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Die GASP als Projekt der Mitgliedstaaten

Form und Wirkung der Konventsvorschläge

01.07.2003 · Franco Algieri



Ergebnisse:

  • Als neuer Akteur soll künftig ein Außenminister der EU die GASP mitgestalten. Er wird vom Europäischen Rat ernannt, dem Rat "Auswärtige Angelegenheiten" vorsitzen und in einer Doppelfunktion zugleich Vize-Präsident der Kommission sein.

  • Eine weitreichende Ausdehnung qualifizierter Mehrheitsentscheidungen auf alle Bereiche der GASP konnte nicht erreicht werden, obwohl dies von vielen Konventsteilnehmern nachdrücklich unterstützt wurde.

  • Alte und neue Akteure sowie veränderte Entscheidungsmechanismen sollen die EU, die nun erstmals ihre Interessenagenda definiert, zu einer kohärent handelnden Gestaltungsmacht in der internationalen Politik machen.

Bewertung:

  • Im Bereich der GASP bleiben trotz der vorgeschlagenen Reformschritte deutliche Begrenzungen bestehen. Sie wird noch stärker als bisher von den Mitgliedstaaten kontrolliert.

  • Kritisch zu bewerten ist die Rolle des EU-Außenministers. Durch diesen Akteur kann zwar die Kontinuität und Kohärenz der GASP gefördert werden. Gleichzeitig kann es sich aber als einschränkend für den Außenminister erweisen, dass er in einem dreifachen Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem Ministerrat, dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Präsidenten der Europäischen Kommission steht.

Schlüsseldokumente:

  • Schlussbericht der Gruppe VII, Außenpolitisches Handeln vom 16. Dezember 2002 (CONV 459/02)

  • Ein sicheres Europa in einer besseren Welt, Strategiepapier des Hohen Vertreters für die GASP Javier Solana, Europäischer Rat Thessaloniki, 20. Juni 2003.


Die Gretchenfrage

Wie halten es die souveränen Mitgliedstaaten der EU denn mit der "Gemeinsamkeit" bei der Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)? Diese Gretchenfrage ist heute, ein Jahrzehnt nach den Anfängen der GASP, brisanter denn je. Im Lichte der kontroversen Positionen alter und neuer EU-Mitgliedstaaten im Irakkonflikt wurde häufig behauptet, die GASP befände sich in ihrer bislang größten Krise bzw. hätte ihr Ende erreicht. Dieser Einschätzung ist deutlich zu widersprechen. Zwar offenbarten sich scheinbar unüberbrückbare Interessengegensätze europäischer Staaten, doch in der täglichen Praxis funktionierte die GASP als hoch intensives Politikfeld. Vor diesem Hintergrund ist das entsprechende Arbeitsergebnis des Konvents unter Berücksichtigung von drei Bewertungskategorien zu sehen:

a) die inhaltlichen Neuerungen bezüglich des Vertragstextes;

b) die Interessenheterogenität europäischer Staaten;

c) die Konsequenzen für den weiteren Verlauf der außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Integration.

Empfehlungen der Arbeitsgruppe VII

In der zweiten Phase der Konventsarbeiten wurde auch die Arbeitsgruppe VII "Außenpolitisches Handeln" eingesetzt. In acht Sitzungen zwischen dem 24. September und dem 4. Dezember 2002 hat die Arbeitsgruppe, unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Konvents Jean-Luc Dehaene, die in ihrem vom Konvent erteilten Mandat (CONV 252/02) aufgeworfenen Fragen diskutiert. Im Abschlussbericht (CONV 459/02) findet sich eine Vielzahl von Empfehlungen zur Optimierung des außenpolitischen Handelns. Die Liste umfasst:

  • Die Zusammenführung der Artikel betreffend das außenpolitische Handeln im Vertrag;

  • die Definition der Grundsätze und die Bestimmung der strategischen Ziele und Interessen der Union;

