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Transatlantischer Subventionsstreit Boeing-Airbus

Hintergrund und Lösungskonzepte

03.06.2005 · Position von Thomas Bauer



Der seit Oktober 2004 schwelende Konflikt zwischen den USA und der EU bezüglich staatlicher Beihilfen an die heimischen Luftfahrtunternehmen Boeing bzw. Airbus ist nach einer dreimonatigen Verhandlungsphase wieder bei der World Trade Organisation (WTO) angekommen. Der Streit könnte das gesamte transatlantische Verhältnis negativ beeinträchtigen. Der Handel zwischen den beiden Kontinenten hat im Jahr 2004 einen Gesamtwert von über 390 Milliarden Euro erreicht, das sind mehr als 1 Milliarde Euro pro Tag. Die Exporte in die USA veranschlagen nahezu ein Viertel des gesamten EU-Exportvolumens. Gut ausgebaute Wirtschaftsbeziehungen und hohe Investitionssummen stehen auf dem Spiel, sollte ein Handelskrieg nicht vermieden werden können. Offiziell geht es um milliardenschwere Subventionen, die angeblich nicht mit vorhergehenden Absprachen übereinstimmen sollen. Doch hinter vorgehaltener Hand werden die wahren Gründe für den Disput geäußert. Die USA sehen ihre Vormachstellung in der Luft- und Raumfahrttechnik gefährdet, während die Europäer mehr Zugang zum US-Markt einfordern.

Direkte Subventionen vs. indirekte Beihilfen

Zwei unterschiedliche Subventionssysteme stehen sich bei diesem Streit gegenüber. Die Europäer unterstützen Airbus mit Anschubinvestitionen für Neuentwicklungen wie dem geplanten A-350, die in Form rückzahlbarer direkter Darlehen von den an Airbus beteiligten Regierungen geleistet werden. Die Kommission genehmigt diese Zuschüsse mit Verweis auf Artikel 87 Absatz 3 des EG-Vertrags, der staatliche Beihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ansieht sobald sie zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse beitragen.

Die USA dagegen lassen Boeing v.a. indirekte Unterstützung zukommen. Diese umfassen Rüstungs- und NASA-Verträge mit Boeing, Forschungs- und Entwicklungsausgaben (Einfluss externer Technologieentwicklungen auf zivile Großflugzeugprojekte) und steuerliche Subventionen (Umgehung der US-Bundessteuern durch Nutzung ausländischer Vertriebsgesellschaften sowie Steuergeschenke durch einzelne US-Bundesstaaten). Hinzu kommt die Verlagerung vieler ziviler Luftfahrtprogramme ins Ausland (Japan produziert über 30% des neuen Boeing 7E7 Dreamliners), wodurch auch direkte Subventionszuschüsse vor Ort geltend gemacht werden können. Im Unterschied zur direkten Unterstützung müssen die indirekten Beihilfen jedoch nicht zurückgezahlt werden. In den USA sind zweistellige Renditen bei Rüstungsgeschäften daher nicht nur an der Tagesordnung, sie werden bei Auftragsvergaben von der Regierung sogar mit eingeplant.

Mit dem EU-US Abkommen über zivile Großraumflugzeuge von 1992 wurden Obergrenzen für beide Subventionsformen festgelegt. Die Anschubfinanzierung der Europäer darf höchstens 33% der Gesamtentwicklungskosten betragen, während die indirekte Unterstützung der USA auf 3% des Umsatzes der inländischen Großraumflugzeugindustrie beschränkt ist.

