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Transatlantische Inszenierung

War der Besuch von Präsident George Bush von historischer Bedeutung? Nein. War er dennoch wichtig? Ja.

Prof. Dr. Werner Weidenfeld war anlässlich des Deutschland-Besuchs des US-Präsidenten in Mainz beim Empfang zu Ehren von George W. Bush und seiner Frau Laura eingeladen.

Dieser Artikel erschien auch in der Zeitung 'Neuen Westfälische' vom 26.02.2005.

14.03.2005 · Position von Werner Weidenfeld



War der Besuch von Präsident George Bush von historischer Bedeutung? Nein. War er dennoch wichtig? Ja. Der scheinbare Widerspruch zwischen beiden Feststellungen ist aufzulösen, wenn man Struktur und politische Substanz dieses Großereignisses näher analysiert.

Ein solcher Besuch ist eine große Inszenierung. Da wird nichts dem Zufall überlassen, jede Geste kalkuliert und jede Nuance vorbereitet. Die transatlantische Inszenierung ist Bush und Schröder zweifellos gelungen. Die neue Kooperationsbereitschaft sollte in anschauliche Bilder gefasst werden. Für Bush ist es innenpolitisch unverzichtbar, die europäischen Partner für den Wiederaufbau des Irak zu gewinnen. Seine eigene Öffentlichkeit verlangt von ihm, die Last des Irak auf viele Schultern zu verteilen. Es handelt sich um die neue Version des alten Themas 'Burden sharing'. Die amerikanische Offensive der Freundlichkeit hat also einen Kern harter Interessenpolitik. Europäer und Deutsche reagieren warmherzig, wenn Amerikas Präsident so gekonnt die Seele Europas streichelt.

Unter der Oberfläche der neuen Freundlichkeit liegt jedoch eine lange Agenda weltpolitischer Konflikte, die dringend einer transatlantischen Verständigung bedarf: Die Atomwaffenproduktion des Iran, das Waffenembargo gegenüber China, die Transformation des Nahen und Mittleren Osten, die Reform der UNO, der internationale Klimaschutz. Bisher existiert zu keinem dieser Themen ein substantieller Strategiedialog zwischen Europa und den USA. Das aber war das Ziel der so heftig missverstandenen Forderung von Bundeskanzler Schröder bei der Münchener Sicherheitstagung vor wenigen Wochen. Es muss künftig einen Ort der strategischen Verständigung über den Atlantik geben. Bisher sucht man ihn vergeblich – das beschreibt das zentrale Defizit.

Aber man darf dabei nicht den eigentlichen Grund für das Auseinanderdriften beider Kontinente übersehen: In Amerika und Europa werden Bedrohung und Risiko unterschiedlich wahrgenommen. Seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 fühlt sich Amerika existentiell bedroht. Erstmals in seiner Geschichte ist Amerikas Sicherheit ernsthaft in Frage gestellt – ein Alptraum. Washington sucht seinen eigenen Schutz zu garantieren – und wird niemanden in der Welt fragen, ob seine Maßnahmen gerechtfertigt sind.

Die Europäer dagegen hegen elementare Zweifel an der Legitimation amerikanischer Militäreinsätze. Sie wollen die Konflikte multilateral einhegen. Sie wollen befrieden, nicht bekämpfen.

In der Konsequenz droht transatlantisch der 'Kampf der Risiko-Kulturen'. Das reicht weit über die Gesten von Besuchen und Umarmungen hinaus – hier geht es um die Tiefe gesellschaftlicher Identität.

Nach dem Besuch von George Bush in Europa lautet die Konsequenz: Die gelungene Inszenierung ist in eine präzise Form, gemeinsamer Strategien zu übersetzen. Auf Bush wie Schröder wartet ein hartes Stück Arbeit.


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