  • die Klärung der Zuständigkeit der EU für den Abschluss von Übereinkünften in Fragen, die unter ihre interne Zuständigkeit fallen;

  • eine verstärkte Kohärenz und Effizienz zwischen Organen und Akteuren, zwischen den einzelnen Institutionen sowie auf Ebene der Dienstellen;

  • Veränderungen bei und Einführung von neuen Instrumenten und Beschlussfassungsmechanismen bei der GASP, der Handelspolitik und der Entwicklungszusammenarbeit;

  • die Rolle des Europäischen Parlaments;

  • die Finanzierung der GASP;

  • internationale Übereinkünfte;

  • die Außenvertretung der Europäischen Union.

Entsprechend hoch waren die Erwartungen, wie umfassend und richtungsweisend der Verfassungsentwurf dieses Themenspektrum aufgreifen würde. Ein genauer Blick auf die nun vorliegenden Vorschläge zu Institutionen, Akteuren und Entscheidungsmechanismen lässt zwar erkennen, dass die genannten Aspekte berücksichtigt wurden, doch mit teilweise sehr unterschiedlichen Auswirkungen für den weiteren Integrationsverlauf.

Neuordnung der Institutionen und Akteure

Die Einigung europäischer Staaten auf eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist nicht nur aus einer durch die Entwicklung der internationalen Politik bedingten Handlungsnotwendigkeit heraus entstanden. Die GASP ist ebenso ein Ausdruck der Entscheidung für das Projekt einer politischen Union und in diesem Sinne ein Schritt zur Vertiefung des Integrationsprozesses. Was jedoch in Titel V des Maastrichter Vertragswerks hierzu gefunden werden konnte, stellte nur einen ersten Ansatz in diese Richtung und einen von den Mitgliedstaaten getragenen Minimalkompromiss dar. Die GASP-Reformen, die in den Vertrag von Amsterdam und anschließend in den Vertrag von Nizza eingingen, brachten nur punktuelle Verbesserungen. Welche institutionellen Rahmenbedingungen bietet nun der Europäische Verfassungsentwurf (EVE) des Konvents?

Europäischer Rat und Präsident des Europäischen Rates

Der Europäische Rat soll weiter als Impulsgeber wirken, die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten festlegen sowie die strategischen Interessen der Union bestimmen (Art. I-20.1 und Art. 39.2 EVE). Seine Leitlinienfunktion bei der GASP bezieht sich auch auf Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen (Art. III-196.1 EVE). Außerordentliche Ratstagungen sollen dann einberufen werden, wenn es die internationale Lage erfordert und die entsprechenden strategischen Vorgaben entwickelt werden müssen. Der Präsident des Europäischen Rates wird "auf seiner Ebene", unbeschadet der Zuständigkeiten des Außenministers, die Außenvertretung der Union in GASP-Angelegenheiten wahrnehmen (Art. I-21.2 EVE).

Ministerrat

Der Ministerrat soll im Zusammenwirken mit der Kommission und dem neu einzuführenden Außenminister der Union für die Gewährleistung der Kohärenz des außenpolitischen Handelns zuständig sein. Er soll die für die Festlegung und Durchführung der GASP notwendigen Beschlüsse treffen. Der Rat wird also das Forum darstellen, in dem sich die Mitgliedstaaten konsultieren sowie ihr Vorgehen abstimmen, angleichen und festlegen (Art. I-39.5 EVE). Die Außenpolitik der Union wird der Rat "Auswärtige Angelegenheiten", dem der Außenminister der Union vorsitzt, gemäß den strategischen Vorgaben des Europäischen Rates formulieren (Art. I-23.2, Art. III-193.3, Art. III-196.2 und Art. III-197.1 EVE).

