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Krieg im Libanon

Regionale Auswirkungen und die Rolle des Westens

04.08.2006 · Position von Thomas Bauer



Der Krieg im Libanon dauert auch drei Wochen nach Beginn der israelischen Luftschläge gegen Hisbollah-Stellungen mit unverminderter Härte an. Die Zahl der Opfer auf beiden Seiten ist mittlerweile auf über 1.000 gestiegen, darunter viele unbeteiligte Zivilisten. Trotz der umfangreichen Bombardierungen im gesamten Libanon und der 10.000 Bodentruppen ist es Israel bisher nicht gelungen, einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Hisbollah-Miliz zu erkämpfen. Weiterhin schlagen täglich über 150 vom Südlibanon aus startende Katjuscha-Raketen im Norden Israels ein.

Die israelische Armee scheint den Gegner weit unterschätzt zu haben. Zusätzlich ist man dem Irrglauben verfallen, diesen Konflikt lediglich mit Schlägen aus der Luft gewinnen zu können. Dass eine Miliz dadurch nicht zu zerschlagen ist, haben schon die militärischen Operationen der USA gegen die Taliban in Afghanistan und auch im Irak gezeigt. Die Hisbollah hat es dagegen geschafft, die Bodentruppen der technisch weit überlegenen israelischen Armee immer wieder in Feuergefechte zu verwickeln. Dabei gehen die Milizkämpfer nach einer Guerilla-Taktik vor, indem sie aus der verteidigenden Stellung heraus selber den Ort der Auseinandersetzung bestimmen. Diese finden verstärkt in bebautem Gebiet statt. Das Ergebnis ist ein von beiden Seiten verbittert geführter Kampf, der große Teile der Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft zieht.

Doch auch mit einer Kombination aus Luftschlägen und dem Großaufgebot an Merkava-Kampfpanzern und Artillerie können die israelischen Streitkräfte den Gegner nicht besiegen. Genau dies war jedoch zu Beginn der Kampfhandlungen das erklärte Ziel des israelischen Premierministers Ehud Olmert. Die Befreiung der beiden, von der Hisbollah entführten israelischen Soldaten ist in der Berichterstattung, aber auch bei den täglichen Stellungnahmen, mittlerweile in den Hintergrund getreten. Nun, da offensichtlich geworden ist, dass weder die Hisbollah als Ganzes zerschlagen noch ein Ende der Raketenangriffe auf Israel garantiert werden können, ist die Einrichtung einer Sicherheitszone im Südlibanon, in die anschließend eine Schutztruppe der Vereinten Nationen einrücken soll, zum Operationsziel erklärt worden.

Der Westen, der nach einigen Tagen der Lethargie mit der Forderung nach einem Waffenstillstand in die Krise einzugreifen versucht hat, konnte bisher zu keiner substantiellen Verbesserung der Lage beitragen. Mittlerweile sind ganze Teile Nordisraels und des Südlibanons entvölkert. Die Menschen fliehen aus den betroffenen Gebieten. Die Infrastruktur des Libanon ist weitgehend zerstört, Ölressourcen vernichtet, und die südlichen Vororte von Beirut sind, ebenso wie viele Dörfer an der israelisch-libanesischen Grenze dem Erdboden gleichgemacht. Wie man aus dieser Situation heraus einen nachhaltigen Waffenstillstand in beiderseitigem Einvernehmen verhandeln will, bleibt schleierhaft. Der israelische Premierminister glaubt zumindest fest daran. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gab er sich betont optimistisch und siegessicher. Diesen Optimismus wollen jedoch weder die westlichen Staats- und Regierungschefs, noch erste Kritiker in Israel selbst teilen. Es wäre fatal zu glauben, dass allein mit der Entsendung einer UN-Schutztruppe die ganze Sache unter Kontrolle gebracht werden könnte.

