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Attacke aus Rom

Die italienische Regierung bezieht in der UNO und der EU Position gegen Berlin

29.09.2004 · Roman Maruhn



Das deutsch-italienische Verhältnis ist alles andere als gut. Dennoch blieb der offene Streit bis jetzt aus. In zwei Fällen hat die italienische Regierung aber offen Position gegen Berlin bezogen.

Über Sinn und Unsinn eines ständigen Sitzes im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen lässt sich diskutieren: Klar ist, dass Deutschland immer ein Sicherheitsratsmitglied zweiter Klasse bleiben würde, da es auch bei einer für Berlin erfolgreichen Reform kein Vetorecht erhalten würde. Dass Bundesaußenminister Joschka Fischer das Thema jetzt artikuliert, ist eher als außenpolitische Pflicht denn Kür zu betrachten. Voraussichtlich im Dezember wird eine Expertenkommission der UNO Reformvorschläge für den Sicherheitsrat vorlegen. Entsprechend seiner Größe, wirtschaftlichen Bedeutung und auch seines internationalen Engagements muss Berlin Anspruch auf ständige Vertretung im Sicherheitsrat erheben, auch wenn die Chancen nicht allzu gut stehen.

Das Beharren Berlins auf einen nationalen, deutschen Sicherheitsratssitz muss ein Stück weit als Taktik gesehen werden. Ein gemeinsamer Sicherheitsratssitz für die Europäische Union könnte sich in der EU leichter verhandeln lassen, wenn mit einem nationalen Sitz im Hintergrund operiert wird: Mit dem Argument, dass die EU-Staaten mit drei ständigen Sicherheitsratssitzen im Gremium überrepräsentiert wären, ließen sich unter Umständen Frankreich und Großbritannien dazu bewegen, einen gemeinsamen EU-Sitz bei gleichzeitigem Verzicht auf die nationalen Sitze anzustreben. Dies kann freilich erst dann quasi als krönender Abschluss passieren, wenn aus der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik eine echte Gemeinschaftspolitik entstanden ist. Voraussetzung dafür sind unter anderem der Aufbau eines diplomatischen Dienstes der EU und die Realisierung des Projekts eines Europäischen Außenministers.

Wie lassen sich die jüngsten Initiativen der Regierung Berlusconi gegen die Position Deutschlands in Europa und der Welt interpretieren?

Entweder versteht Rom nicht das taktische Spiel der Bundesregierung oder die Regierung Berlusconi will Berlin tatsächlich Böses.

Es gibt einen klaren Größenunterschied zwischen der Bundesrepublik und Italien: Mit knapp 82 Millionen Einwohnern hat Deutschland 44 Prozent mehr Einwohner als Italien. Das ist in Verbindung mit der entsprechend größeren Wirtschaftsleistung tatsächlich eine andere Liga. Rom sollte diesen Unterschied anerkennen und nicht versuchen, Deutschland europäisch und international auf seine ehemalige Rolle als geteiltes Land des Kalten Krieges zu reduzieren. Auch in der Frage der Stimmgewichtung in der EU sollte Rom darauf verzichten, Berlin künstlich klein rechnen zu wollen, indem man auf einmal die Anzahl der Staatsbürger statt der Bevölkerungszahl zur Berechnungsbasis macht.

Will man, dass sich die deutsche Regierung und die Bevölkerung weiter kooperativ in der europäischen Einigung verhalten, dann ist es kontraproduktiv das Land über Gebühr zu benachteiligen. Es ist eine Tatsache, dass die Bundesrepublik das größte und stärkste EU-Mitglied ist, genauso wie das voraussichtlich einmal die Türkei sein wird.

Was hilft es da, wenn Außenminister Franco Frattini in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27. September feststellt, dass für Deutschland und Italien der „Effektive Multilateralismus" angeblich das gemeinsame Strukturprinzip für die internationalen Beziehungen ist? Gleichzeitig unterstützt Rom aber die unilateral handelnden Vereinigten Staaten und zwar nicht nur im Irak, sondern auch in politischen Entscheidungen, in denen sich Italien bereits mehrmals für Washington und gegen Brüssel und damit die EU entschieden hat.

Offensichtlich ist, dass die Regierung Berlusconi Befürchtungen hat, in ihrer europa- und außenpolitischen Bedeutung nicht nur zu stagnieren, sondern im Vergleich zu Berlin sogar zurückzufallen. Dass Rom aber sich nicht darauf beschränkt, Deutschland bei seinen Ambitionen die Unterstützung zu versagen, sondern offen dagegen anläuft, dass der Status Berlins in den internationalen Organisationen stärker den Realitäten angepasst wird, zeugt von Neid und Missgunst.

Rom ist ein schlechtes Vorbild, wenn es jetzt Berlin ermahnt, nationale Interessen hinter die europäische Einigung zurückzustellen.


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