dramatisch verändernder internationaler Beziehungen gilt es Themen wie Sicherheit, Klimawandel, Energieversorgung und soziale Absicherung in einem globalen Zusammenhang zu verstehen, und auch im globalen Maßstab anzugehen.


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