Europa verstehen
Europabezogene politische Bildung bei Jugendlichen in Deutschland
26.02.2009 · Rezension von Stephanie Carstensen
Marianne Böhme, Projektmitarbeiterin der Forschungsgruppe Jugend und Europa am C·A·P, hat diese Fragestellungen wissenschaftlich untersucht. Ihre Analyse ist soeben als Handbuch unter dem Titel "Europa verstehen: Europabezogene politische Bildung bei Jugendlichen in Deutschland" erschienen. Sie widmet sich der komparatistischen Untersuchung zweier Konzepte, mit denen das Thema EU Jugendlichen adäquat näher gebracht werden kann: das Juniorteam Europa der Forschungsgruppe Jugend und Europa und das Europäische Jugendparlament in Deutschland. Sie werden unter den Gesichtspunkten der Projektgestaltung, Teilnehmer, Ziele, Partizipation, hinsichtlich des Beutelsbacher Konsenses, sowie unter dem Bezug zur Lebenswelt, der Persönlichkeitsentwicklung und der Resonanz evaluiert.
Konzepte zur Vermittlung europapolitischer Themen
Die beiden Ansätze, das Juniorteam Europa und das Europäische Jugendparlament in Deutschland, stellen aktuelle Konzepte dar, mit denen Jugendliche an Europa herangeführt und vertraut gemacht werden sollen.
Das Juniorteam Europa ist ein von der Forschungsgruppe Jugend und Europa adaptiertes Konzept, das ursprünglich aus dem Bereich des Sports stammt. Diesem Konzept liegt der Ansatz des peer-education zugrunde. Grundgedanke ist hier, dass Vermittler und Empfänger durch gemeinsame Charakteristika wie Alter verbunden sind. Aus diesem Grund gestaltet sich der Lernprozess effektiver. Entsprechend dieses Ansatzes bildet die Forschungsgruppe seit nunmehr 15 Jahren junge Menschen aus, um ihre Altersgenossen für europapolitischen Themen zu sensibilisieren. Als Juniorteam versuchen sie unter Jugendlichen mit verschiedenen Veranstaltungen auf Europa aufmerksam zu machen. Das Ziel ist eine Verbindung von Partizipation und der Vermittlung von Information im Sinne eines bottom up-Ansatzes. Bemerkenswert ist hier der breite Umfang an Veranstaltungsmöglichkeiten. Sie reichen von Seminaren und Aktionstagen bis hin zu Planspielen.
Das Europäische Jugendparlament in Deutschland hingegen ist eng mit der internationalen Dachorganisation des European Youth Parliament verbunden. Es versucht Jugendliche durch die Bildung von Parlamenten für europäische Themen zu sensibilisieren. Ein struktureller Ansatz, der durch sein nationales Auswahlverfahren breit angelegt ist und einen längeren Zeitraum umfasst. Jugendliche verfassen im Rahmen eines offenen Auswahlverfahrens eine Resolution zu einer festgelegten Thematik. Diese bildet die Basis für die Teilnahme und legt gleichzeitig das Fundament für die Arbeit in den Komitees. So werden ein hoher Grad an Kontinuität ermöglicht und ein breiter Kreis an Interessenten angesprochen. Ein markanter Vorteil stellt hier die Möglichkeit der intensiven Auseinandersetzung mit europäischen Themen und der eigenen Meinungsbildung dar.
Fundierte Analyse
Das Handbuch bietet eine breite Einführung in das Verhältnis zwischen Jugendlichen und der EU. Böhme stützt ihre Erkenntnisse bezüglich der Einstellungen von Jugendlichen zu Europa auf aktuelle Studien wie die Shell Jugendstudie und Ergebnisse der Forschungsgruppe Jugend und Europa. Die Autorin hebt hier deutlich das gravierende Bildungsdefizit von Jugendlichen bei europapolitischen Themen hervor. Hieraus leitet sie den außerordentlichen Bedarf an der Vermittlung von Wissen an europapolitischen Inhalten ab. Diesem folgt der Schwerpunkt der Arbeit: die ausführliche Analyse der Konzepte Juniorteam Europa und Europäisches Jugendparlament in Deutschland. Zentral dafür ist die Verwendung von Interviews mit den Organisatoren und Gründern der jeweiligen Konzepte. Sie gewähren einen realitätsgetreuen und praxisnahen Einblick in die Durchführung und Umsetzung und weisen auf Stärken und Schwächen beider hin. Diese Ansätze europabezogener Bildung für Jugendliche unterliegt hier erstmals einer vergleichenden Analyse. Böhmes Handbuch hat daher einen richtungsweisenden Charakter und bietet einen fundierten Ausgangspunkt für weitere, theoretische oder praxisbezogene Arbeiten.
Nachhaltigkeit als Schlüssel zu erfolgreicher europabezogener Bildung
Wichtigste Schlussfolgerung dieser Publikation ist die Feststellung, dass für eine gezielte Bekämpfung von Desinteresse und Gleichgültigkeit bei Jugendlichen bezüglich der EU nachhaltige, aber auch adäquate und altersgerechte Methoden unersetzlich sind. Jugendliche müssen ein realitätsnahes Bild der Abläufe bekommen, sich in diesem Zusammenhang aktiv mit der Thematik EU auseinandersetzen und einen Bezug zur eigenen Lebenswelt herstellen können, um für europapolitische Themen sensibilisiert zu werden. Erst dann kann eine eigenverantwortliche aktive Teilnahme am europapolitischen Geschehen ermöglicht werden. Eine Forderung, die vor dem Hintergrund der Europawahlen nicht aktueller sein könnte. Die Publikation ist eine empfehlenswerte Analyse, die nicht nur Interessenten an den vorgestellten und evaluierten Konzepten sind anspricht, sondern alle, denen an der dauerhaften Förderung der Jugendpartizipation gelegen ist.
* Stephanie Carstensen, M.A. studierte Politische Wissenschaft, Sinologie und Soziologie an der LMU München und ist Projektmitarbeiterin der Forschungsgruppe Jugend und Europa am C·A·P.
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