Beschlüsse des Ministerrats können sowohl einen geographischen wie auch einen thematischen Bezug haben (Art. III-199 EVE). Wird aufgrund einer bestimmten Entwicklung der internationalen Politik ein operatives Handeln der EU notwendig, soll der Ministerrat die erforderlichen Beschlüsse treffen (Art. III-198.1 EVE). In diesen sollen die Ziele, der Umfang, die der Union zur Verfügung stehenden Mittel sowie die Bedingungen und, falls notwendig, der Durchführungszeitraum festgelegt werden. Ändern sich die Umstände, so muss der Beschluss einer Prüfung unterzogen und gegebenenfalls angepasst werden. Die Beschlüsse werden für die Mitgliedstaaten bindend sein, und sie verpflichten sich zur Abstimmung ihres Vorgehens (Art. III-198.2-4 EVE).

Außenminister der Union

Als neuer Akteur soll künftig der Außenminister der Union die GASP mitgestalten. Er wird vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ernannt und bedarf der Zustimmung des Präsidenten der Europäischen Kommission, da er in seiner Doppelfunktion auch ein stellvertretender Präsident der Kommission sein soll und dort mit den Außenbeziehungen betraut wird (Art. I-27.1 und Art. 27.3 EVE). Er wird an den Beratungen des Europäischen Rates teilnehmen, das auswärtige Handeln der Union koordinieren, über ein Vorschlagsrecht für die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik verfügen und diese im Auftrag des Ministerrats durchführen (Art. I-20.2, Art. I-27.2-3 und Art. I-39.4 EVE). Im Rat "Auswärtige Angelegenheiten" soll er mit seinen Vorschlägen zur Festlegung der GASP beitragen und sicherstellen, dass die vom Europäischen Rat und vom Ministerrat erlassenen Beschlüsse durchgeführt werden (Art. I-23.4 und III-197.1 EVE). Die Vertretung der Union im Bereich der GASP wird auf den Außenminister der Union konzentriert, der auch den politischen Dialog führen und in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen den Standpunkt der Union vertreten soll (Art. III-197.2 EVE).

Europäischer Auswärtiger Dienst

Die Arbeit des Außenministers der Union unterstützend, soll ein Europäischer Auswärtiger Dienst eingerichtet werden (Art. III-197 EVE und die entsprechende Erklärung im Anschluss an Teil IV EVE). Die erforderlichen Vorkehrungen für die Einrichtung sollen innerhalb des ersten Jahres nach Inkrafttreten des Verfassungsvertrags getroffen werden. Dieser neue Dienst wird dem Außenminister unterstellt und soll sich aus Beamten der entsprechenden Dienststellen des Generalsekretariats des Ministerrats und der Kommission sowie aus abgestelltem Personal der diplomatischen Dienste der Mitgliedstaaten zusammensetzen. Darüber hinaus soll das Personal der Delegationen der Union aus diesem Dienst bereitgestellt werden. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Rolle der Sonderbeauftragten verwiesen, die ihr Mandat unter der Leitung des Außenministers ausüben werden (Art. III-203 EVE).

Europäische Kommission

Die Kommission wird weiterhin für die Einhaltung der Bestimmungen des Verfassungsvertrags Sorge tragen, die Anwendung des Unionsrechts überwachen, den Haushaltsplan führen und die Programme verwalten. Abgesehen von der GASP und den übrigen in der Verfassung festgelegten Fällen wird sie die Außenvertretung der Union übernehmen (Art. I-25.1 EVE). Wenn der Außenminister der Union im Rahmen der Zuständigkeiten der Kommission handelt, wird er den Verfahren unterliegen, die für deren Arbeitsweise gelten (Art. 27.3 EVE).

Europäisches Parlament

Das Europäische Parlament soll zu den wichtigsten Aspekten der GASP und ESVP regelmäßig gehört und informiert werden (Art. I-39.6, Art. I-40.8 und Art. III-205 EVE). Es kann Anfragen oder Empfehlungen an den Ministerrat und den Außenminister der Union richten. Zweimal jährlich wird das Parlament eine Aussprache zur GASP und ESVP durchführen.

