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Eine Strategie zum Sieg – und aus dem Umfragetief?

US-Präsident George W. Bush sucht die Offensive

01.12.2005 · Position von Thomas Bauer



U.S.-Präsident George W. Bush hat am Mittwoch vor Soldaten der Marineakademie in Annapolis seine "National Strategy for Victory in Iraq" vorgestellt. Mit ihr will er der ansteigenden Kritik begegnen, die an seiner Kriegsführung aufgekommen ist. Die Umfragewerte waren in den letzten Wochen dramatisch abgesunken. Hierfür waren neben dem Irak aber auch andere Themen verantwortlich.

Nicht nur die großen Unwetterkatastrophen an den US-Küsten im Golf von Mexiko und die teilweise chaotischen Rettungsbemühungen der überforderten Helfer haben Zweifel an der ansonsten traditionell hoch eingeschätzten Führungsstärke des Präsidenten aufkommen lassen. Steigende Ölpreise, die die Verbraucher im Autoland USA vor allem an den Tankstellen zu spüren bekommen, haben ebenfalls den Druck auf Bush erhöht. Die amerikanische Wirtschaft floriert nur noch auf Pump, und die Unternehmen geraten durch den steigenden Marktanteil von in China produzierten Billigprodukten ins Schlingern. Insgesamt also keine gute Situation für den Präsidenten, der sich auch gegen Kritik aus den eigenen Reihen wehren muss. Die Fehltritte bei der Besetzung von Richterposten beim Obersten Gericht hatten ebenso für Verwirrung gesorgt wie seine gegen den Senat durchgesetzte Entscheidung den Hardliner John Bolton zum neuen US-Botschafter bei den Vereinten Nationen zu ernennen. Die weiterhin hohe Anzahl an Selbstmordanschlägen und Entführungen im Irak haben dazu Zweifel an der Kriegsführung aufkommen lassen. Mitte Oktober überschritt die Zahl der im Irak getöteten US-Soldaten die psychologisch wichtige Schwelle von 2.000.

Neueste Umfragen zeigen, dass 54% der Amerikaner dem Oberkommando und Präsident Bush eine schlechte Arbeit in Hinblick auf den Irak attestieren. 55% glauben gar, dass Bush gar keine Strategie besitzt um die USA aus dem Irak-Debakel herauszumanövrieren. Einen Zeitplan für den Abzug der über 150.000 stationierten Soldaten fordern daher nicht nur die Demokraten im Abgeordnetenhaus, sondern auch die Bürger und erstmals öffentlich sogar hochrangige Militärs.

Mit dem nun vorgelegten Plan versucht Präsident Bush zwei Fliegen auf einmal zu schlagen. Zum einen will er mit dieser Grundsatzrede seine Führungsstärke untermauern, zum anderen den Kritikern an seinem Vorgehen im Irak die Existenz einer langfristig angelegten Strategie belegen, an deren Ende der vollständige Abzug aller US-Soldaten ins Aussicht gestellt wird. Das Strategiepapier bewegt sich dabei auf einer sehr allgemein gehaltenen Argumentationslinie. Ziel sei es den Irak beim Aufbau einer demokratischen politischen Ordnung zu unterstützen, die Wirtschaft des Landes wieder anzukurbeln und Sicherheit und Stabilität im Irak und somit auch für die Region zu gewährleisten. Fortschritte auf einem der drei Bereiche würden zu positiven Effekten in den anderen beiden führen. Neu sind diese Aussagen nicht, und es gibt sicherlich kaum einen Kriegsgegner, der diese Ziele nicht auch unterstützen würde. Insgesamt wirkt der Plan jedoch mehr wie eine Art oberflächlicher Lagebericht, und weniger wie eine Strategie. Vieles sei bisher erreicht worden, dennoch müsse man Geduld aufbringen, da der Aufbau eines demokratischen politischen Systems in nur drei Jahren einfach unrealistisch sei.

