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Das Konzept der Energiesicherheit

Florian Baumann am Institute for Energy der EU Kommission in Petten

22.01.2009 · Forschungsgruppe Europa



Der jüngste Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine hat ein weiteres Mal gezeigt, wie wichtig das Thema Versorgungssicherheit heute ist. Der weltweite Rückgang der fossilen Energiereserven und die gleichzeitig steigende Nachfrage erhöhen den Druck auf die internationalen Energiemärkte. Europa wird davon in besonderem Maße betroffen sein: Die steigende Importabhängigkeit bei fossilen Energieträgern, die hohe Volatilität der Rohstoffpreise, der immer deutlichere Ressourcennationalismus und die politische Fragilität vieler Produzentenländer erfordern eine gemeinsame Antwort der EU-Mitgliedstaaten.

Im strategischen Dreieck der Energiepolitik – Energiesicherheit, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit – hat der Aspekt der Versorgungssicherheit auf europäischer Ebene bislang kaum substanzielle Fortschritte erzielt. Dafür lassen sich vor allem drei Gründe erkennen:

  • Die EU Energiepolitik leidet unter einem strategischen Defizit, das eine langfristige und umfassend ausgerichtete Politik gegenwärtig erschwert.
  • Die Umsetzung der europäischen Energiepolitik ist stark nach innen – Binnenmarkt und Emissionshandel – fokussiert, während eine gemeinsame Energieaußenpolitik vernachlässigt wird.
  • Nationale Restriktionen und Egoismen verhindern eine Weiterentwicklung europäischer Ansätze zum Umgang mit den externen Faktoren der Energieversorgung.

Um diese Lücke zu füllen, entwickelt das Energieinstitut der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU Kommission ein Indikatorenset um Energiesichehreit messbar zu machen. Dafür ist jedoch zunächst eine klare Begriffsbestimmung notwendig, die über die gängige Formel "reliable supplies and affordable prices" hinausgeht. Eine Möglichkeit zur Neukonzeptualisierung der Energiesicherheit liegt daher darin, sie weniger als Zustand sondern vielmehr als Prozess zu sehen. In den Vordergrund treten damit die möglichen Maßnahmen zur Erhöhung der Energie- bzw. Versorgungssicherheit in verschiedenen Dimensionen: Innenpolitik – Wirtschaft  – Geopolitik – Sicherheitspolitik. In seinem Vortrag wies Florian Baumann darauf hin, dass sich aus diesen vier Dimensionen auch die Grundlagen für einen Energiesicherheitsindikator ableiten lassen können. Verschiedene Faktoren, wie etwa die Anteile einzelner Energieträger oder die politische Stabilität in den Herkunftsländern, bieten dafür einen guten Ansatzpunkt.

Unabhängig davon sind aber für die EU schon heute drei prioritäre Handlungsbereiche zu erkennen:

  • Die Wirksamkeit der globalen Energie-Governance-Strukturen müssen gestärkt werden. Transparente und verbindliche Regeln für die globalen Energiemärkte sind am besten geeignet um die zunehmende Politisierung des Rohstoffhandels zu unterbinden.
  • Die EU braucht einen gemeinsamen Ansatz gegenüber Produzenten, Transitländern und anderen großen Verbrauchern. Diese europäische Energieaußenpolitik darf nicht länger von unverbindlichen Dialogen und ad hoc Maßnahmen geprägt sein, sondern bedarf einer strategischen Grundlage, basierend auf gemeinsamen Energieinteressen.
  • Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Kapazitäten für Risikoabschätzung und Krisenreaktion im Energiebereich dramatisch erhöhen. Nur so kann im Falle von Versorgungsengpässen, von denen die Union als Ganzes betroffen ist, frühzeitig und effizient reagiert werden.

Die Grundvoraussetzung für all diese Maßnahmen lässt sich am besten mit dem Stichwort Energiesolidarität umschreiben. Energiesolidarität muss aber mehr sein, als die gegenseitige Unterstützung bei Lieferengpässen oder anderen Krisensituationen. Solidarität ist geradezu das Grundprinzip der europäischen Integration, obwohl dies gerade in jüngster Zeit immer wieder in Vergessenheit gerät. Eine effektive, solidarische Energiepolitik der EU ist nicht nur geeignet die Versorgungssicherheit der Mitgliedsstaaten zu erhöhen, sondern kann auch den Gemeinschaftsgedanken der Union wieder stärker in den Vordergrund rücken.


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