Möglicher Einsatz einer UN-Schutztruppe

Ungeachtet der Tatsache, dass derzeit an einen Waffenstillstand kaum zu denken ist, bleibt die Frage offen, wie eine mögliche Schutztruppe der UNO im Grenzgebiet eigentlich aussehen soll. Sowohl Israel, als auch die libanesische Regierung und sogar die Hisbollah befürworten grundsätzlich den Einsatz einer solchen Truppe. Doch die Vorstellungen darüber streben weit auseinander. Experten betonen die Notwendigkeit, dass die regulären libanesischen Streitkräfte die Grenze zu Israel überwachen müssen. Dieselben Experten bezweifeln jedoch gleichzeitig, dass sie dazu überhaupt in der Lage sind. Israel kann deshalb eine solche Lösung auch nicht akzeptieren. Seit dem Abzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon war es der Regierung in Beirut nicht gelungen, die Region unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Hisbollah könnte sich vermutlich mit einer Ausweitung der seit 1978 im Land befindlichen UNIFIL-Truppe der Vereinten Nationen abfinden. Ein Hauptgrund dafür liegt in dem äußerst schwachen Mandat der Truppe, weswegen Israel auch diesen Ansatz ablehnt. Premierminister Olmert spricht sich dagegen für eine starke Schutztruppe mit robustem Mandat aus. Nur durch eine starke und durchsetzungsfähige Truppenpräsenz kann die Hisbollah vor weiteren Anschlägen gegen Israel, zumindest aus der Sicherheitszone heraus, abgehalten werden. Wie sich eine UN-Truppe, selbst mit robustem Mandat, bei einem Beschuss Israels mit weitreichenden Raketen von außerhalb der Sicherheitszone liegenden Gebieten zu verhalten hat, ist bisher gänzlich ungeklärt. Es ist zu befürchten, dass man in diesem Fall, wie bereits beim israelischen Einmarsch 1982, zum Zuschauen verdammt werden würde.

Eine weitere Frage ist die Zusammenstellung der Schutztruppe. Die USA und Großbritannien haben sich unter Verweis auf ihr Engagement in Afghanistan und im Irak bereits zurückgezogen. Frankreich steht nun unter Zugzwang, die Führung einer solchen Truppe zu übernehmen. Doch Paris ist als ehemalige Protektionsmacht des Libanon weder bei den Libanesen, noch - wegen der offenkundig pro-palästinensischen Haltung der letzten Jahre - bei den Israelis willkommen. Auch Deutschland wird immer wieder ins Spiel gebracht. Doch es ist schwer zu glauben, dass die deutsche Bevölkerung oder die Bundeswehr einem Einsatz positiv gegenüber stehen. Eine rein arabische Schutztruppe wird wiederum Israel nicht akzeptieren. Die Vereinten Nationen müssen um jeden Preis ein allzu langes Flehen und Betteln um Truppensteller vermeiden. Dadurch wären Ansehen und Durchsetzungskraft der Schutztruppen bereits im Vorfeld untergraben. Und die Hisbollah hätte die Bestätigung, dass niemand wirklich an einem Einsatz in der Grenzregion interessiert ist. Dies würde ihr faktisch freie Hand und eine perfekte Ausgangslage für den weiteren Kampf gegen den Staat Israel geben.

Die Rolle Syriens

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier versucht seit einigen Tagen Syrien als stabilisierenden Verhandlungspartner mit ins Boot zu holen. Doch erstens dürfte der syrische Präsident Assad, nach dem demütigenden und vom Westen provozierten Rückzug der syrischen Truppen aus dem Libanon im letzten Jahr, kein Interesse an einer Befriedung im Grenzraum haben, solange syrische Interessen in der Frage der Golan-Höhen nicht berührt werden. Und zweitens zeigt sich der israelische Premierminister Olmert ebenfalls nicht von dieser Idee begeistert. Im bereits angesprochenen SZ-Interview bezeichnete er die syrische Regierung als kindisch, rücksichtslos und unverantwortlich. Interessant ist die Haltung der USA. Da man Damaskus immer noch zur Achse des Bösen zählt, und der syrische Präsident vor kurzem eine strategische Allianz mit dem Iran eingegangen ist, darf man sich nicht erlauben Avancen in diese Richtung zu machen. Das Stillschweigen der USA auf den Vorstoß des deutschen Außenministers verweist darauf, dass man in Washington den Versuch Syrien mit einzubinden wohlwollend unterstützt, dies jedoch nicht öffentlich.