Airbus im Aufwind – Boeing zeigt sich angeschlagen

Begonnen hatte das neuerliche Tauziehen um staatliche Unterstützung mit der einseitigen Kündigung des Abkommens über zivile Großraumflugzeuge durch die USA im Oktober 2004 und der Einreichung einer Klage gegen die EU bei der Welthandelsorganisation. Als Begründung wurden die angeblich zu hohen Anschubinvestitionen für das neue Großraumflugzeug A-380 angeführt. Doch die eigentliche Ursache dürfte in der sich abschwächenden Marktposition Boeings gegenüber seinem europäischen Konkurrenten liegen. Im Jahr 2003 hatte Airbus zum ersten Mal die US-Konkurrenz im Bereich Auftragslage und Auslieferungszahlen überholt. 2004 konnte man diesen Erfolg wiederholen. Gleichzeitig vermeldete die EADS als 80%iger Eigentümer von Airbus weitere Aufträge beim neuen Großraumflugzeug A-380, während die angekündigten Konkurrenzmuster von Boeing von den Airlines unbeachtet blieben.

Die Position von Boeing hatte sich in den letzten Jahren auch im militärischen Bereich verschlechtert. Das wichtigste Zukunftsprojekt der US Air Force, der "Joint Strike Fighter", wurden an Lockheed Martin vergeben. Das strategische Transportflugzeug C-17 "Globemaster II" konnte sich wegen der hohen Kosten noch nicht auf dem Exportmarkt durchsetzen. Das große Heeres-Modernisierungsprogramm "Future Combat System", bei dem Boeing einer der Hauptauftragnehmer ist, hat in den letzten Jahren durch Kostenexplosionen einige Einbußen hinnehmen müssen. Auch ein bereits sicher geglaubter Auftrag des Verteidigungsministeriums für neue Tankflugzeuge der US Air Force wurde wieder zurückgezogen, da eine ehemalige Angestellte des US-Verteidigungsministeriums bei ihrem Wechsel zu Boeing Unterlagen und Informationen über das entsprechende Airbus-Angebot mitgenommen hatte. Die Annullierung des Abkommens von 1992 und die Klage bei der WTO wurden in Europa daher v.a. als Ablenkungsmanöver von der schwachen Performance des US-Konkurrenten und vom Imageverlust durch den geplatzten Tanker-Deal gewertet. Als Reaktion darauf hatten die Europäer ebenfalls Klage gegen aus ihrer Sicht illegalen Subventionierungsmethoden der USA eingereicht. Dahinter steht jedoch auch die Enttäuschung darüber, dass die EADS sich bei der erneuten Ausschreibung des Tanker-Geschäfts für die US Air Force nach ersten Verlautbarungen aus dem US-Kongress nicht beteiligen wird dürfen.

Verhandlungen ohne Erfolg

Noch im Januar 2005 hatten sich Verhandlungsführer beider Seiten auf eine Übergangsregelung einigen können, an deren Ende die Beseitigung aller staatlichen Beihilfen bei zivilen Großraumflugzeugen stehen sollte. Gleichzeitig hatte man ein 3-monatiges Stillhalteabkommen vereinbart. In diesem Zeitraum sollten keine weiteren Subventionsgelder fließen. Auch nach Ablauf des eigentlichen Gesprächszeitraums blieben beide Seiten an einer Verhandlungslösung außerhalb der WTO interessiert. Am 27. Mai hatte EU-Handelskommissar Peter Mandelson einen Plan für den schrittweisen Abbau der Beihilfen vorgelegt, der jedoch von den USA abgelehnt wurde. Am 30. Mai schließlich nahmen die USA ihr Verfahren gegen die EU in der WTO wieder auf. Die Europäer wiederum erneuerten ihre Klage gegen die USA. Beide Seiten werfen sich den Verstoß gegen die vertraglich festgesetzten Obergrenzen an direkten bzw. indirekten Beihilfen vor. Eine endgültige Lösung des Streits vor der WTO dürfte unmöglich sein. Beobachter sehen vielmehr einen Schiedsspruch voraus, der lediglich Teile der Subventionen auf beiden Seiten des Atlantiks für illegal erklärt. Als Konsequenz daraus könnte man zu Kürzungen oder Streichungen auffordern, ein Schritt, den die beiden Kontrahenten bereits im Vorfeld mit mehr Verhandlungsspielraum hätten erreichen können.