Das Strategiepapier besitzt eine entscheidende Schwäche, die den gewünschten Umfrageeffekt bei der Bevölkerung verpuffen lassen könnte. Es geht in keinem Punkt auf die Tatsache ein, dass der gesamte Ansatz und die Durchführung des Feldzugs gegen das Saddam-Regime von völlig falschen Voraussetzungen und viel zu optimistischen Prognosen ausgegangen sind. Man mag zugestehen, dass in der gegenwärtigen misslichen Lage nicht die Zeit für das Aufarbeiten von Fehlern der Vergangenheit vorhanden ist. Jedoch verkennt das Papier dadurch, dass die gegenwärtige Lage das Ergebnis dieser falschen Planung ist. Der relativ geringe Kräfteansatz beim Einmarsch im März 2003 hatte dazu geführt, dass ganze Verbände von Saddam-treuen Kämpfern inklusive den dazugehörigen Waffen- und Munitionslager im Untergrund verschwanden. Statt das Land zu besetzen stürmte die US-Armee direkt in Richtung Bagdad. Seitdem hat man Probleme in den abgelegenen Gebieten Fuß zu fassen. Diese sind mittlerweile zum Rückzugsraum von radikal-islamischen Terroristen geworden. Durch die sofortige Auflösung des irakischen Militärs mussten sämtliche Überwachungs- und Sicherungsaufgaben von den dafür nicht ausreichend vorbereiteten Amerikanern wahrgenommen werden. Die viel zu geringe Anzahl an Dolmetschern erschwerte diese Aufgabe zusätzlich. Im Ergebnis mussten Kampfverbände Polizeiaufgaben einer Besatzungsmacht übernehmen, während sie gleichzeitig gegen stark bewaffnete Untergrundskämpfer vorzugehen hatten. Eine Kombination, die letzten Endes auch zu den untragbaren Zuständen im Rahmen des Abu-Ghraib Skandals führen musste, und das Vertrauen der irakischen Öffentlichkeit in die Befreier unterminierte.

Zugegeben, vieles ist auch in der Zwischenzeit erreicht worden. Eine Verfassung wurde verabschiedet, der Ausbruch eines offenen Bürgerkriegs zwischen den einzelnen Volksgruppen konnte trotz widriger Umstände bisher verhindert werden, und erste freie Wahlen wurden durchgeführt. Das Strategiepapier des US-Präsidenten verweist zu Recht auf diese Erfolge. Dennoch ist der Irak weit von einer stabilen und sicheren Ordnung entfernt. Stabilität und Sicherheit werden aber im vorgestellten Plan zur Messlatte für den Erfolg, und somit zur Vorbedingung für einen möglichen Truppenabzug deklariert. Ein Zeitplan für die Rückkehr der Truppen wird nicht geliefert. Dies mag hinsichtlich des weiteren Erfolges für die Operation im Irak richtig sein, denn ohne den zeitraubenden Aufbau von nennenswerten irakischen Sicherheitskräften, die alleine für Stabilität sorgen könnten, bedeutet jeder Truppenabzug der USA die Preisgabe des Landes gegenüber den terroristischen Gruppierungen. Vielleicht sollte in diesem Punkt auch Europa seine zurückhaltende Position aufgeben und sich personell und finanziell noch stärker an der Ausbildung vor Ort und außerhalb des Landes beteiligen.

Die nun vorgelegte Strategie bietet jedenfalls keine endgültigen Lösungen an. Der Ansatz belegt vielmehr die bereits vielfach getroffene Aussage, dass die USA zwar den Krieg militärisch gewinnen mögen, aber den Frieden – in diesem Fall Sicherheit und Stabilität im Irak – verlieren werden. Das Denken im Absoluten verbietet es George W. Bush jegliche Zwischenlösung zu akzeptieren. Für ihn gibt es nur den Sieg auf ganzer Länge oder die totale Niederlage im Krieg gegen den Terror. Diese Grundhaltung im Rahmen eines global angelegten Antiterrorkampfes auf ein vielschichtiges Land wie den Irak übertragen dürfte dazu führen, dass noch auf Jahrzehnte US-Soldaten dort gebunden bleiben.

Inwiefern die Strategie zum allgemeinen Meinungsumschwung beitragen kann bleibt daher abzuwarten. Ohne Zeitplan für den Truppenabzug dürfte die Kritik an George W. Bush weiter anhalten. Und das macht die Situation so prekär, auch für den Irak. Zu einer Zeit, da robustes Handeln und Ausdauer gefragt sind um auf den ersten kleinen Erfolgen aufbauend die Demokratisierung des Landes weiter vorantreiben zu können, verliert Präsident Bush seine Bewegungsfreiheit. Säße er allgemein fester im Sattel könnte er die Kritik am Irakkrieg aussitzen. Im Rahmen der US-Präsidentschaftswahlen von 2004, bei der seine Führungsstärke einer der wichtigsten Faktoren für den Sieg war, ist ihm dies bereits gelungen. Gegenwärtig sieht er sich jedoch von mehreren Seiten gleichzeitig unter Beschuss. Dass er die Angriffe auf seinen Führungsstil und seine Amtsführung im Allgemeinen abwehren kann, während er gleichzeitig ohne weitere Zugeständnisse an seiner immer unpopulärer werdenden Irakpolitik festhält, scheint zumindest zweifelhaft.


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