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Weder überraschend noch einmalig

Zur Wahl rechtsextremer Parteien in Sachsen u. Brandenburg

27.09.2004 · Britta Schellenberg



Die Wahlerfolge der NPD in Sachsen und der DVU in Brandenburg sind weder überraschend noch einmalig. Wie die Reaktionen auf das gute Abschneiden der Rechtsextremen zeigen, wird allerdings noch immer reflexartig und ungläubig vorausgesetzt, dass die Wähler aus Protest ihre Stimme den Rechtsextremen gegeben haben. Es wird unterstellt, dass es einen demokratischen Mehrheitskonsens gibt, an den appelliert werden müsse und aus dem alles, was nicht mehr dazu gehören kann, hartnäckig ausgeschlossen werden muss. Doch sowohl Empörung und Appell als auch Ausgrenzung gehen ins Leere - wenn die Demokratie und demokratische Werte nicht attraktiv scheinen, sondern Widerwillen erzeugen, gibt es Defizite in unserer Gesellschaft zu beklagen, die sich nicht mehr ausblenden lassen.

Die Erfolge der rechtsextremen Parteien bei den jüngsten Wahlen sind ernst zu nehmen. Sie sind zustande gekommen, obwohl sich rechtsextreme Parteien in Deutschland bislang vor allem durch Inkompetenz und innere Zerstrittenheit hervorgetan haben und obwohl rechtsextreme Parteien seit Jahren innerhalb der rechtsextremen Szene unbedeutender wurden und ihre Mitgliederzahlen kontinuierlich fielen. Allein die NPD begann diesem Trend jüngst entgegen zu steuern.

Ohne die außergewöhnliche Absprache zwischen DVU und NPD, nicht gegeneinander zu kandidieren, wäre das Ergebnis nicht so schwerwiegend gewesen. Die DVU konnte ihren Stimmenanteil in Brandenburg auf 6,1% (1999 bereits 5,3) erhöhen. Die Partei des westdeutschen Multimillionärs Gerhard Frey verfügt allerdings über keinen organisatorischen Unterbau in Brandenburg. Weder Verbindungen zu rechtsextremen Gruppierungen bestehen, noch konnte sich die DVU durch eine aktive politische Arbeit in den vergangenen fünf Jahren in Potsdam auszeichnen. Vielmehr glänzte sie durch Unauffälligkeit.

Anders die NPD. In Sachsen ist die NPD mit 9,2% erstmals auch im Landesparlament vertreten. Bereits bei den Kommunalwahlen und bei den Europawahlen in diesem Jahr konnte die NPD ihre Stimmenanteile bundesweit deutlich erhöhen. Dabei erlangte sie in Sachsen, in dem Bundesland, in dem sie auch am meisten Mitglieder hat, jeweils die höchsten Prozentsätze.

Durch das Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe war die NPD allerdings finanziell ausgeblutet. Auch die Mitgliederzahl sank aufgrund von Streitigkeiten im Zuge des Verbotsantrags um etwa ein Fünftel. Dennoch hat sich die Partei unter dem Vorsitz von Udo Voigt (seit 1996) von einer Altnazi-Partei zu einer modernen und integrativen rechtsextremen Partei gewandelt. Der Politologe und Hauptmann der Reserve hat die Partei sowohl für Ex-Mitglieder verbotener Neo-Nazi-Organisationen geöffnet, womit zahlreiche, gut geschulte, junge Kader in die Partei kamen, als auch die völkische Ideologie so formuliert, dass sie bis in die Mitte der Gesellschaft auf Zustimmung stößt. So ist die offene Leugnung des Holocaust inzwischen verpönt. In ihrer Agitation baut die NPD auf zwei wesentliche Kernpunkte: Zum einen auf den Hass gegen Ausländer und Migranten, zum anderen auf den Unmut gegen Hartz IV, Sozialabbau und Großkapital. Die fremdenfeindliche, sich national und sozialistisch verstehende Partei warb in den vergangenen Wochen mit dem populistischen Slogan "Schnauze voll? Wahltag ist Zahltag!" oder mit Parolen wie "Sozialleistungen nur noch für Deutsche" und "Grenzen dicht für Lohndrücker!". Diese Slogans, die Ängste, Unsicherheit und Wut breiter Teile der Bevölkerung aufgreifen, wurden im Wahlkampf durch den Einsatz einer Wahlkampf-CD, Pressefest, Flugzeug-Banner und ähnlichen Mitteln geschickt lanciert. Demokratieunwilligkeit, Fremdenfeindlichkeit und Opposition zu sozial-politischen Veränderungen sind vielerorts - und nicht allein in Sachsen - weit in der Bevölkerung verbreitet. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass sich NPD-Sympathisanten in örtlichen Einrichtungen wie der freiwilligen Feuerwehr, dem Sport- oder Karnevalverein engagieren und auch aktiv Wahlkampf und Überzeugungsarbeit leisten.

Politisch ist der Rechtsextremismus in Sachsen nie bekämpft worden. Zwar gibt es auch hier vereinzelt von der Bundesregierung finanzierte Projekte gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Doch ist die Haltung des ehemaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf für Sachsens Umgang mit Rechtsextremismus charakteristisch: Er sagte im September 2000 als die politische und mediale Aufmerksamkeit für das Thema Rechtsextremismus besonders hoch war, die Sachsen hätten "sich als völlig immun erwiesen gegenüber rechtsradikalen Versuchungen". Anders als in allen anderen ostdeutschen Bundesländern gibt es hier keine Landesinitiativen, die Projekte gegen Rechtsextremismus fördern. Stattdessen ist die rechtsextreme Szene vielerorts Teil des Mainstreams. Bei den 18 bis 29jährigen Jungwählern kam die NPD am 19. September auf 21%. Vor allem auf dem Land erzielte die Partei zweistellige Ergebnisse. In Gegenden wie der Sächsischen Schweiz gibt es eine rechte Alltagskultur, in der sich tolerante und demokratische Verhaltensweisen mühsam behaupten müssen.

Das Centrum für angewandte Politikforschung und die Bertelsmann Stiftung untersuchen mit einem Expertenbeirat aus Politik, Wirtschaft und Praxis, wie in Schulen, Kindergärten und in den Medien eine demokratische Lehr- und Informationskultur umgesetzt werden kann. Im Projekt Strategien gegen Rechtsextremismus liegen nun erste Ergebnisse vor. So wurden auf Grundlage einer eingehenden Analyse von Biographien rechtsextremistischer Täter die Zeitfenster in den Entwicklungsphasen von Kindern aufgezeigt, in denen bei der Stärkung von emotionalen und sozialen Kompetenzen angesetzt werden kann. Das Fazit: Toleranzerziehung muss so früh wie möglich beginnen. Ab der frühen Kindheit sollte sich deshalb die Bildung besonders der Förderung von emotionalen und sozialen Kompetenzen in Familie, Kindergarten und Schule widmen. Eine internationale Recherche über die notwendigen Rahmenbedingungen für Schulprogramme gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus beklagte im deutschen Schulalltag konzeptionelle Defizite, kurzfristige und aktionistische Programme sowie mangelnde Evaluation. Hier wird eine konsequente Antidiskriminierungsperspektive für eine demokratische Schulentwicklung eingefordert, die durch eine feste Verankerung von Menschenrechtspädagogik im Curriculum gefördert werden könnte.


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