Vor allem die Einführung eines hauptamtlichen Präsidenten des Europäischen Rates, des Außenministers der Union sowie eines Europäischen Diplomatischen Dienstes stellen grundlegende Eingriffe in die bisherigen institutionellen Rahmenbedingungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik dar. Darüber hinaus ordnet der Verfassungsentwurf des EU-Reformkonvents den genannten Akteuren und Institutionen auch Entscheidungsmechanismen zu, die sich deutlich von den bestehenden unterscheiden.

Komplexe Entscheidungsmechanismen

Im Rahmen des Europäischen Rates und des Ministerrats, werden die Mitgliedstaaten ihre Positionen zur GASP abstimmen und das gemeinsame Vorgehen festlegen. Im Sinne verbesserter Konvergenz und Solidarität soll ein Mitgliedstaat die anderen Mitgliedstaaten konsultieren, falls sein Handeln auf internationaler Ebene oder das Eingehen einer Verpflichtung die Interessen der Union berühren könnte (Art. I-39.5 EVE). Die Union wird die GASP ausgestalten, indem sie deren allgemeine Leitlinien bestimmt, die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten systematisch ausbaut und europäische Beschlüsse über Aktionen, Standpunkte und deren Umsetzung festlegt (Art. III-195.3 EVE).

Der Europäische Rat und der Rat werden die für die GASP erforderlichen Beschlüsse, über die der Rat einstimmig entscheidet, erlassen (Art. I-39.3, Art. I-39.7 und Art. III-201.1 EVE). Vorschläge hierzu sollen von einem Mitgliedstaat, dem Außenminister der Union allein oder von diesem mit Unterstützung der Kommission gemacht werden (Art. I-39.7 und Art. III-200.1). Wie schon bisher im Vertrag vorgesehen (Art. 23.1 EUV), kann sich ein Mitgliedstaat - unter Nennung der Gründe - der Stimme enthalten und die Verpflichtungen eines Beschlusses ablehnen. Gleichzeitig muss er aber akzeptieren, dass dieser Beschluss für die Union bindend sein wird. Wenn jedoch die Mitgliedstaaten, die sich dieser Form der Enthaltung bedienen, mindestens ein Drittel der Mitgliedstaaten - die wiederum mindestens ein Drittel der Unionsbevölkerung vertreten - umfassen, so wird der Beschluss nicht erlassen werden (Art. III-201.1 EVE).

Weiterhin kann ein Mitgliedstaat aus wesentlichen Gründen der nationalen Politik erklären, dass er die Anwendung der qualifizierten Mehrheitsentscheidung in einem bestimmen Fall ablehnt, was zur Folge hat, dass keine Abstimmung erfolgt. Es wird dann dem Außenminister der Union obliegen, eine Einigung zwischen den Mitgliedstaaten herzustellen. Gelingt dies nicht, soll der Ministerrat durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss die Frage an den Europäischen Rat abgegeben können, der hierzu mit Einstimmigkeit zu beschließen hat (Art. III-201 EVE).

Die Möglichkeiten zur Abweichung von der Einstimmigkeit bleiben eng begrenzt und von den Mitgliedstaaten kontrolliert (Art. III-201.2 EVE). Qualifizierte Mehrheitsentscheidungen sollen in vier Fällen möglich werden:

  • Wenn der Ministerrat, basierend auf einem Beschluss des Europäischen Rates über die strategischen Interessen und Ziele der Union, Beschlüsse über Aktionen und Standpunkte der Union erlässt.

  • Wenn der Ministerrat Aktionen und Standpunkte beschließt, die auf einem Vorschlag des Außenministers der Union basieren. Der Vorschlag muss wiederum auf ein spezielles Ersuchen des Europäischen Rates zustande kommen. Dieses Ersuchen kann entweder auf die eigene Initiative des Europäischen Rates oder die des Außenministers zurückgehen.

  • Wenn der Ministerrat einen Durchführungsbeschluss zu einer Aktion oder einem Standpunkt der Union erlässt.