Der Gang vor ein WTO-Schiedsgericht schadet beiden Seiten mehr als das er zu einer Lösung beitragen könnte. Dementsprechend sind auch die Reaktionen der beiden betroffenen Unternehmen auf diese Eskalation. Zwar begrüßen sowohl EADS als auch Boeing den Gang zur WTO, jedoch erklärten beide, dass sie sich für eine bilaterale Verhandlungslösung stark machen möchten. Airbus gab dabei zu bedenken, dass ein möglicher Handelskrieg auch ihre US-Zulieferer mit einem jährlichen Gesamtgeschäftvolumen von 6 Milliarden US-Dollar treffen würde. Im beiderseitigen Interesse appellieren die Unternehmen daher an die EU-Kommission und die US-Regierung zu einer Klärung der Situation außerhalb der WTO zu gelangen.

Lösungsvorschläge für den Konflikt – Marktzugang und Subventionsabstriche

Die Ideallösung, gleiche Wettbewerbsbedingungen durch die Beseitigung aller direkten und indirekten Subventionen, ist völlig unrealistisch und wird daher von beiden Seiten nicht verfolgt. Eine Kompromisslösung könnte in der Beseitigung aller direkten Subventionen liegen. Dadurch wären die Europäer gezwungen ein System indirekter Beihilfen nach amerikanischem Vorbild aufzubauen, während die USA nicht länger direkte Subventionen über Drittländern beziehen dürften (im Fall der Boeing 7E7 sind es 1,6 Milliarden US-Dollar). Der Vorteil für die USA und Boeing läge darin, dass sie ihr System nur wenig verändern müssten. Für Airbus bzw. die EADS würde eine indirekte Unterstützung bedeuten, dass man die Gelder nicht mehr wie bei den Anschubfinanzierungen zurückzahlen müsste.

Scheitern könnte dieses Modell letzten Endes an den verantwortlichen Regierungen in Europa. Die Anschubfinanzierung war bisher ein sehr bequemes System, bei dem die investierten Gelder auch wieder gesichert zurückflossen. Indirekte Beihilfen in Form von Investitionen in den betreffenden Unternehmen im Rahmen von Verteidigungsausgaben oder Weltraumprogrammen kombiniert mit steuerlichen Vorteilen und Geldern aus Forschungs- und Entwicklungsprogrammen der EU (wie z.B. dem 7. Forschungsrahmenprogramm) stellen ein sehr viel komplexeres Finanzierungssystem dar. Effizienz und Effektivität hängen im größten Maße vom politischen Willen und der Bereitschaft zur europäischen Industrieförderung in den beteiligten Staaten ab. Hinzu kommt die Problematik, dass indirekte Subventionen für Airbus durch Investitionen in die Rüstungssparten von EADS und BAE Systems unter Artikel 296 des EG-Vertrags fallen, der die Rüstungsindustrie vom Binnenmarkt ausschließt. Organisation und finanzielle Ausgestaltung eines solchen Models bezüglich Airbus müssten somit zwischen Frankreich, Großbritannien, Spanien und Deutschland unter Berücksichtigung eines zersplitterten Marktes verhandelt werden, im Gegensatz zum einheitlichen Markt der USA.

Der europäische Vorstoß einer für die notwendige Umstrukturierung notwendigen Übergangsregelung mit reduzierten Direktsubventionen wird bislang von den USA abgelehnt. Der US-Handelsbeauftragte Rob Portman fordert die sofortige Abschaffung aller direkten Unterstützungen. Da jedoch die USA im Falle eines Schiedsspruchs größere finanzielle Einbußen erleiden dürften als die Europäer (rund 7,5 Milliarden US-Dollar Steuervorteile und Subventionszahlungen des Bundesstaats Washington an Boeing seit 1992 widersprechen laut EU den WTO-Bestimmungen) dürfte sich noch eine Einigung finden lassen. Die Verhandlungsmasse ist diesbezüglich bisher noch nicht ausgereizt worden. Sollten die USA den Europäern einen besseren Zugang zum amerikanischen Markt im Luft- und Raumfahrtsektor gewähren, dann wären die Europäer sicherlich zu einigen Zugeständnissen im Bereich der Subventionen bereit.


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