Zuspruch für Hisbollah

Entscheidend für eine dauerhafte Lösung ist die Zustimmung der Hisbollah. Doch die Miliz um ihren Anführer Scheich Nasrallah ist bisher nicht durch Zugeständnisse gegenüber dem Erzfeind Israel in Augenschein getreten. Warum also sollte sie es nun tun? Die letzten drei Wochen haben weder zu einer nachhaltigen Schwächung der Hisbollah geführt, noch konnte die libanesische Bevölkerung zum Aufstand gegen die Miliz motiviert werden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Unverhältnismäßigkeit der Militärschläge Israels hat, zusammen mit der gebetsmühlenartigen vorgebrachten Schuldzuweisung, die Hisbollah sei für die vielen toten Zivilisten im Libanon verantwortlich zu machen, zu einer latenten Trotzreaktion in der libanesischen Bevölkerung geführt. Die vielen Toten unterstützen eine weitere Radikalisierung. Wie ein Kommentar in der Financial Times Deutschland richtig darstellte, belebt die Erzeugung eines Gefühls der Empörung den Zuspruch zum Islamismus. Auch im arabischen Ausland steigt die Zustimmung zum Kampf der Hisbollah. Unterstützt wird diese Haltung auch von der Tatsache, dass die schlagkräftigste und mit dem Nimbus der Unbesiegbarkeit behaftete Armee Israels, selbst nach drei Wochen schwerster Kämpfe nicht in der Lage ist, eine Miliz unter Kontrolle zu bringen.

Die größte Gefahr geht von dieser radikalisierenden Sprengkraft der gegenwärtigen Situation aus. Der Kampf zwischen Israel und der Hisbollah könnte sich zum regionalen Krieg mit globalen Auswirkungen entfachen. Denn nicht ohne Grund wird von vielen Experten darauf verwiesen, dass die gegenwärtige Entwicklung mit dem von außen oktroyierten Demokratisierungsprozess in der ganzen Region zusammenhängt. Die demokratischen Wahlen im Libanon und in den palästinensischen Autonomiegebieten haben nicht zu einer Beruhigung des Nahost-Konflikts beigetragen. Das Demokratisierungsprojekt im Irak steht auf tönernen Füßen. Auch in Afghanistan kann bei weitem noch nicht von einem stabilen und gesicherten Übergang zur Demokratie gesprochen werden. Der positive Domino-Effekt, den sich die USA von einer Demokratisierung des Irak für die gesamte Region erhofft hatten, ging nach hinten los. Sinnbild für das Scheitern des von den USA proklamierten „democracy promotion“ Projekts, ist eine Unterhaltung zwischen dem russischen Präsidenten Putin und George W. Bush auf dem letzten G8-Gipfel in Sankt Petersburg. Auf die Äußerung des US-Präsidenten, Russland müsse wie jede andere Nation seinen eigenen Weg zur Demokratie finden, konterte Putin, dass er nicht eine Demokratie wie im Irak für sein Land haben möchte.

Der Sieger der gegenwärtigen Auseinandersetzung ist zweifelsohne der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Der Krieg im Libanon hat die Aufmerksamkeit vom Disput über das iranische Atom-Programm abgelenkt. Sowohl im Irak, als auch in Afghanistan haben amerikanische bzw. NATO-Truppen erhebliche Schwierigkeiten Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten. Und die Verluste und Zerstörungen im Libanon spielen seiner Israel-feindlichen Propaganda in die Hände. Dass die USA die Luftschläge gegen den Libanon bereits seit drei Wochen decken, wird die anti-westliche Stimmung im Iran nur noch weiter anheizen…und damit auch den Durchhaltewillen der radikalen Kräfte im Libanon und der gesamten Region.


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