Europa kinderleicht
Europabezogene politische Bildung von Kindern in Deutschland
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05.03.2009 · Rezension von Benjamin Reichenbach
Die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland hat als Antwort auf diese Frage aktuell eine Publikation herausgebracht, die versucht, Kindern zwischen 9 und 12 Jahren auf spielerische Weise zu vermitteln, wer zur Europäischen Union gehört, warum die EU gegründet wurde und was sie für die Menschen tut. Das Heft von Sandra Müller kombiniert einfache Texte zur Geographie, Geschichte, Kultur und Wirtschaft Europas mit Aufgaben, die durch Schreiben, Malen, Basteln und Spielen gelöst werden sollen. Einige der Spiele sind für mehrere Kinder gedacht, um gemeinsam Aufgaben zu lösen.
Europa spielerisch verstehen lernen
Der Ansatz, dass Kinder bei der Beschäftigung mit Europa nicht nur Wissen erwerben, sondern auch Spaß haben, ist sehr zu begrüßen und orientiert sich zurecht an den Bedürfnissen der Zielgruppe: der Lust von Kindern spielend zu lernen. Die Figuren Eulalia, die Europa-Eule, und ihr Kumpel Fred Fuchs führen durch das Heft und erklären, was zu tun ist. Beispielsweise anhand einer selbst gebastelten Drehscheibe die Mitgliedsstaaten der EU und ihre Hauptstädte in eine Karte einzutragen. Mit den dazugehörigen Flaggen kann dann Memory gespielt werden. Praxistauglich ist auch die Aufgabe zu den Euromünzen. "Schau doch mal auf deinen Geldbeutel: Was ist auf Deinen Euromünzen abgebildet", heißt es da. Ein beigefügter Bastelbogen enthält alle 1-Euro-Münzen der Länder der Währungsunion zum Ausschneiden. Nun sollen die unterschiedlichen Motive den unterschiedlichen Staaten zugeordnet werden, eine Erklärung der jeweiligen Abbildung steht dabei. Diese Aufgabe ist ein gelungenes Bespiel dafür, dass Europa und der EU direkt bei uns im Alltag begegnet werden kann.
Wissensvermittlung über Europa
Aufgrund des Gruppenansatzes verschiedener Aufgaben ist das Heft auch als Begleitbuch im Schulunterricht gut vorstellbar. Besonders, da das Bearbeiten mancher Übungen mit Sicherheit einer gewissen Anleitung oder Vermittlung bedarf. Denn sie erscheinen etwas zu schwierig für Kinder. So darf vermutet werden, dass mit der korrekten Zuordnung einiger europäischer Kulturgüter auch mancher Europapolitiker seine Schwierigkeiten hätte, beispielsweise mit dem "Kiek in de Kök" im estnischen Tallinn. Die Wissensvermittlung durch die Texte ist jedoch durchweg positiv zu bewerten. Die knappen, aber informativen Texte über die Organe der EU, das Schengen-Abkommen oder die Geschichte der Vertragsgemeinschaft sind anschaulich und verständlich geschrieben. Betont werden weniger politische Zusammenhänge, sondern es wird verdeutlicht, wie der persönliche Alltag von Europa durchdrungen ist. Kinder beschreiben ihren Schulalltag in ihrem jeweiligen Land. Oder Produkte wie Tomaten, Spaghetti, Schafskäse oder Olivenöl sollen den entsprechenden Herkunftsländern zugeordnet werden. Diese Form der Wissensvermittlung entspricht einem pädagogischen bottom-up-Ansatz, wie ihn auch die Forschungsgruppe Jugend und Europa am C·A·P konsequent in ihren Projekten verfolgt. Gerade bei fehlender Vorbildung über politische Institution, wie die der EU, ist es zielführend, bei Themen aus dem direkten Lebensumfeld von Kindern und Jugendlichen anzusetzen.
Beschäftigung mit der EU, aber ab welchem Alter?
Im Vorwort des Heftes wendet sich der Vize-Präsident der europäischen Kommission Günter Verheugen ganz direkt an die jungen Leserinnen und Leser. Im weiteren Verlauf des Heftes zeigt sich jedoch eine etwas zu unspezifische Alterausrichtung. So sind manche Aufgaben an hohe, zum Teil anspruchsvolle kognitive Leistungen gebunden wie beim Würfelspiel "Kulturreise durch Europa". Layout und Sprachduktus des Heftes hingegen erwecken streckenweise den Eindruck, dass hier eher jüngere Kinder angesprochen werden sollen. Dies gilt ebenso für Aufgaben, wie Europa-Flagge auszumalen. Auch sind Eulalia und Fred Fuchs nicht unbedingt Figuren, mit denen sich angehende Jugendliche identifizieren können. An anderer Stelle heißt es dann jedoch: "Stell Dir vor, Du bist EU-Politiker mit dem Spezialgebiet Landwirtschaft und Milchbauern drohen mit einem Streik." Das vermittelt den Eindruck, das Heft richte sich eher an eine Zielgruppe von 12 Jahren aufwärts. Da die einzelnen Themen nicht aufeinander aufbauen, sondern nach dem Schubladenprinzip aufgebaut sind, liegt in der breiten Anlage vielleicht auch ein Vorteil. In diesem Sinne kann die Seite "Aktiv in Europa" als ein Ausblick verstanden werden. Sie Auskunft über das Erasmus-Programm europäischer Universitäten und das Europäische Jugendparlament für 16- bis 22-Jährige. Die Tatsache, dass man dem Leonardo-Da-Vinci-Programm ein Praktikum im europäischen Ausland machen kann, dürfte zwar im Leben der 9-12-Jährigen noch keine Rolle spielen, weist aber auf Perspektiven in der Zukunft hin.
Fazit
Insgesamt handelt es sich bei "Europa kinderleicht" um ein gelungenes Heft. Es ist ansprechend, sehr übersichtlich gestaltet und bietet einen aktiven Zugang zum Thema. Die Wissensvermittlung durch Aufgaben und Spiele folgt der Idee der Motivierung. Ein erfolgreicher Ansatz, um Kinder mit Europa vertraut zu machen und altersgerecht für europäische Politik zu interessieren. Bleibt nur noch, die ersten Erfahrungen von Kindern mit dem Heft abzuwarten und es all denjenigen ans Herz zu legen, die sich im Umfeld der Europawahl in der Kinder- und Jugendarbeit auf spielerische Weise, aber dennoch tiefgehend mit der Europäischen Union beschäftigen wollen. Auch, wenn die anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament in dem Heft nicht thematisiert werden. Aber sie betreffen die Kinder auch noch nicht ...
Download
Europa kinderleicht
http://ec.europa.eu/deutschland/service/youth_downloads_de.htm
* Benjamin Reichenbach studiert Politische Wissenschaft, Geschichte und Germanistik an der LMU München und ist Projektmitarbeiter der Forschungsgruppe Jugend und Europa am C·A·P.
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