  • Wenn der Ministerrat einen Beschluss zur Ernennung eines Sonderbeauftragten erlässt.

Abgesehen von diesen Möglichkeiten soll der Ministerrat nur dann mit qualifizierter Mehrheit beschließen, wenn der Europäische Rat dies zuvor einstimmig beschlossen hat (Art. I-39.8 und Art. III-201.3 EVE). Beschlüsse mit militärischen und verteidigungspolitischen Bezügen werden der Einstimmigkeit unterliegen. Das Vorschlagsrecht soll beim Außenminister der Union oder einem Mitgliedstaat verankert werden (Art. I-40.4 und Art. III-210.2 EVE). Der Außenminister wird, gegebenenfalls gemeinsam mit der Kommission, den Rückgriff auf einzelstaatliche Mittel und Instrumente der Union vorschlagen können.

Weitere Aspekte des auswärtigen Handelns der Union

Die EU lässt sich in ihrem Selbstverständnis als internationaler Akteur von den unumstrittenen Grundsätzen der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Gleichheit, Solidarität und Achtung des Völkerrechts leiten. Multilaterale Foren (insbesondere die Vereinten Nationen) und multilaterale Problemlösungsansätze bilden das bestimmende Konzept der europäischen Politik gegenüber dritten Staaten und Regionen. Der Abbau von Handelsschranken und die Integration aller Länder in die Weltwirtschaft gehört ebenso zu den großen außenpolitischen Leitgedanken der Union wie nachhaltige Unterstützungsmaßnahmen hinsichtlich gesellschaftlicher oder umweltpolitischer Prozesse in den Entwicklungsländern. Kurzum: Die EU will eine verantwortungsvolle Weltordnungspolitik fördern.

Die GASP wird somit Teil eines umfassenden Verständnisses des auswärtigen Handelns und steht in Verbindung zu weiteren Politikfeldern, insbesondere der gemeinsamen Handelspolitik (Art. I-12.1, Art. III-216-217 EVE) und der Zusammenarbeit mit Drittländern, die sich aufteilt in die Entwicklungszusammenarbeit (Art. III-218-220 EVE), die wirtschaftliche, finanzielle und technische Kooperation (Art. III-221-222 EVE) und die humanitäre Hilfe (Art. II-223 EVE). In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass der EU Rechtspersönlichkeit verliehen werden soll, so dass sie künftig mit einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen internationale Übereinkünfte schließen kann (Art. III-204 EVE). Die EU wird ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss internationaler Übereinkommen erhalten, sei es mit einem oder mehreren Drittstaaten oder einer oder mehreren internationalen Organisationen, und sie kann Assoziierungsabkommen abschließen und durchführen (Art. I-12.2 und Art. III-225-227 EVE).

Der Ministerrat wird, nach Vorlage einer Empfehlung der Kommission, die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen erteilen, die entsprechenden Verhandlungsrichtlinien festlegen und die Übereinkünfte schließen. Bezieht sich die Übereinkunft ausschließlich oder hauptsächlich auf die GASP, so wird die Empfehlung vom Außenminister der Union vorgelegt. Das Europäische Parlament wird zu den Übereinkünften angehört und gibt seine Stellungnahme ab. Es bleibt jedoch dann ausgeschlossen, wenn die Übereinkünfte ausschließlich die GASP betreffen (Art. III-227.7 EVE).

Aufmerksamkeit verlangen auch die Textpassagen zu den restriktiven Maßnahmen im Rahmen der GASP. Diese können sich auf die Aussetzung, Einschränkung oder vollständige Einstellung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu einem oder mehreren Drittländern oder auf natürliche oder juristische Personen beziehen (Art. III-224 EVE). Die hierzu notwendigen Verordnungen oder Beschlüsse sollen vom Ministerrat auf gemeinsamen Vorschlag des Außenministers der Union und der Kommission mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden. Das Europäische Parlament wird vom Ministerrat hierzu unterrichtet.

Bewertung und Ausblick

Die vergangenen GASP-Reformphasen folgten einem reaktiven Entwicklungsschema. Aus dem Zusammenwirken interner und externer Impulse vollzog sich die Fortschreibung europäischer Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Doch hat dieser Ansatz seine Grenzen erreicht und erweist sich für die Zukunft als nicht tragfähig. Die vorliegenden Arbeitsergebnisse des Konvents sind, insgesamt betrachtet, ein qualitativ eindrucksvolles Resultat einer teilweise kontrovers geführten Reformdebatte (siehe die Syntheseberichte der Plenartagungen vom 5./6. Dezember 2002, CONV 449/02, 20. Dezember 2002, CONV 473/03 und 15./16. Mai 2003, CONV 748/03), die nachhaltige Auswirkungen auf den weiteren Verlauf des Integrationsprozesses haben wird. Im Bereich der GASP bleiben aber trotz aller erkennbaren Fortschritte deutliche Begrenzungen bestehen. Wird der Entwurf des Verfassungstextes in der vorliegenden Form durch die Regierungskonferenz bestätigt, so können die Mitgliedstaaten eindeutig als Gewinner bezeichnet werden. Die supranationale Ebene erfährt nur eine teilweise Aufwertung - so bleibt beispielsweise für die Kommission ein genuines Vorschlagsrecht für GASP-Beschlüsse verwehrt. Die zentralen Schwachpunkte des Entwurfs zeigen sich wie folgt:

  • Eine weitreichende Ausdehnung qualifizierter Mehrheitsentscheidungen auf alle Bereiche der GASP, mit Ausnahme von Fragen mit militärischen und verteidigungspolitischen Bezügen, konnte nicht erreicht werden. In den Konventsdebatten wurde die Ausdehnung von nationalen und europäischen Abgeordneten sehr nachdrücklich unterstützt. In diese Richtung argumentierte auch der deutsche Außenminister Joschka Fischer, der sich aber dann mehr auf eine Einschränkung des Vetorechts der Mitgliedstaaten konzentrierte. Der deutlichste Widerstand kam von der britischen Regierung, aber auch Irland und Schweden zeigten Zurückhaltung. Frankreich nahm eine ambivalente Position ein. Um die britische Zustimmung zum Verfassungsentwurf nicht zu gefährden, gab es seitens der Befürworter Zugeständnisse an London, insbesondere bei den Entscheidungsverfahren. Das Präsidium des Konvents verhielt sich lange Zeit abwartend und dessen Vorsitzender Giscard d'Estaing verwies darauf, dass sich in der Irakkrise gezeigt hätte, dass entsprechende außen- und sicherheitspolitische Fragen nicht mit Mehrheit entschieden werden könnten. Insgesamt betrachtet, stellt die Gespaltenheit zwischen den Mitgliedstaaten in dieser Frage kein Novum dar. Sie versinnbildlicht erstens einen bekannten Richtungsstreit bezüglich des weiteren Integrationsverlaufs und zweitens die Bereitschaft bzw. Nichtbereitschaft, verbleibende Souveränitätsbereiche abzugeben.

  • Kritisch zu bewerten ist die Rolle des Außenministers der Union. Durch diesen Akteur kann die Kontinuität der GASP gefördert und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen diesen und der supranationalen Ebene mit dem Ergebnis einer immer kohärenten Außen- und Sicherheitspolitik vorangetrieben werden. Gleichzeitig kann es sich als einschränkend für den Außenminister erweisen, dass er in einem dreifachen Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem Ministerrat, dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Präsidenten der Europäischen Kommission steht. Ebenso kann eine deutliche Aufwertung der Synergieeffekte zwischen Rat und Kommission aufgrund der Doppelfunktion des Außenministers nicht als gegeben vorausgesetzt werden. Vielmehr bleibt abzuwarten, wie sich die Loyalitäten der unterschiedlichen bürokratischen Systeme von Kommission und Rat gegenüber dem Außenminister ausprägen werden.

  • Ähnliche Einwände wie beim Amt des Außenministers auch für die künftigen Wechselwirkungen zwischen dem Europäischen Auswärtigen Dienst, der hauptsächlich auf deutsche Initiative zustande kam, und anderen institutionellen Akteuren. Etwa gegenüber dem Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) das seine zentrale Funktion bei der Überwachung der internationalen Lage sowie der Durchführung der vereinbarten GASP-Maßnahmen behält. Das PSK wird auch weiterhin die politische Kontrolle und strategische Leitung von Operationen zur Krisenbewältigung übernehmen, doch nicht nur unter der Verantwortung des Ministerrats, sondern auch des Außenministers der Union (Art. III-208 EVE). Entscheidend wird sein, welche Persönlichkeit das Amt des Außenministers der Union übernehmen wird und ob es ihr gelingt, nicht nur ein eigenes Profil zu entwickeln, sondern darüber hinaus prägende Akzente für eine europäische Außen- und Sicherheitspolitik zu setzen.

  • Schwächen bestehen auch bezüglich der Legitimation und Kontrolle der GASP und der ESVP. Das Europäische Parlament bleibt weitgehend außen vor. Der Europäische Gerichtshof erhält keine Zuständigkeit (Art. III-282 EVE). Für ihn kann lediglich ein indirekter Zuständigkeitsbezug hergestellt werden in Bezug auf die Überwachung der Rechtsmäßigkeit restriktiver Maßnahmen gegenüber natürlichen und juristischen Personen.

Die Auseinandersetzung mit der GASP bedeutet auch, die Rolle der EU als weltpolitischer Akteur zu klären. In der Erklärung von Laeken zur Zukunft der Europäischen Union vom Dezember 2001 wurde die Rollenbestimmung der EU in den Kontext ihrer Standortbestimmung in der von neuen Herausforderungen gekennzeichneten internationalen Politik zu Beginn des 21. Jahrhunderts gestellt. Für die erweiterte Union ergibt sich die Notwendigkeit, eine eindeutige Antwort darauf zu geben, ob und in welchem Umfang sie eine Führungsrolle in einer neuen Weltordnung einnehmen will und kann. Der Verfassungsentwurf bietet in Verbindung mit dem Entwurf der europäischen Sicherheitsstrategie einen ersten richtungsweisenden Ansatz. Geostrategisches Denken steht in Verbindung zu einer klaren Hervorhebung eines multilateral geprägten Verständnisses von Außenpolitik. Entsprechend wichtig wird die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen (Art. III-206 EVE) sowie die Koordination der diplomatischen Vertretungen der Mitgliedstaaten und der Delegationen der EU in Drittländern wie auch im Rahmen internationaler Organisationen. All dies soll im Zusammenspiel mit dem Außenminister der Union geschehen (Art. III-202.2, Art. III-207, Art. III-229-230 EVE).

Die eingangs erwähnte vermeintliche Krise der GASP hat bewirkt, dass der Konventsvorschlag Formulierungen zur aktiven, loyalen und solidarischen Unterstützung der GASP durch die Mitgliedstaaten deutlicher vorbringt, als dies im noch geltenden EU-Vertragswerk zu finden ist (Art. I-15.2, Art. I-39.1 und Art. III-195.2 EVE). Doch die Forderung nach Loyalität und Solidarität wird dadurch relativiert, dass eine Differenzierung und Formen der verstärkten Zusammenarbeit in der erweiterten Union unausweichlich werden. Wenn das künftige außen- und sicherheitspolitische Profil der EU einerseits nachhaltig aufgewertet werden soll und dies andererseits mit der Herausbildung unterschiedlich handlungswilliger und handlungsfähiger Gruppen von Staaten verbunden wird, dann spiegelt sich hier ein hohes Maß an Realismus wider. Gleichzeitig bedeutet dies die Abkehr von dem bislang gültigen Integrationsschema.       


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